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Sa, 27. Juli 2024

Cafe-Restaurant Hummel, Wien - Bewertung

am 18. November 2022|Update 30. Mär 2023
SpeisenAmbienteService
Hummel – mein Cafe in der Josefstadt

Das Cafe Hummel kann man nunmehr im 21. Jh. unterwegs zu einer herangewachsenen Institution Wiens hinzurechnen. Es verpflichtet sich der Tradition eines Kaffeehaus mit eigenem Flair, obwohl es nicht in der Innenstadt liegt, vielleicht gerade deshalb, als es dadurch sein eigenes Klientel an Gästen herangebildet hat.

Man geht ins Hummel, das ist mehr als nur ein geflügeltes Wort für seine dort anwesenden Stammgäste. Davon kenne ich solche, die es stolz verkünden. Ich begnüge mich damit es zu mögen.

Die Einrichtung ist seit 2012 im heutigen Stil umgestaltet worden und mir fällt von Saison zu Saison immer wieder auf, dass die Bilder an den Wänden regelmäßig gewechselt werden. So wirkt der Look saisonal immer etwas anders. Für meinen Geschmack ist das Cafe schon etwas zu modern, aber akzeptabel.

Davor gibt es einen geräumigen Schanigarten, für die Stadtlage inmitten der Josefstadt eine Rarität, nebenan streiten sich drei Wiener Bims um einen Stationsaufenthalt.

Man stolpert so förmlich fast ins Lokal oder tut etwas für die Beine und erreicht es ein paar Gehminuten von der U6-Station Josefstädterstraße. PKW-Anreisende unterliegen dem Gesetz für Glücksritter.

Beim Durchstöbern der HP, der dank Technik postmodern gewordenen Erwachsenbildung für Pseudakademiker und sonstige Verschwörungstheoretiker stößt man auf das Gründerdatum anno 1935. Ein bisserl dauert‘s also noch bis zum ehrwürdigen 100-er Jubiläum. So will ich’s dann auch glauben und hoff’s auch noch miterleben zu dürfen.

Zur gegenwärtig angespannten Krisensituation möchte ich euch ein Interview mit der jetzigen Hummel-Chefin in dritter Generation nicht vorenthalten, bei der sie aus der Sicht als Unternehmerin und Gastronomin dazu Stellung nimmt.

ORF Interview mit Fr. Chr. Humnmel: Link

O tempora o mores, aber wir können’s auch nicht ändern, ich gedenke meine Besuche deshalb nicht einzustellen, lediglich werde ich gewisse Dinge nicht mehr oder eingeschränkt konsumieren. Vorweg, viel wird‘s nicht sein, aber vielleicht das Frühstücks Etagere um 40€ muss ich mir wirklich überlegen. Das möge dann der Anlass entscheiden.

Insgesamt betrifft die Krise alle Betriebe, insofern ist das kein spezifisches Hummel-Desaster, sondern ganz Österreich leidet darunter. Dennoch befinden sich sämtliche Preise deutlich unter dem Niveau eines vergleichbaren Kaffees in der Innenstadt. Die Chefin bemüht sich, wie ich das empfinde, sehr darum ihr Publikum auch zu halten.

Eine der spürbaren Auswirkungen sind die Öffnungszeiten, vor Jahren bis 2 Uhr morgens geöffnet und die letzte Einkehr Bastion für Taxler und & Co wurde die Sperrstunde auf 24 Uhr verlegt und gegenwärtig stehen wir bei 23 Uhr.

Dafür hat man weiter auf einen Ruhetag verzichtet und behält auch die durchgehende Küche bei, was mich dann und wann weiter noch auf ein kleines Gulasch oder Debreziner zu später Stunde einkehren lässt. Das Gulasch ist nicht die Top-Spitze aber anständig, wie es sich gehört. Danach gibt’s nur mehr noch Würstelstände, aber das sei eine andere G‘schicht. 😊

Es ist und war bislang übrigens eines der raren Ausnahme-Cafes, bei dem ich auch die Küche durchaus empfehlen kann. Ich werde mich hier aber wie auch bei anderen Wertungen auf das konzentrieren, was für mich ein Kaffeehaus bedeutet und was auch die Mehrheit meiner Besuche ausmacht. Daher zuerst:


Ein paar Takte zum Kaffeeschmerz

Hier schmerzt mich der Wechsel, den es vor ca. zwei Jahren bei der Wahl der Röstung gegeben hat. Man hat sich der Symphonie der Bio-Fair-Trade Lobeshymne verschrieben, die heute jeder moderne Bürger trällert, der meint solches müsse wegen Umwelt & Soziales & Co zwingend so sein.

Ich kann den Unterschied leider auch schmecken. Meinl liefert weiter, aber nunmehr eine der Fair-Trade Sorten. Die sind hantiger, etwas saurer und deutlich weniger aromatisch. Aus meiner fröhlichen A-Dur Arie wurde eine schwermütige B-Moll Ballade.

D.h. der von mir so geliebte 100% Voll-Arabica-Genuss eines Espresso Doppio (4,80€), bei dem noch dazu die Barista nicht sparsam umgegangen sind, ist Geschichte und ich muss mich der mordernen Welt beugen. Stark genug ist er immer noch, aber ich habe damit meinen Top-Favoriten verloren. Ich habe die Wunde bis heute noch nicht überwunden.

Wäre das Cafe nicht hinsichtlich seines Flairs und variationsreichen Frühstücksangeboten und Goodies ebenso attraktiv, wäre es vermutlich schon zu einer Scheidung gekommen.

Ach, diese besch … Kompromisse. Einmal wo alles gepasst hat und dann das. Ist wie mit einem Eheweibe, das dir auf einmal deinen bevorzugten Sex verweigert, aber lass ma das, sonst wird’s zu intimi-tief. Lieber behalte ich meinen Humor. 😉


Ein paar richtige Goodies

Es gibt wie in allen renommierten Kaffeehäusern diverse Frühstück-Sets, die durchgängig sehr gut sind, aber hier finden sich einige Goodies, die es für meine Genussansprüche vor anderen Cafes auszeichnen und diese beschränken sich nicht auf die Frühstückszeit. Soweit stimmen mich diese ob der blamablen Kaffeeniederlage auch wieder versöhnlich. Dazu ein paar weitere Takte in C-Dur.

Ein Schnittlauchbrot (3,80€) kenne ich woanders nur selten mit einem so guten und täglich frischen Brot wie hier. Woanders ist es oft nicht wirklich tagesfrisch oder hat eine zu überbetont knusprige Rinde, was bei mir nicht so gut ankommt. Hier finde ich meine Kragenweite.

Dazu a nette G’schicht. Auf der Karte steht nicht dabei, dass es mit Butter ist. Als ich danach einmal gefragt hatte, kam die witzige Antwort. „Kloa, sunst fliagt jo ois davon, bis am Tisch is.“ Ach, die Schmäh der Ober. I’m loving it!

Ein Unikum ist weiters ein Sardellenbutterbrot (7,90€), genial, klar man muss das mögen, aber das salzig, leicht bittere kann was, was andere Dinge nicht haben. Es müssen nicht immer aufwendige Sachen sein, um glücklich zu machen. Dieses einfache Broterl schafft das bei mir.

Als Lachsfetischist komme ich auf meine Rechnung mit der Fa. Schenkel (Portion zu 9,60€). Für viele weniger wichtig, für mich durchaus. Woher er kommt, weiß ich nicht, aber man erkennt die nur geringfügigen Fetteinlagerungen. Das schmeckt man auch in seiner wesentlich intensiveren Note. Ihn übertrifft für mich nur der vom Zauner aus Bad Ischl (wen’s interessiert, er kann hier nachlesen: Link).

Klasse sind auch die Debreziner, die immer mehr von der Bildfläche verschwinden, vor allem die schärfere Sorte. Man kann sie mit der üblichen Senf- und Krenbeilage haben oder mit Gulaschsaft (9,50€). Ich mag deren Paprikanote und pikant würzigen Duft wie Geschmack sehr.


Kaffeehaustraditionen

Im hinteren Bereich nach dem Durchgang zum WC gibt es noch einen Extraraum, der ein wenig wie Klubatmosphäre vermittelt. Dort befindet sich ein TV-Monitor und man kann z.B. Fußballmatches schauen. Im Durchgang fristet ein noch größeres mobiles TV-Gerät sein Dasein, das man bei Bedarf in der Sommersaison im Freien aufstellt.

Im rechten Gastraum findet man abends nach wie vor Kartendippler oder hin und wieder auch Schachspieler. Falls ich wieder eine Tarock-Runde zusammenbringe, wird das klarerweise hier meine Adresse dafür werden. Die letzte sprengte leider die C-Krise, aber das ist halt so a G’schicht, wofür das Hummel im Gegensatz zum Kaffee wieder nichts kann.

Eine weitere für mich gute wie schlechte Nachricht muss ich noch bzgl. Service vermelden. Es gab hier einen Ober, den ich mehr als nur geschätzt habe, er war so etwas wie ein Wahrzeichen für dieses Cafe hier. Eines Tages war er auf einmal weg. Klarerweise wollte mir keiner vom übrigen Personal sagen, wie was warum.

Doch das wider Erwarten Gute war, ich habe ihn dann woanders in einem Gasthaus wiedergetroffen, wo er nunmehr amtiert und dort gehe ich in letzter Zeit auch wieder öfter hin. So hat ihn meine Welt wieder. 😊

Ich mag die anderen Ober aber auch sehr, es sind allesamt g’standene, g‘lernte Profis, die ihr Handwerk aus dem FF beherrschen und der eine oder andere, sowohl ältere wie jüngere Herr, ist auch begnadet mit dem guten Wiener Schmäh. Bravo!

Aufgefallen ist mir noch, dass die Vertreter der männlichen Spezies älteren Jahrgangs traditionell in schwarz gekleidet hier den Fleck tragen, was sie immer schon taten, während die weibliche Spezies, nunmehr auch in ganz schwarz auftreten, diese aber weiterhin „unbefleckt“ ihre Dienste verrichten. Insgesamt ist und war der Service immer konstant sehr gut hier, ist also krisensicher.


Welches Resümee ich für mich ziehen kann:

Trotz der einen oder anderen sowohl gesellschaftlich bedingten als auch manche für mich schmerzlich hingenommene lokalspezifische Veränderung haben sich das Cafe Hummel und ich weiter lieb und wir können schon miteinander. Es überwiegen Gott sei’s gedankt die genüsslichen Vorteile. 😊
Cafe Hummel - Beef Tartar kleine Postion (70g) - sehr solide, aber etwas zu ... - Cafe-Restaurant Hummel - WienCafe Hummel - Die Gartensaison startet :) - Cafe-Restaurant Hummel - WienCafe-Restaurant Hummel - Gute Kaffeekultur, leider nicht ganz meine Röstung - Cafe-Restaurant Hummel - Wien
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1 Kommentar
Meidlinger12

Das Sardellenbrot ist wirklich toll, das es sowas dort gibt. Das sind so Wiener Eigenheiten, die leider immer mehr von der Bildfläche verschwinden. Gerade mit solchen Dingen könnte man aus der Masse herausstechen. Wie bei Meissl und Schadn die Assietten, eine tolle Geschichte die es glaub ich nur dort gibt. Früher gab es glaub ich sogar Russen oder Rollmops im Kaffeehaus. Aber die Preise da schau ich aber echt. 9,90 für ein Paar Sacherwürstel mit Senf und Kren. Oida da legst di nieda.

18. Nov 2022, 17:41Gefällt mir
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