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Fr, 26. April 2024

Gasthaus Quell, Wien - Bewertung

WrKFan
Experte
am 6. September 2022|Update 10. Sep 2022
SpeisenAmbienteService
Tradition kann man nicht erfinden

Jemand sagte mal, gäb's es den Quell nicht schon längst, er möcht' ihn glatt erfinden. Nur funktioniert das in der Realität so nicht, sich quasi ein Unternehmenskonzept am Computer-Reißbrett‘l zu schnitzen und mit der Idee ein Erfolgs-Wirtshaus aus dem Boden zu stampfen, sodass man sich später ein Leben ohne dem nicht mehr vorstellen will. Er möge damit Recht haben.

Diese Art Wirtshaus braucht einfach seine Jahre, muss sich in gut geführter Hand wissen und seine Tradition an die nächsten Generationen weitergeben können. Dazu gehört eine gehörige Portion Patina am Fußboden und auf den getäfelten Wänden, was so unverzichtbar ist wie Omamas Wiener Hausmannskost, die auf ähnliche Weise tradiert werden muss.

Dann kann es zu dem werden, was der Quell geworden ist und man züchtet sich seine Stammgäste heran, die es auch mitprägen. Aus der HP ersichtlich zählte sich dazu z.B. der jüngst verstorbene Ostbahn Kurti, der hier hierorts auch eine Live-CD mit dem Titel „Ein Abend im Gasthaus Quell“ produziert hat ( wen’s interessiert dazu ein YT link einer Live-Session aus der Gaststube: Link ).

Wir zwei, also der Quell jetzt und ich, kennen uns noch nicht so intensiv, aber ich tendiere allmählich dazu dieses Manko zu beheben. Für mich als Freiluft-Fan schätze ich auch die kleinen aus jeweils 4 Tischen bestehenden Schanigärten in beiden Gassen des typischen Ecklokals. Im Innern besteht er aus drei Stüben, die ihresgleichen suchen, wie eingangs beschrieben (siehe Bilder).

Unmittelbar daneben die mächtige Kirche der Pfarre Reindorf, die zu Mittag für ihre Schäfchen lautstark bimmelt, dass es dir in den Ohren gellt und mir dabei fast die Gabel aus der Hand fällt. Man fühlt sich dann bei Bier und Schnitzel wie am Land im Dorfwirtshaus und das inmitten von Fünfhaus.

No ois sche und guat, könnte der Ostbahn Kurti auch als Lied singen, aber wos hot der Quell esstechnisch so drauf, wird der p.t. Leser sicher wissen wollen. Dazu diene mein nächster Abschnitt


Wie isst’s sich’s bei der Quelle?

Die Speiskarte gliedert sich in zwei grobe Bereiche, wovon der eine Teil das klassische Repertoire an gängigen Gerichten der Wr. Küche und der andere althergebrachte hausmännische Kost beinhaltet. Diese wird wie üblich auch mit saisonalen Angeboten ergänzt. Aus dem Grund verzichtet man auf das tägliche Menü, hat aber eine wechselnde Wochenkarte.

So stehen z.B. Reisfleisch, Krautfleisch, Linsen mit Knödel, Leber Natur bzw. gebacken und derlei Schmankerl quasi als Fixpunkt auf der Karte, wie sie in anderen Gasthäusern immer mehr von der Bildfläche verschwinden, weil man immer mehr auch zum Ethno-Haberer erzogen, wird, aber das sei wieder eine andere G’schicht.

Hier hat man sich zu einem Bekenntnis durchgerungen, dass von der traditionsbewussten Wiener Küche dieses vorhanden sein muss und jenes nicht fehlen darf. Und darum meinte ich zuvor, oiso mir zwa miass‘n no a weng’l mehr miteinander reden. 😉


Ein paar allgemeine Genusserfahrungen

Mein erstes Gulasch-Erlebnis war mehr ein Reinfall (zu dünn ohne viel Geschmack), aber ich war damals, was jetzt schon mehrere Jahre zurückliegt, am allerersten Tag nach der Weihnachtspause an Ort und Stelle und so wurde mir gesagt, dass es erst wieder neu angesetzt werden musste. Klingt logisch, oder Ausrede?

Mein letztes Erlebnis war aber ähnlich, es war vor kurzem an einem Montag, und der Kellner gebrauchte witzigerweise denselben Spruch. Aber ich denke, es wurden die Zwiebel zu wenig angeröstet. Die Würzung war in Ordnung, das Fleisch sogar perfekt nur halt die Sauce, auf die lege ich aber Wert (kann man am Foto an sich nicht sehen, was nur der Gaumen diesbezüglich sehen kann).

Der Kellner war aber zu kurz angebunden, weil viel los war im Mittagsgeschäft, aber wir sind übereingekommen, darüber werden wir uns noch austauschen. Es kursiert nämlich der Spruch, hierorts gäb’s das beste Gulasch in ganz Wien, was aber für mich erst noch zu beweisen wäre. Quell, aufgepasst, do red ma no d‘rüber.

Ein weiterer Fixpunkt für meine Art Suderei Wiener Prägung bildet die Rindsuppe. Die ist hier brav, ich gehe mal davon aus, da wird ein wenig mit künstlicher Verbesserung nachgeholfen, was ich in Standard-Gasthäusern nicht weiter kritisiere, solange die Basis passt, und die finde ich brauchbar, ist also gut.

Beim Reisfleisch versuche ich zwar immer wieder auch noch das sprichwörtliche Haar in der Suppe zu finden, habe es aber noch nicht ausgemacht. Da wird gute Hausmannsart vorgezeigt, zwar schlicht und einfach, auch in der Präsentation, das Fleisch aber saftig und die Paprikanote schmackhaft im Lieferumfang integriert, es schönes sehr gut.

Linsen mit Speck, man darf das wörtlich nehmen, also nicht Specklinsen, indem Speck in die sämige Sauce klein geschnitten mitverarbeitet wird, sondern angebratene Speckstreifen beigelegt. Das führt dazu, dass der Vegetarier auch auf seine Rechnung käme und die Natürlichkeit der Linsen besser zum Tragen kommt. Und so wandert's dann z.B. von des Töchterleins Teller in den meinigen.

Ja schmeckt aber gut, wichtig ist, dass es nie zu pampig wird, und ein wenig Säurerest noch spürbar ist, aber ich brauche halt auch den Umami-Kick, den ich mir dann mit der Vermischung aus Linsen und Speck hole und das funktioniert so auch. Sprich es ist so meine persönliche Vorliebe, also objektiv gut bis sehr gut, subjektiv bleibt es beim gut.



Reisebegleiter

Die Knödel sind bislang immer gut gewesen, egal was sie begleitet haben, frisch, angenehm weich zum Zerteilen, dennoch mit nötiger Bissfestigkeit, zum Saugen wie sich’s gehört sehr gut, im Geschmack könnten sie etwas mehr noch an Würzung vertragen, womit ich nicht Salz meine.

Auch für den Salat gelte diese Aussage. Meist war es bei mir ein Gemischter, sehr natürlich ohne viel Schnörksel, wie es diese Art GH kennzeichnet, aber frisch und herzhaft jede dazu passende HS gut zu begleiten. Rundum also gut.


Meine übliche Suderei & Lobhudelei

Insgesamt bin ich mit dem Quell noch nicht so auf Tuchfühlung gegangen wie mit anderen Wirtshäusern, gedenke aber diese meine Bildungslücke zu schließen. Was ich bislang kenne und weiß, ist er das wert. Das nostalgische Ambiente ist jedenfalls anziehend und spricht mich sehr gut an. Selbst der Gang aufs WC wird so zum Erlebnis von anno dazumal.

Die kulinarischen Erfahrungen sind bislang gut gewesen, meine Suderei mit dem Gulasch oder auch bzgl. des Kaffees kann auch eine Macke von mir sein, aber darüber red ma jo no, und dann wenn’s geht durchaus auch Tachiles. So meine ich die Speisen rundum als gut zu bewerten. Wie es sich ergibt liefere ich gerne noch Auffrischungen weiterer Erfahrungen nach, im modernen Vergewaltigungs-Deutsch auch „Apdejt“ (update) genannt.

Der Preislevel ist echt am Boden jeder Leistbarkeit geblieben, das verdient von mir ehrliches Lob, und wer das anders sieht, dem kann man dann nur Döner-Stand‘ln und Billigst-Fritter-Buden empfehlen. Es gibt hier nichts (soweit ich mich erinnere) was die 20€ Hürde überschritten hatte und dabei sind die Portionen anständig und sättigend.

Mein Letztbesuch belief sich unter 30€, was ich ansonsten üblicherweise nicht schaffe, und bestand aus einem Seidl Bier, HS plus Extra-Beilage, Mokka groß und mein übliches Schnapserl um insgesamt 26,90€ was ich auf 30€ dankenswerterweise aufgerundet habe.

Die Kellner kenne ich noch nicht gut genug wie anderswo, zumeist waren sie noch recht jung, aber wie ich das anhand meiner Fotosammlung einsehen kann, wechseln sie auch. Der letzte gab mit zur Auskunft, er wäre nun 3 1/2 Jahre hier und er sang mir dabei auch die derzeit populär gewordene Arie des sterbenden Gewerbes vor. Ich kann ihn verstehen, bloß nicht helfen, es sei denn mit meinen Besuchen.


Der Versuch es in einem Satz zu formulieren:

Das Gasthaus Quell kann mit Ausnahme seiner bewundernswerten Nostalgie nicht mit der Marke Sonderklasse punkten, dazu sind wir Gourmet-Fritzis sicher auch schon zu verwöhnt, aber für eine anständige Küche auf Basis ehrlicher und auch schon rar gewordener Hausmannkost zu fairen Preisen bin ich immer zu haben, und dazu werde ich es künftig noch mehr ins Herz schließen.
Gasthaus Quell - Fleischlaberl, waren recht gut, das Püree etwas zu glatt ... - Gasthaus Quell - WienGasthaus Quell - Nougatknödel - gaaanz köstlich! - Gasthaus Quell - WienGasthaus Quell - Eine klassische Wirtshaus-Rindsuppe - passt soweit - Gasthaus Quell - Wien
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4 Kommentare

Sehr schöne Bewertung, es freut, so etwas zu lesen. Habe d'Ehre, und wieder hat es ein Lokal qua dieser Bewertung auf meine To-Do geschafft. Sie wird immer länger, langsam wird's eng, ob ich das alles abarbeiten werde können. Ein paar Punkte: Zwiebel rösten beim Gulasch ist zeitaufwändig, das geht nicht in 5 Minuten. Die Zeit zu geben fällt schwer, - ich bin auch ein eher ungeduldiger Zeitgenosse - aber es ist eben ein "sine qua non". Die Ausrede, es muss "angesetzt" werden, lasse ich so nicht gelten, dann halt für Freitag oder Samstag planen. Ich hab vor kurzem ein Gulasch gekocht - dunkelrot bis schwarz (wie meine Seele), ja, das braucht schon drei Tage. Ad Reisfleisch: nun, bei einem klassischen Reisfleisch (ohne moderne "bells and whistles" kann man m.E. ja nun wirklich nicht viel falsch machen. Ad Linsen: ich verarbeite Speck mit den Linsen (gut, dann sind Vegetarier halt raus) und gebe zusätzlich beim Servieren gerösteten Selchspeck drüber. Zugegeben, erhöht (ein wenig ;-) die Kalorienzahl, schmeckt aber fantastisch. À bientôt, ich harre der nächsten Bewertung mit Ungeduld. Weil: macht Spaß, so etwas zu lesen (falls ich das nicht schon erwähnt hätte ...)

8. Sep 2022, 13:43·Gefällt mir2

Mein Güte, der Quell Poidl (Gott hab ihn selig) warad glücklich, wenn er sein Erbe so gepflegt wüsste....ein tolles Lokal. Die "saisonalen Spezialitäten" auf der Wochenkarte sind übrigens seit Jahrzehnten unverändert; und des passt auch so!

6. Sep 2022, 14:36·Gefällt mir1

Meine Quellbesuche liegen auch schon mind. 10 Jahre zurück. Ich habe das auch noch in Erinnerung, dass es das beste Gulasch Wiens dort gäbe. Es war auf alle Fälle besser als dein Beschriebenes, aber das Beste Wiens? Eines der besten Gulasch, hab ich seinerzeit im Göttweiger Stiftskeller in der Spiegelgasse gegessen, wer den noch kannte. Das war noch ein "echtes" Beisl.

6. Sep 2022, 12:04·Gefällt mir

Meine 3 Besuche, die jetzt auch schon ein wenig zurückliegen, decken sich ziemlich genau mit Deiner Bewertung.

6. Sep 2022, 08:49·Gefällt mir1
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