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Fr, 26. April 2024

Zum Renner, Wien - Bewertung

WrKFan
Experte
am 19. August 2022
SpeisenAmbienteService
Vorbemerkung: Durchschnittliche Lesedauer des Berichts ca. 10-12 min. Wem das zu lange erscheint, der springe zu meiner abschließenden Empfehlung (ginge es nach mir könnte ich ein ganzes Buch schreiben 😊).


Zum Renner – warum er mein Nr.1 Gasthaus ist

Mit dieser kulinarischen Rezension gehe ich in medias res als WrKFan. Als Fan der Wiener Küche habe ich den Gasthof Renner nicht zufällig gewählt, ist er derzeit mein Lieblingsgasthaus in Wien. Ob sich daran so schnell was ändern wird? Ich vermute nicht, denn ein Zuwachs in dieser Kategorie ist heute nicht mehr zu erwarten.

Das zeichnet aber damit diejenigen aus, die sich über Generationen halten können und auch Krisen wie C... (räusper, ich hasse das Wort schon) problemlos wegstecken. Hier meine ich sogar einen anderen Trend zu erkennen, und zwar hat der Renner mittlerweile keinen Ruhetag mehr wie früher, was Besuche erleichtert. Beibehalten wurde der durchgehende Küchenbetrieb.

Läge er näher bei meinem Wohnort wäre er mein Stammwirt, aber bedingt durch eine längere Anreise werden wir wohl doch nie ein intimeres Paar werden, geliebt bleibt er aber. Ich kehre gerne dort z.B. öfter nach einer Kahlenberg-Tour ein. Auf das freue ich mich jedes Mal wie ein kleines Kind auf seinen Lolly.

Zu sagen er ist mein Favorit wird nicht reichen. Es gibt persönliche wie lokalspezifische Gründe, was für mich aber nur schwer zu unterscheiden ist bzw. habe ich gar nicht vor bloß objektiv zu bleiben, ich bringe bewusst die subjektive Note mit ein. Geht’s denn anders, wenn es um Geschmack und Vorlieben geht?


Die Einrichtung

Ich mag die beiden Stuben im vorderen Takt, die ein Hofdurchgang räumlich trennt. Zur Linken die Schankstube und zur Rechten eine weitere mit einem Kachelofen im Blickfang, beide Räume im Stil einer Jagdstube. Die Tischflächen weisen verzierte Einlegearbeiten. (lt. Dr. Google sog. „Intarsien“) auf. Man frage mich nicht wie man dies herstellt. Aber schön sind’s und ein Kunstwerk obendrein.

Im hinteren Trakt gibt es eine weitere Stube, sie wurde von mir aber noch nicht für Besuchszwecke benutzt bzw. stand sie dafür nicht offen. Ich denke, der Raum ist für geschlossene Festlichkeiten vorgesehen.


Der Gastgarten

Nach Durchschreiten des Hofdurchganges mit der hiesigen Adresse Nussdorfer Platz 4 unweit der D-Wagen Station und netten Willkommensgrußes des Andechser-Rundbogens betritt man mein mit Vorliebe gewähltes Ziel, den Gastgarten, den der Renner bloß als Biergarten betitelt.

In dessen Mitte beherrscht seit vielen Jahren eine gealterte große Linde das Ortsbild. Beim ersten Blick in diesen lauschigen Hof entlockt mir das immer wieder ein wohltuendes „Aaah“. Leider hat der bislang so edle Schattenspender mittlerweile einen radikalen Kahlschnitt verpasst bekommen. Das ist jammerschade, aber auch wir Menschen altern und verlieren gleichermaßen an Glanz des Hauptes einstiger Schmuck.

Markenzeichen sind Tische und Bänke aus Vollholz in auffällig tiefgrün lackierter Farbe, wirkt fast schon kitschig, fügt sich aber harmonisch in das Gesamtbild. Lediglich beim Kopfsteinpflaster kommt mir hin und wieder ein „Naja“ über die Lippen, aber sitzt man erst einmal, nimmt man das nicht weiter wahr.

Abends verwandelt sich die Atmosphäre in einen romantischen Hof, zu dem einige Lichteffekte nachhelfen. Solches ist ganz meins. Ja, das sind so die Orte, wo ich immer wieder hin will um mit einer wertgeschätzten Person zu verweilen und gemeinsam den letzten Tropfen Roten wie Weißen genüsslich über die Zunge gleiten zu lassen. Alles andere sei aber hier nicht Gegenstand näherer Bewertung. 😊


Rindfleischküche, puristisch mit Niveau

Es wird eine hauseigene Fleischerei betrieben, aus der Tafelspitz, Schulterscherz‘l, Beinfleisch & Co gewonnen und verarbeitet werden und zuguterletzt im Kupfergeschirr den Gast erreichen. Von dem hat man den Eindruck, Mensch Maier, bitte wann wechseln‘s des mal aus, aber ein Blick in das Innenleben fegt diese Frage rasch wieder vom Tisch. Schon die Optik betört immer wieder. Soll noch einer sagen die Augen essen nicht mit!

Solches bildet regelmäßig den Grund meines Herkommens, wirkt auf mich puristisch auf hohem Qualitätslevel. Es ging noch nie was retour, außer ein ratzeputz leergelöffeltes Reindl. Die Suppe, die sehr naturbelassen entsteht, wofür Ochsen tagtäglich ihr Leben lassen müssen, braucht derart keine Kraftverstärker. Das sei von mir gesagt einer der großen Unterschiede zu den meisten anderen Gasthäuern und macht Renners besondere Note aus.

So ist die angebotene Haussuppe um 5€ lediglich ein Abfallprodukt aus der täglichen Produktion, Nudeln dazu, größer geschnittene Karottenscheiben, tadellos im Biss und würfelig geschnittene Restl‘n aus der Rindfleischküche. Wäre doch nur jeder Abfall so perfekt. Ich habe sie schon oft als Hauptspeise gegessen, wenn der Hunger nicht groß genug war. Herzerl, was willst du mehr.

Mit Sicherheit schafft die gehobene Küche noch mehr Power als Kraftbrühe einer edlen Tafelspitzbouillon, keine Frage, aber wir reden von einem Gasthaus auf bodenständigem Level. Hier liegt die Power in seinem kräftigeren Fettgehalt aufgrund der Durchmischung von viel Fleisch und Knochen und der Umami-Effekt ist grandios. Fettaugerl, do schau her - In der Hinsicht von mir eine klare 5.

Zu den Rinder-Töpfen. Man kann sich auf einzelne Gustostückerl einschießen, oder nimmt, wie ich es meist pflege, den Braumeistertopf, der mehrere Fleischsorten beherbergt. Kostet etwas mehr, ist aber auch mehr drin und zahlt sich daher aus. Der Renner darf sie zu Recht Gustostückerl nennen, für mich sind sie das.

Die klassischen Begleiter Apfelkren, Schnittlauchsauce, Rösterdäpfel, Cremespinat sind völlig ok, der Röster meist etwas speckiger als anderswo, aber herzerfrischend g’schmackig. Lediglich am Cremespinat meckere ich fallweise herum, wenn er mir etwas zu mehllastig erscheint, vielleicht bilde ich mir das aber auch nur ein, ist also durchaus subjektiv.


Begleiterscheinungen angenehmer Art

Zumeist brauche ich eine Extraportion Kren, da mir der Apfelkren viel zu milde angerichtet wird, aber das gilt nicht nur für hier. Ich verstehe schon, man muss auch auf die anderen Gäste achten. Ich brauche den aber pfiffig und er darf mir ruhig auch mal von der Nase kurz ins vordere Großhirn stoßen um meine Sinne kurz zu benebeln und derart wieder zu reinigen. So wird er gleich von Haus aus zusätzlich geordert und kommt oft in einem netten Glaserl mit Deckel. Frisch gerieben muss er sein, was selbstredend ist.

Sprechen wir kurz das liebe Geldbörserl an, dann kostet der der Topf samt Beilagen ca. 30€ und reicht in der Regel für 2 Personen, wenn nicht gerade 2 Bodybuilder der Bärenhunger zur Proteinauffrischung hertreibt. Und sollte dem der Fall sein, empfehle ich zusätzlich einen Leberknödel als Suppeneinlage, der in sage und schreibe Tennisballgröße (!) angeliefert wird.

Das könnte also sogar eine 4-er Rudermannschaft sättigen. 😊, Wir hatten den in der Tat auch schon zu dritt aufgeteilt und alle waren zufrieden. Die Größe passt dabei zum Prädikat sehr gut für seine passable Lebernote und Festigkeit. Diese Dinger kannst so auch nur händisch machen.

Vergleichst du das mit der Konkurrenz, die den Titel Rindfleischpapst trägt, kriegst du hier das Gesamtpakt zum Halbpreis, wobei schon jeder auch seine Vorzüge hat, das will ich gar nicht bestreiten. Hier seien aber die für den Renner hervorgehoben, was mir erlaubt sei.


Weitere Wiener und andere G’schicht‘n

Beim Renner empfehle ich auch unser kulinarisches Wahrzeichen, das allseits bekannte Schnitzel, als authentisch und makellos. Man kann Kalb oder Schwein wählen. Hin und wieder hatte ich ausländische Gäste und diese führte ich gerne hierher, weil für meine Begriffe hierorts unser hochgeschätzer Wiener Bröselteppich einfach besser ist als in den dafür von der Tourismusbranche gehypten Innenstadtlocations. Man darf aber auch anderer Meinung sein. 😊

Renners hauseigenes Fleisch, eine anständige Soufflierung, auf die ich großen Wert lege, solches passt hier samt Erdäpfelsalat nach Omas ehrwürdiger Rezeptur. Auch hier ging bislang nur leeres Geschirr retour, der Rest durfte in mir sein gottgewolltes Werk vollbringen.

Lediglich der Preis für das Schnitzel liegt etwas höher, zumal keine Beilage inkludiert ist, ansonsten sind alle anderen Preise völlig moderat und der Qualität angepasst, eigentlich sogar günstig meine ich.

Liebhaber von Innereien kommen auch auf ihre Rechnung. Diese Meinung habe ich von anderen übernommen, ich selbst bin nicht der große Tiger dieser Fraktion, sieht man von Ausnahmen ab. Man muss dazu die aktuelle Tageskarte einsehen, die auch das jeweils saisonale Angebot enthält.

Das klassische Menü gibt es nicht, aber von Mo – Fr einen Mittagsteller, mit dem die Wiener Tradition diverser Hausmannsgerichte gut gepflegt wird, was die Standard-Karte für gewöhnlich nicht enthält. Ich bin mir nicht sicher, aber den erhält man solange der Vorrat reicht ganztägig (das werde ich noch genauer checken).

An Nebentischen beobachte ich regelmäßig das eine oder andere Steak, auch „dry aged“ bis hin zur Mörderportion eines T-Bones (steht hier das „T“ für Tonne?). Wie Menschen das tatsächlich aufessen können bleibt mir ein Rätsel, aber sie stellen das hier unter Beweis.

Ich habe für Steak & Co meine eigenen Vorzugslokale, aber wer solches mag, erhält auch hier eine repräsentative Auswahl. Der Preislevel liegt vergleichbar auf dem Niveau anderer darauf spezialisierter Lokale.

Oh mein Gott, ich könnte fortsetzen mit regionalen Weinen, die ich gar nicht angesprochen habe, für die Bierliga das Andechser, für Naschkatzen mehrere edle Süßspeisen, darunter Omas Malakofftorte, ein Butterziegelbomber ersten Ranges, Riesenportion, aber sooo guat, oder den hausgemachten Nussschnaps, der zu Verdauungszwecken nach so mancher Rindfleischorgie schon obligatorisch fürs Überleben notwendig ist. Man sollte den auf Rezept erhalten.

Ich wäre also noch lange nicht am Ende, muss aber eines anstreben. Aus dem Grund empfehle ich herzukommen und es selbst herauszufinden. Meinen Segen hat der Renner jedenfalls, wie könnte er sonst mein Lieblings-Gasthaus sein? Der Renner ist ein Renner, oder nomen est omen könnte der Lateiner sagen.


Ein paar Takte zum Service

Die Damen und Herrn tragen eine ländlich traditionelle Lederkracherne, und in dem Look verfügen sie auch über den sog. „Fleck“, sprich diese dürfen das Inkasso vornehmen. Hier gilt nach wie vor „Bares ist Wahres“, was ich öfter schon vergessen habe. Zum Glück ist nicht weit weg vom Lokal ein Bankomat. Das übrige Servicepersonal trägt passable Normalkluft und hilft mit an der Abarbeitung allfälliger weiterer Leistungen.

Hin und wieder erlebe ich die eine oder andere mangelnde Aufmerksamkeit und man wird für längere Zeit alleine gelassen. Ist der Weg von der Küche in den Hof doch um einiges weiter als anderswo, oder braucht das gestresste Personal seine wohlverdienten Rauchpauserl‘n für an Tschick?

Ich stehe davon ab etwas zu unterstellen, habe für vieles auch Verständnis, aber das sei meine subjektive Erfahrung. Solches zu sagen tue ich auch ungern, mag ich doch das Lokal wirklich sehr, aber nach vielen Besuchen möchte ich das von meiner Seite nicht ganz verleugnen.

Generell rückläufig ist der von mir immer noch geschätzte Wiener Schmäh für solche bodenständige und heimische Lokale, aber darüber berichte ich mehr bei anderen Wirtshäusern, bei denen der noch auf ihrer Karte steht. 😊

Hier vergebe ich schweren Herzens der Objektivität geschuldet nur eine mittlere Wertung. Ich mache meine Besuche grundsätzlich aber nicht vom Service abhängig, dazu müsste ich schon eine kräftigere Ohrfeige verpasst bekommen oder per Fußtritt hinausbefördert werden, um es bildhaft auszudrücken.


Abschließende Empfehlung

Was ich am Renner seit Anbeginn schätze ist seine Vielseitigkeit. Schönes Ambiente, ein toller Garten und mehrere Küchenrichtungen erlauben auch bei unterschiedlichen Interessenslagen gemeinsame Besuche, bei denen jeder zufriedengestellt werden kann. Auf diese Weise habe ich schon erfolgreich manche Runde hier organisiert.

Ein wenig Kritik am Servicepersonal wurde erwähnt und das kann man m.E. nicht auf die gegenwärtige Personalnot zurückführen. Hat der Renner sonstige Schwächen? Ja, hat er, aber ich werde sie zugunsten seiner überwiegenden Stärken nicht groß herausposaunen. Wer gibt freiwillig liebgewordene Subjektivität auf. 😊

Ich könnte eventuell herummotzen, dass mir der Kaffee zu schwach ausfällt oder der erwähnte Schnitzelpreis zu hoch ist, aber das war’s auch schon. Solches steckt die Rindfleischküche in hoher Qualität samt ihrer puristischen Note mit ihrem erwähnten First-Class Preis/Leistungsverhältnis mühelos weg.

Positiv bewertet haben bislang alle meine Begleiter die ansprechenden Stuben und selbstredend den urigen Innenhof, so wie ich, der in angenehm lauwarmer Abendstimmung sein Flair noch mehr entfaltet, weshalb ich für das Ambiente ein summa cum laude ausspreche.

Die Speisen werte ich, und jetzt schalte ich von subjektiv kurz auf objektiv um, als ein sauberes Sehr Gut und so lege ich euch zum Abschluss meinen Renner wärmstens ans Herz, wenn’s die kultiviert gepflegte Wiener Küche an einem schönen Orte sein soll.


Meine Verehrung und mit den besten Empfehlungen
Der WrKFan
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8 Kommentare

Schließe mich M12 an - hoffe es packt Dich wieder d. Lust Dich hier mit tollen Berichten mitzuteilen.

25. Aug 2022, 21:23·Gefällt mir1

@Meidlinger12: Sehr gut:-)

25. Aug 2022, 14:09·Gefällt mir1

Hat bei mir auch gedauert und jetzt gehts wieder. :-)

24. Aug 2022, 16:01·Gefällt mir3

@Meidlinger12: In den letzten beiden Jahren hat mich die Lust verlassen... wird schon wieder werden :-)

24. Aug 2022, 15:58·Gefällt mir1

Vielleicht dürfen wir von dir auch wieder mal einen tollen Bericht lesen? :-)

24. Aug 2022, 15:32·Gefällt mir2

Hab mich über die lange Bewertung"drübergetraut".. Danke. Schön, wieder neue und interessante Mitglieder hier begrüßen zu können.

24. Aug 2022, 13:18·Gefällt mir2

War sie auch nicht zu lang? Ich hab da hin und herüberlegt und danach eine Vorbemerkung geschrieben. Nicht alle wollen "Romane". :-)

19. Aug 2022, 16:01·Gefällt mir

Bravo, schön zu lesen.

19. Aug 2022, 15:35·Gefällt mir1
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