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Fr, 29. März 2024
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am 12. Mai 2023|Update 14. Mai 2023
SpeisenAmbienteService
Muttertag im Kaiser von Österreich

Das Lokal ist mir schon länger bekannt, da ich alljährlich mehrmals in Krems samt angrenzender Wachau verweile. Die Gelegenheit zum Besuch konnte ich erstaunlicherweise erst voriges Jahr wahrnehmen. Da ist mir sichtlich jahrelang etwas entgangen bzw. hatte ich es bislang nicht ernsthaft in Erwägung gezogen, mea culpa, wie sich nun herausstellt.

Der durchschlagende Erfolg und die Begeisterung schrie förmlich nach Wiederholung, so wurde beschlossen nochmals unsere Aufwartung für den heurigen Muttertag zu machen. Den feiere ich alljährlich zu Ehren meiner geliebten Mama, halte mich dabei aber nicht strikt an das kalendarische Datum.

Ohne Reservierung geht im Kaiser nix, nahm sie daher rechtzeitig vor und klappte wunderbar. Das Lokal ist klein, wird nur zu den Abendzeiten geführt, aber ab 8 Personen können auch individuelle Vereinbarungen getroffen werden, das sagt die HP.

Wiewohl ich erst das zweite Mal zugegen war, wurden wurden wir mit Handschütteln und per Namen von Fr. Haidinger in Empfang genommen als kennen wir uns schon ewig. Gleiches galt für die Verabschiedung. Solches ist sympathisch und erzeugt unmittelbar eine angenehme Atmosphäre.

Es handelt sich um einen bescheidenen, aber feinen Ehepaar-Betrieb der Haidingers, der Herr nicht sichtbar in der Küche seine Werke verrichtend, die Frau sichtbar und ganz alleine den Service in der Gaststube betreuend. Ich Wien kenne ich etwas Vergleichbares nicht, oder sagen wir nicht mehr.

Der familiäre Charakter springt wie ein Funke von Fr. Haidinger zu den Gästen über, ist also wirklich spürbar, wobei die kleine Gaststube ihresgleichen hinzufügt. Wohnzimmer pur mit Holztönen von der Fichte und geräumig viel Platz für jede Person. So wird es vom Wohn- auch zum Verwöhnzimmer.

Auf der Straße befindet sich ein Schanigarten, der relativ ruhig am Körnermarkt liegt. Den knöpfe ich mir bei Gelegenheit sicher noch vor. Insgesamt werden pro Abend nicht mehr als 6-8 Tische betreut.


Das Lokalkonzept

Wer ankommt, wird nicht überfallen, es läuft relaxed und stressfrei ab, dabei wird die Karte gereicht. Sie ist bescheiden, verfügt nur über eine kleine Auswahl. Die Preisgestaltung erfolgt als 3 bis 6 Gang Menü und bewegt sich gestaffelt im Bereich von 49,90€ -79,90€. Was man sich jeweils zusammenstellt obliegt dem Gast.

Wir wählten 3 Gänge, hatten am Ende aber nur einmal Dessert, das so verrechnet wurde, dass einmal auch nur für 2 Gänge (39,50€) verrechnet wurde. Das stand gar nicht auf der Karte, war aber möglich. Ein schöner Zug. Gedeck pro Nase mit 4,90€ kommt noch hinzu.

Hochpreisig empfinde ich das Menükonzept keinesfalls, gehoben ja, aber angesichts der gebotenen Qualität mehr als nur fair. Ich und meinesgleichen brennen sich üblicherweise mit anderen G‘schicht’n meistens noch ausreichend aus. Und klar, kluge Gastronomen wissen das eh. 😊

Die Weinkarte ist sensationell für Weißweinfans, im Verhältnis dazu fast minimalistisch für Rotweinliebhaber. Das ist der Gegend Wachau geschuldet, wo Veltliner und besonders Riesling zu Hause sind, die aber quasi aus jedem Kuhdorf gelistet werden.

Glasweise standen 7 Sorten weiß und 4 Sorten rot zur Auswahl. Die Preise für Bouteillen beginnen mit 24,50€ und das für viele des klassischen GV, für meine Begriffe auch das äußerst fair und moderat kalkuliert. Davon wurde einiges, diesmal glasweise angepasst an die Speisen auserkoren.

Vertreter der Bierfaktion werden auch bedient, werden also in der Wachau, weltweit bekannt als fantastische Weinregion, nicht einfach vergessen. Man vergebe mir nur, dass ich als Weingenießer dies für ReTe hier nicht evaluiert habe.


Auftakt gelebter Erlebnisgastronomie

Ich kenne Gaststätten, die werben mit „Erlebnisgastronomie“. Darauf wird hier verzichtet, denn diese erlebt man einfach. Nach der Getränke- bzw. Speisenbestellung erfolgt allmählich der Start mit Gedeck.

Drei selbstgebackene Brotsorten, Räucherspeck, ein wenig buntes Gemüse auf Holzspießchen, mehrere Aufstriche, ein wenig Butter. Es wird alles erklärt, das geht übrigens in der Art bis zum letzten Gang, aber Hand aufs Herz, merken kannst du dir eh nicht alles.

Man muss aufpassen nicht schon beim Start mit dem Gedeck sein Pulver zu verschießen, denn neben optisch ansprechend ist alles auch ausnehmend gut und herzhaft.

Die Zeit zur Vorspeise bzw. Suppe wird überbrückt mit einem auch nicht mehr so oft anzutreffenden „Gruß aus der Küche“, bei dem ich erstmals gerne auf die Knie gegangen wäre. Ich erinnere mich, dass ich das letztes Mal schon ähnlich so empfunden hatte.

Heute ein Stück vom Tafelspitz, fein geschnitten in noch lauwarmer Kürbiskernöl-Marinade. Feiner, zarter besser geht kaum, die Marinade, für meinen Gaumen sicher noch Geheimnisse beinhaltend, gab dir den Rest und ich konnte nur ein wohltuendes „Aaah“ rauslassen. Was für ein Auftakt!


Unsere Speisenfolge

Alles benötigt seine rechte Zeit, Fr. Haidinger kennt dabei keinen Stress kennt, sondern hat umsichtig jeden Tisch im Auge. Die Zeit bis zur ersten Vorspeise dauerte ein Weilchen, wurde aber kurzweilig empfunden, aber nun war es soweit.

Mama delektierte sich an 2 Stück Jakobsmuscheln, herrlich angegrillt, die ihre Aromen gehörig an die Nase abliefern, platziert auf Kokos-Ingwer-Risotto, himmlisch, es ist schwer den Genuss in Worte zu fassen, es bleibt nur „himmlisch.“ So geht Muttertag!

Als Fan guter Suppen gab’s für mich eine saisonale Spargelcremesuppe vom grünen Spargel, vollmundig, sehr cremig und perfekt gewürzt. Sehr, sehr gut. Etwas anders als gewohnt, aber das soll hier auch so sein.

Zum Hauptgang betrat ein rosa gebratener Maibock die Bühne, in schönen Scheiben tranchiert, wie so etwas gerne präsentiert wird, auf den Punkt gegart, dazu 2 perfekte Stangen grüner Spargel, Morchelnudeln und eine kräftige Jus, das war das Vergnügen meiner Begleitung.

Meines Zeichens Fischfan wählte die gebratene Lachsforelle, tadellos, Haut leicht kross, dazu Kohlrabi und Erbsen in geschmeidiger Sauce, regelrecht zum Abbussl’n, als Ergänzung zwei wunderbar fabrizierte kleine Erdäpfellaibchen, beidseitig schön angeröstet, eine Symphonie der Sinne.

Zum Nachtisch gab‘s noch Mousse von zwei Schokoladen vom Zotter, zart und feincremig, verfliegt im Mund zu einem Nichts, aber es bleibt der Schokogenuss. Wieder Klasse, nur muss ich zugeben, ich packte das gar nicht mehr, daher wurde das auf eine Portion reduziert. Mama ging es auch nicht anders, aber da wir uns Zeit ließen, packten wir jeder ein Nockerl schon.

Wir schreiben mittlerweile eine fortgeschrittene Abendstund, die Zeit ist dabei wie verfolgen, bei der wir auch auf gute Kaffeebegleitung und sonstige G‘schicht’n umgestiegen sind.


Eine kleine Hymne des Lobes

Ich erinnere mich nicht mehr an jedes Detail meines ersten Besuchs, aber soweit, dass es damals nicht anders war. Ich erlebe es selten, dass man außerhalb der mir anvertrauten Österreich oder Wiener Küche insgesamt alles so ohne Fehl und Tadel harmonisch aufeinander abstimmen kann, dass man regelrecht abhebt.

Technisch gesehen würde ich das als Exklusiv-Klasse individueller Beislküche im familiären Rahmen titulieren oder auf emotionaler Ebene gesprochen ist diese Küche samt Lokal & Co imstande in allen Facetten mein Herz zu erreichen.

Ich würde das Erlebte mit eigenen Worten auch so skizzieren: Die Küche kennt kein Schickimicki, sondern ist schlicht Natur pur mit einem hohen Grad an Vollendung. Es werden die einzelnen Komponenten hervorragend zueinander passend kreiert, sodass es die Sinne beflügelt. Das sucht seinesgleichen und basiert wohl auf Können samt Erfahrung.

Dazu trägt der angenehme familiäre Rahmen seinen Teil dazu bei, um zu diesem Erlebnis auch zu kommen. Oder anders ausgedrückt: Die Haidingers haben mich!


Ausklänge und noch gemütliches Verweilen

Nacht gutem Essen will mein Wenigkeit kräftigen Espresso und auch immer wieder das spirituelle Programm a wengl auf Herz und Nieren erforschen. Hinsichtlich Kaffee hat man sich wegen der Betriebsgröße auf Nespresso eingeschossen, das finde ich ok, zumal die durchaus anständige Sorten haben. Passt also.

Was die Auswahl an Edelbränden anbelangt, wurde diese Neigung möglicherweise schon an meiner Nase erkannt. Es wurde nicht des Langen und des Breiten eine Auflistung verfügbarer Brände vorgetragen, sondern Fr. Haidinger brachte kurzerhand ein paar Flaschen, stellte sie auf den Tisch und überließe mir die nähere Auswahl. Das war cool und erlebt man nur selten!

Ich habe das Sortiment nicht im Detail eruieren können, aber neben einem Weinkeller muss es noch ein respektables Lager an Edelbränden aus der Region geben. Die Marille vom Aigner ist dabei neu auf meine Liste gewandert.

Dasselbe Prozedere wie zuletzt erfolgte nun schon nach kurzer Anfrage nach dem Hauptgang. Fr. Haidinger hat sich das also entweder gemerkt oder praktiziert es grundsätzlich bei dafür interessierten Gästen. Wie auch immer, mir taugt’s und unterstreicht nochmals den sehr familiären Umgang.

Sie ging aber nach dem Abliefern auch wieder anderen Geschäften nach. Ich finde es toll, dass man mir das Vertrauen entgegenbringt, denn am Ende musste ich schon auch in Klartext ansagen, was und wieviel ich von den einzelnen Fläschchen jeweils konsumiert habe.

Anderseits ist das auch geschäftstüchtig, da man doch gerne das eine oder andere auch noch ausprobieren will, na wenn es schon so in Greifweite verlockend vor mir am Tische steht, wer könnte da widerstehen? Kluge Frau. 😉


Abschließende Worte

Der Muttertagsbesuch ging selbstredlich auf meine Rechnung, diesmal 180€ „mit alles“ (inkl. Maut), aber sowohl Frau Mama als auch meine Wenigkeit haben davon jeden Cent genusstechnisch ausgekostet.

Wie sehr das gelungen ist, lässt sich auch an dem Umstand bemessen, dass wir es geschafft haben 4 volle Stunden an einem Orte zu verweilen und es war davon keine Minute langweilig. Das gelänge ansonsten so nicht.

Mein Herz ist erfreut eine für mich neue 5-5-5 Location kennenlernen zu dürfen. Ich wüsste nicht, welche Abstriche ich hier vornehmen sollte, selbst wenn ich versuche das ganz rein sachlich und emotionslos zu überlegen.

Der Abend war wie schon der letzte schlicht in allen Belangen stimmig. Die nächste Gelegenheit wartet somit schon, notfalls sogar alleine, lieber natürlich wieder in geselliger Begleitung.

WrkFan goes KaiserFan. 😊
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1 Kommentar

Danke für den überaus informativen Bericht und das Lokal kommt auf alle Fälle auf unsere ToDo Liste.

12. Mai 2023, 15:25·Gefällt mir2
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