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Do, 28. März 2024

Sacher Rote Bar - Bewertung

adn1966
Experte
am 28. September 2020
SpeisenAmbienteService
Die altehrwürdige Rote Bar im Hotel Sacher also.

Um unseren Hochzeitstag zu feiern, sollte es ein besonderer Rahmen sein, also beschlossen die Liebste und ich, in der Roten Bar zu dinieren.

Das Sacher hat für mich eine besondere Bedeutung, hab ich dort doch in meiner Studentenzeit Mitte der 80er einige Jahre als Limousine-Chauffeur gearbeitet. Seither waren wir, allein oder mit Freunden, immer wieder einmal dort, für mich ein Ausflug in meine Vergangenheit, aber natürlich auch edles und schönes Ambiente und Küche auf hohem Niveau.

Das Ambiente ist tatsächlich sehr schön, viel rot (nomen est omen), Gemälde an den Wänden, vornehm, aber nicht zu steif. Wir hatten natürlich reserviert, aber wie sich herausstellte, wäre das nicht notwendig gewesen, das Restaurant war nahezu leer. Ob das jetzt dem Dienstag geschuldet war oder, was laut Kellner wahrscheinlicher ist, den kürzlich in Kraft getretenen Reisebeschränkungen aus Deutschland, wir wissen es nicht. Noch vor einigen Wochen hatten wir vergeblich versucht, einen Tisch zu bekommen, da war das Lokal ausreserviert. Spannende und volatile Zeiten, nicht nur für Fluglinien.

Egal, wir waren froh, einen sehr schönen Tisch zugewiesen zu bekommen. Die Speisekarten werden wahlweise mittels QR – Code für das Handy oder old school in Form einer klassischen, in Leder gebundenen Karte, angeboten.

Als Gedeck wird ein kleines Josef-Brot mit Butter und einem Kürbiskernaufstrich kredenzt, weiter ging’s mit einem Gruß aus der Küche, irgendwas mit geräucherter Forelle, jedenfalls sehr gut.

Die Liebste bestellte vorweg die Lungenstrudelsuppe, ich die Leberknödelsuppe. Zum Hauptgang sollte es für die Liebste das Waldpilzrisotto sein, für mich der Tafelspitz mit den klassischen Beilagen Spinat, Erdäpfelrösti, Schnittlauchsauce und Apfelkren. Davor natürlich ein Glas Champagner, zum Essen dann fiel die Wahl auf den T.FX.T Arachon, einer herrlichen Cuvée aus BF, Merlot, Cabernet und Zweigelt, die einem Joint Venture der Betriebe Szemes, Tement und F.X. Pichler entsprungen ist. Ein sehr guter Tropfen, den wir vor kurzem auch mit Freunden im Plachutta genießen durften.

Auftritt der Speisen:

Die Suppen schlichtweg hervorragend. Kräftig, echt, so wünscht man sich eine gute, klassische Rindsuppe. Der Lungenstrudel fein und ausgezeichnet im Geschmack, mein Leberknödel klein (was ich mag, sonst ist mir das zu mächtig als Vorspeise) und ebenfalls sehr fein.

Der Tafelspitz kommt klassisch daher, auf einem Teller angerichtet, dazu die Beilagen wie erwähnt. Eingestellt wird auch eine Sauciere mit etwas Suppe, die man über den Tafelspitz gießen kann. Das Gute vorweg: die Erdäpfelrösti sind eine Sensation, Geschmack und Konsistenz sind großartig. Sie kommen in Form einer Art rundes Omelette daher, wirklich, wirklich gut und das Beste der Hauptspeise. Der Spinat zwar cremig und gut, allerdings hat es der Koch mit der Muskatreibe so gut gemeint, dass der Geschmack von Muskatnuss alles andere überdeckt hat. Schade.

Die Saucen klassisch, einzig beim Apfelkren wurde noch extra frischer Kren über das Schälchen mit Apfelkren gerieben, eine durchaus nette Variante. Das Knochenmark wird übrigens auch serviert, allerdings nicht, wie beim Plachutta, im Knochen, sondern bereits ausgelöst, das gefiel.

Nun zum Tafelspitz: Leider vermochte der Tafelspitz in Geschmack und Konsistenz nicht ganz zu überzeugen. Zu „chewy“ und damit leider weit entfernt vom Tafelspitz im Plachutta oder im Stadtwirt. Das ist wirklich schade, zumal man in einem Etablissement wie der Roten Bar natürlich gerade bei diesen österreichischen Klassikern höchstes Niveau erwartet.

Der Liebsten Risotto war eine durchaus stattliche Portion, die Waldpilze gut, das Gericht insgesamt gut, gleichwohl die bei einem Risotto so wichtige Balance zwischen „schlotzig“ und „noch bissfest“ leider zu sehr auf der bissfesten Seite war. Ein Risotto muss schon auch „schlotzig“ sein, allerdings ohne, dass der Reis seine Konsistenz eingebüßt hat, eine Kunst, die gute italienische Köche beherrschen, hier war es leider sub-par.

Zum Abschluss gab’s für mich natürlich noch einen sehr guten kurzen Espresso und das von unserem Kellner empfohlene „Sacher – Parfait“ wollte natürlich auch probiert werden. Am Dessert wiederum war absolut nichts auszusetzen, es war nicht zu große und mächtige Portion, hervorragend im Geschmack und auch optisch ein Genuss.

Ein paar Worte zum Service: hier vergebe ich guten Gewissens die Höchstnote, sehr professionell, sehr höflich und freundlich und wirklich während des gesamten Abends immer bemüht und oft am Gast.

Kleine Hoppalas wie zum Beispiel, dass gerade der kleine Salzstreuer, der auf Verlangen aus einer Lade mit vielen Salzstreuern gereicht wurde, leer war, wollen wir jetzt unter „kann schon einmal passieren“ einordnen, als Pilot denke ich natürlich sofort in Checklisten und Prozessen und frage mich, warum vor dem Mittags- und Abendgeschäft nicht routinemäßig alle Salz- und Pfefferstreuer „gecheckt“ werden. Man verzeihe mir meine beruflich bedingte Deformation. ☺

Für Speis und Trank löhnten wir insgesamt € 220,00 mit Kreditkarte, abzüglich € 50,00 Gastrogutschein, den wir damit auch, danke Herr Bürgermeister, verwenden konnten.

Insgesamt war es aber ein sehr schöner Abend und wir werden auch gerne wiederkommen, das Ambiente und der Service sind einfach sensationell. Die Küche ist sicherlich gut, nächstes Mal werden wir halt andere Dinge aus der sehr klassischen österreichischen Speisekarte versuchen.
Ambiente - Sacher Rote Bar - WienDas Risotto mit Waldpilzen, etwas zu bissfest - Sacher Rote Bar - WienAmbiente 2 - Sacher Rote Bar - Wien
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7 Kommentare

Ich freue mich über den ausführlichen Fleisch-Koch-Beitrag, aber Du hast recht: eine Quellenangabe wäre richtig gewesen..

1. Okt 2020, 20:39·Gefällt mir

Schön, dass auch Werner Gruber mit seiner kulinarischen Physik inzwischen bei ReTe Einzug gehalten hat. Eine Quellenangabe wäre ev. fair gewesen - sei hiermit stellvertretend nachgeholt :-) Link

30. Sep 2020, 12:24·Gefällt mir1

Lieber Meidlinger, unser Zugang zum Kochen deckt sich hier großflächig. Ich lege Mark- und Fleischknochen ins kalte Wasser, den Tafelspitz erst dann, wenn das Wasser (fast) kocht. Salz kommt erst ganz zum Schluss, wenn die Suppe fertig ist, vorher nur Pfefferkörner, STARK angeröstete Zwiebelhälften, Lorbeerblatt, Liebstöckel, Nelken und Wacholderbeeren, ich verzichte auf Muskat und Bohnenkraut. Der Schaum wird natürlich brav abgeschöpft und erst ca. 1 Stunde vor Ende der Kochzeit kommt Suppengemüse dazu. Sollte zuviel Fett in der Suppe sein, schöpfe ich es (ganz zum Schluss) auch noch ab. :-)

30. Sep 2020, 11:48·Gefällt mir3

Darf ich hier auch mal klugscheißen? Mit dem Thema haben wir uns schon reichlich auseinandergesetzt. Rindsuppe Das Problem: Wir möchten eine kräftige Suppe und ein Stück saftiges Fleisch. Wir müssen die Effekte der Osmose und Diffusion berücksichtigen. In den Zellen des Fleisches ist Salz gelöst. Ist das Wasser, in dem das Fleisch gekocht wird, gesalzen, so ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, daß man zuviel Salz erwischt hat. Das heißt, das Wasser aus den Zellen versucht die Salzkonzentration der Suppe zu verdünnen, es bewegt sich von den Zellen des Rindfleisches in die Suppe. Dies führt dazu, daß sich auch Geschmacksstoffe vom Fleisch in die Suppe bewegen - die Suppe wird dabei kräftig, aber das Fleisch trocknet aus. Wenn umgekehrt das Wasser nicht gesalzen wird, dann versucht das Wasser der Suppe in das Innere der Zellen des Fleisches einzudringen. Dies führt zu einem saftigen Stück Rindfleisch, aber die Suppe ist geschmacklos und fad. Also wäre es optimal, das Rindfleisch in einer Rindsuppe zu kochen. Dies kommt aber ziemlich teuer. Also kocht man zuerst eine Kalbsknochensuppe. Diese Knochensuppe ist billig und sie besitzt ungefähr die gleiche Konzentration an Salz, wie im Inneren der Zellen des Rindfleisches. Eine Suppe darf nicht gekocht werden. Wenn das Fleisch eine Temperatur von mehr als 70°C besitzt, ziehen sich die Kollagenfasern zusammen und der Fleischsaft wird aus dem Fleisch herausgepreßt. Es wäre ewig schade darum. Ein zweites Argument sind die Gasbläschen, die beim Kochen (Dampf entsteht bei rund 100°C) entstehen. Diese Gasbläschen lösen kleine Flankerl aus dem Rindfleisch heraus, wenn sie mit dem Fleisch in Berührung kommen. Dadurch wird die Suppe trüb. Also nur ziehen lassen. Einige gewaschene zerhackte Kalbsknochen in 2 l Wasser aufkochen. Wurzelwerk klein schneiden, eine Zwiebel mit Schale leicht angebrannt, 2 kleine Tomaten, eine Zehe Knoblauch in das kochende Wasser hinzugeben. Ungefähr eine halbe Stunde leicht köcheln lassen. Das führt dazu, daß sich sich Salze und Geschmacksstoffe aus den Ingredienzien herauslösen. Dann fügt man das gewaschene Rindfleisch (ungefähr 60 dag, Beinfleisch oder Tafelspitz) hinzu. Gewürzt wird mit einem Lorbeerblatt, etwas geschabter Muskatnuß, ein paar Pfefferkörner, zerstoßenem Wacholder, etwas Bohnenkraut und Liebstöckel. Das Ganze auf der geringsten Stufe 1 1/2 h kochen. Ein Deckel sollte vermieden werden. Der Schaum und das Fett, das sich auf der Oberfläche bildet, sollte abgeschöpft werden.

29. Sep 2020, 19:19·Gefällt mir3

Gut, "zähe" wäre jetzt zuviel gesagt. War halt leider nicht so zart, wie ich mir das gerade im Sacher erwartet hätte.

28. Sep 2020, 14:10·Gefällt mir

Also gerade im ehrwürdigen Sacher sollte man keinen zähen Tafelspitz bekommen.

28. Sep 2020, 13:52·Gefällt mir

Stimmt schon, andererseits: Stadtwirt und Plachutta (obwohl ich das Lokal wegen des Fließbandservices nicht so gerne mag) schaffen es auch. Ich hab erst gestern eine sensationelle Tafelspitzsuppe gemacht, natürlich kommt der Tafelspitz erst ins kochende Wasser, dafür aber Mark- und Fleischknochen schon vorher, dann hat man auch reichlich Geschmack in der Suppe. Lässt man den Tafelspitz dann noch lange genug köcheln, sollte es auch mit der Konsistenz passen.

28. Sep 2020, 12:59·Gefällt mir
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