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Fr, 26. April 2024

Figlmüller - Wollzeile, Wien - Bewertung

FiletAT
am 30. Jänner 2017
SpeisenAmbienteService
Manchmal trifft sie einen aus heiterem Himmel ... die Lust auf ein ordentliches Schnitzel - die wienerische Fleischflade im fettingen Semmelbröselmantel. Bisher habe ich mich hier ja nur über die hohe Kunst des Steak-Konsums ausgelassen - dagegen ist ein Schnitzel wahrlich eine Banalität. Und über ein sonntägliches Spontan-Schnitzexperiment eine ernstgemeinte Restaurantkritik zu schreiben, erscheint geradezu paradox. Aber sei's drum - was kann schon schiefgehen!

Die Schnitzellust überkam uns also, und wie so oft standen wir der Frage gegenüber, wo man denn jetzt in Wien wirklich ein gutes Schnitzel bekommt. Es ist in unserer Hauptstadt ja leider nicht wie in Italien, wo man, zumindest südlich von Venedig, selbst in der grindigsten Garagenbumse eine ordentliche Pizza bekommt. Die Chance ist bedeutend höher, dass man hier am Ende einen Pappendeckel a la Schnitzelhaus auf seinem Teller vorfindet.

Leicht ist es nicht ... für ein gutes Schnitzel muss man als Bewohner Transdanubiens in verkehrstechnich eher mühsam zu erreichende Bezirke vordringen. Also kann man auch gleich bis in die Innenstadt reisen - und da bietet sich natürlich ein Besuch beim Figlmüller in der Wollzeile an. Besonders, wenn man, wie wir, dort noch nie gewesen ist.

Weil es spontan war, rufen wir an und fragen, ob noch ein Tisch zu haben wäre - nur um recht unfreundlich abgewimmelt zu werden, dass man keine Reservierungen für den selben Tag annehme. Man kann aber vorbeikommen, wenn was frei ist, schön - wenn nicht, hat man Pech gehabt. Friss oder stirb, quasi. Ich will nicht unfair sein: das Figlmüller ist nicht nur eine Institution, es ist vor allem auch eine touristische Institution - und hat damit ziemlich heftige Besucherfrequenzen zu bewältigen. Ich verstehe, dass man da nicht auch noch kurzfristige Reservierungen bearbeiten möchte - die Bude wird auch so voll. Aber man kann das freundlicher kommunizieren.

Gerade erst vor ein paar Tagen waren wir wieder im von mir hier schon mehrfach gelobten DStrikt und haben uns noch kurzfristiger angesagt - freundlich und zuvorkommen wurden alle Hebel in Bewegung gesetzt und nach ein paar Minuten hatten wir den Tisch. Ich denke kurz darüber nach, dass wir zwar im DStrikt das doppelte gezahlt haben wie beim Figlmüller - aber wie viel es wert ist, sich schon beim Anruf im Restaurant wertgeschätzt und willkommen zu fühlen. Man fährt schon mit einer ganz anderen Einstellung hin. Aber ich schweife wieder einmal ab.

Also angekommen im Schnitzelhaus, pardon, beim Figlmüller - eine überraschend kleine, enge Angelegenheit. Wir wollen brav beim Eingang auf einen Kellner zwecks Platzanfrage warten und fühlen uns so sehr im Weg, wie man nur im Weg stehen kann. Wir werden förmlich aber freundlich genug begrüßt, bekommen auch schnell einen Platz auf einem großen Tisch, wo man später noch jemanden dazusetzen möchte. Kein Problem für uns. So lernen wir später dann auch noch eine nette, deutsche Familie auf Kurzbesuch in Wien kennen.

Das Figlmüller erfüllt vom Ambiente her jedes Klischee - aber durchaus noch im positiven Sinne. Die Kellner allesamt ältere Herren im schwarzen Frack, die Gaststube urig mit hölzernen Sitzecken und zumindest der hintere Teil befindet sich in einem schönen Gewölbe. Dessen Wände zieren Zeitungsartikel aus dem gefühlten gesamten letzten Jahrtausend, inklusive dem Gesicht eines für meine Erinnerung jungen Rudi Carell. Man ist versucht, zum Ambiente "urig" zu sagen - rustikal trifft es vielleicht besser. Die klassische Wiener Gaststube war nie so mein Ding, ich fühle mich dort normal eher unwohl - hier finde ich das alles aber zurückhaltend genug, um sowohl authentisch als auch angenehm zu sein. Für Menschen mit Platzangst ist es vielleicht trotzdem der falsche Ort zum Schnitzelessen.

Auch sonst ist mein erster Eindruck positiv: Bier bekommt man hier keines, dafür Weine und köstlichen Traubensaft aus eigenem Anbau. Eine Institution braucht Prinzipien.

Für das Schnitzel sind wir gekommen, und so bestellen wir 2x das Figlmüller Schnitzel, einmal mit Petersilerdäpfel, einmal mit Reis. Dazu noch einen gemischten Salat und Preiselbeeren.

Mein Pizzavergleich von vorhin war nicht ganz zufällig: das Schnitzel kommt in der Tat rund, platt und riesig daher wie eine Pizza. Eine weitere Regel des Figlmüller ist, dass das Schnitzel größer sein muss, als das Teller - und so schneide ich aus meinem Semmelbröselschweinderl ein schönes Pizzadreieck heraus, um einen Ansatzpunkt zum Schneiden zu schaffen.

Schnell ist mir klar, dass sich am Figlmüller-Schnitzel die Geister scheiden: die Fraktion, die dicke Schnitzerl mag und sie für die einzig wahren hält, wird hier nicht glücklich werden. Der Figlmüller klopft tüchtig und lang. Ich mag das. Vor allem, wenn die Panier einen schönen, runden Geschmack hat. Die Gefahr bei einem dünnen Schnitzel ist, dass eine zu intensiv schmeckende Panier kaum noch was vom Fleischgeschmack übrig lässt - doch hier hat man eine wie ich finde gute Balance gefunden. Bröselig, knusprig, nussig und gar nicht fettig schmeckt sie, ohne zu übertreiben.

Das Fleisch ist ebenfalls hervorragend, nur am Rand gab es ein, zwei fettige Stellen, ansonsten ein wunderbar fleischiges Schweinderl.

Gleichzeitig bedeutet das aber, dass ich auch hier nicht den heiligen Schnitzelgral gefunden habe: überragend ist was anderes. Es ist "nur" ein richtig gutes Schnitzel. Einziger wirklicher Kritikpunkt: zumindest meines ist stellenweise etwas auf der trockenen Seite gelandet.

Bei den Beilagen kann ich die Petersilerdäpfel empfehlen - sehr solide. Der Reis ist eher bescheiden. Dafür war der gemischte Salat wiederum sehr gut.

Besonders angetan war ich vom Traubensaft: intensiver Geschmack, herrlich dickflüssig, angenehm süß. Ebenfalls empfehlenswert: die großzügige Portion Preiselbeeren, deren Beerengeschmack und Süße genau richtig ist, um den Schnitzelgeschmack zu ergänzen, aber nicht zu überdecken.

So bleibt also zu sagen, dass die Figlmüller-Frisbee-Schnitzel sicher keine Offenbarung sind, man aber auch wenig falsch machen kann, wenn man auf der Suche nach einem guten Schnitzel ist. Mein "Sehr gut" für die Speisen ist als großzügig zu verstehen, wer sein Schnitzel nicht so gerne plattgeklopft hat, möge das besser als "Gut" lesen.

Ob ich wieder komme? Wenn es mal passt mit Besuch oder Familie, die auf ein Schnitzel aus sind. Wir alleine aber eher nicht, da gibt es ja noch einige andere Schnitzelbuden auszuprobieren.
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11 Kommentare·Zeige alle Kommentare

Vor einigen Jahren waren wir auf Sardinien mit dem Leihwagen unterwegs. Dann eine größere Waldlichtung: Lauter frei laufende Schweine samt ihren Ferkeln! Wir sofort aus dem Wagen, fotografieren - sieht man ja nicht alle Tage. Die Horde bestand aus ca. 30 - 35 Tieren. Wow, aber so schnell waren wir sicher nie wieder in einem Auto drinnen. Die Muttersäue gingen in Kampfstellung! Aber echt! Das war das erste und bisher auch letzte Mal, dass wir Schweine in freier Wildbahn erleben durften.

2. Feb 2017, 22:28·Gefällt mir1

Danke, Bertl.

2. Feb 2017, 10:31·Gefällt mir

@adn1966: Seltene Rassen (Mangalitza) sind wohl ein guter Tipp. Wer die züchtet, wird sie meist auch artgerecht halten. Pata Negra Schinken stammt von einer besonderen Rasse aus halbwilder Haltung, allerdings wird er "mit Gold aufgewogen". Wie es bei anderen Klassikern bezüglich Tierhaltung aussieht (Serrano, Parma, San Daniele...) ist mir leider nicht bekannt.

2. Feb 2017, 05:20·Gefällt mir

Ich versuche Schweinefleisch, so gut es geht, zu vermeiden. Bei Schnitzel & Co. ist für mich Kalb/Rind auch geschmacklich die bessere Alternative, ganz abgesehen von der Haltungsthematik. Allein bei Speck/Schinken habe ich noch keine zufriedenstellende Alternative gefunden.

31. Jän 2017, 17:27·Gefällt mir

Ungequälte Schweine schmecken auch sehr viel besser. Der Faktor 5 mag zu hoch sein - 3 erscheint mir etwa richtig.

31. Jän 2017, 16:01·Gefällt mir

@cmling Ah, daher weht der Wind ... hat sich für mich angehört als wäre es geschmacklich nichts für dich. Das sehe ich natürlich genau so, 95 % der Schweine haben ja nicht nur ihren Stall nie von außen gesehen, sondern nichtmal ihren Standplatz oder eher Standkäfig. In Wien nicht nur ein gutes, sondern auch noch ein Bio-Schnitzel aus artgerechter Haltung zu bekommen, wird dann leider schon richtig schwierig. Was natürlich auch an Menschen wie mir liegt, die nicht konsequent genug sind, deshalb auch wirklich immer auf Schweinefleisch aus konventioneller Mast zu verzichten. Ich hatte sogar einen Absatz darüber in der Kritik, weil ich mich auch beim Figlmüller informieren wollte, woher das Fleisch kommt, und dabei von den Eigentümern ein nicht sehr erfreuliches Interview gelesen habe, in denen sie von der Unmöglichkeit sprechen, leistbare Bio-Schnitzel anzubieten, weil es mindestens 5mal so teuer wäre - was natürlich mindestens dreist 4mal übertriebener Unsinn ist. Privat kaufe ich mein Schweinefleisch auch von Bauern, wo die Schweine auch raus dürfen und im Stroh leben statt in Käfigen auf rauhem Beton - natürlich ist es nicht unwesentlich teurer (ca. doppelt so teuer eben), aber dafür gibts halt öfter nur Gemüse. Hab mich dann aber dagegen entschieden, um keine Grundsatzdiskussionen auszulösen und weil die Kritik auch so schon lang war, und es konsequenterweise eigentlich in jeder Kritik diskutiert werden müsste, woher jedes Restaurant sein Fleisch bekommt. Privat kann man mittlerweile ganz gut kontrollieren, was man isst ... geht man ins Restaurant ist es aber leider oft sehr schwierig. Nicht nur bei Schweinefleisch.

31. Jän 2017, 15:22·Gefällt mir3

95 % aller geschlachteten Schweine haben ihren "Stall" nie von außen gesehen.

31. Jän 2017, 10:37·Gefällt mir3

Für gut geklopfte Schweinsschnitzerl in feiner Panier kann ich das Nussgart´l im 20. empfehlen.

31. Jän 2017, 09:54·Gefällt mir1

Generell gebackene Schnitzel oder einfach nur Schweinsschnitzel? Wenn du ein gebackenes Kalbsschnitzel lieber hast, dann bin ich voll bei dir, und für mich wäre wiederum nur das ein "echtes" Wienerschnitzel ... aber wenn man darauf aus ist, wird die Auswahl an Restaurants noch (viel) knapper, und gelegentlich ist auch mal ein Schweinsschnitzel mal was nettes. Wie zu Beginn erwähnt, hab ich mich auch gefragt, ob man über ein Schnitzel, egal ob Schwein oder Kalb, echt eine Kritik schreiben kann ... aber ich habe es halt mal probiert :)

30. Jän 2017, 21:24·Gefällt mir

Mich interessieren Schweinsschnitzel nicht nicht, ich lese aber gerne, wie sehr sie Menschen bewegen können.

30. Jän 2017, 14:42·Gefällt mir
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