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Fr, 25. Oktober 2024

Goldenes Zeitalter, Wien - Bewertung

am 6. Oktober 2018|Update 30. Dez 2018
SpeisenAmbienteService
Bulgarisch essen in Wien, die Dritte.

Heute, am Vorabend des Geburtstags der Liebsten, stand uns der Sinn wieder einmal auf Bulgarisch, ist dies doch die Heimat der Liebsten. Ein Freund empfahl uns das „Goldene Zeitalter“ im 20. Ich hatte noch nie von dem Lokal gehört und so viele bulgarische Lokale gibt es in Wien ja nicht, also war unsere Neugier geweckt.

Das Goldene Zeitalter befindet sich am Brigittaplatz, gegenüber der hinteren Längsseite der Kirche. Witzig, dass es uns heute Abend in diese Gegend verschlägt, ich bin einen Steinwurf von der Brigittakirche entfernt aufgewachsen, wurde in der Brigittakirche getauft, bin in der Nähe zur Schule gegangen, quasi meine gesamte Kindheit spielte sich im Grätzl um diesen Platz ab, viele Erinnerungen in meinem Kopf, als wir uns dem Lokal nähern. Der Zwanzigste Bezirk hat sein Gesicht in den letzten Jahrzehnten deutlich verändert, in meiner Kindheit und Jugend war es ein sehr schöner Bezirk mit vielen kleinen Geschäften, Konditoreien, viele davon gibt es nicht mehr, sie haben über die Jahre billigeren Geschäften Platz gemacht, so richtig zum Flanieren laden nunmehr weder Jäger- noch Wallensteinstraße ein. Der Wallensteinplatz wurde mehrfach renoviert, so wirklich einladend ist er auch heute nicht. Aber genug der Nostalgie.

Der Außenauftritt des Lokals ist eher schlicht, auf einem Leuchtschild prangt der Name, ein paar Tische gibt’s am Gehsteig, aber zum draußen sitzen ist es doch ein wenig zu kühl. Wir betreten das leere Lokal und werden freundlich von einem jungen Kellner begrüßt. Die Frage, ob es auch einen Raucherraum gibt, wird bejaht und wir werden in einen, nur durch einen offenen Torbogen "abgetrennten" Teil des Lokals geführt. Außer uns sind nur ein paar Musiker da, die dabei sind, die Musikanlage aufzubauen, offenbar gibt es später Livemusik.

Es ist Samstag, das Lokal wird sich noch füllen, denn die zweite Kellnerin meint, die meisten großen Tische wären ab 20:30 reserviert. Nicht überraschend, Bulgaren essen üblicherweise später zu Abend als wir Österreicher. Es ist erst 18:30, Zeit genug, also nehmen wir an einem gemütlichen Vierertisch Platz.

Das Lokal heißt auf bulgarisch „Zlaten vek“, die Übersetzung von „Goldenes Zeitalter“. Darunter versteht man in Bulgarien die Zeit um Zar Simeon des Großen (Link), unter dem Bulgarien seine größte Ausdehnung erreichte. Entsprechend gibt es im zweiten Speiseraum auch ein großes Bild, das den Zaren hoch zu Ross zeigt.

Das Lokal dürfte vorher ein Chinarestaurant gewesen sein, die Holzvertäfelungen an der Wand, aber auch die Tische und Stühle zeugen noch davon. Die Transition zum bulgarischen Restaurant ist allerdings gelungen, an den Wänden sind nun verschiedene Bilder und Fotos aus Bulgarien zu sehen, auf den Tischen (unter Glas) sind traditionelle bulgarische Tischdecken. Das Lokal ist tadellos sauber, sehr positiv fällt mir auf, dass sogar die Menage mit Essig und Öl blitzblank sauber ist. Sehr fein.

Die Karte ist, wie in Bulgarien üblich, groß. In ihr sind alle üblichen Verdächtigen der bulgarischen Küche aufgeführt, dazu obligat eine große Auswahl an Schnäpsen.

Wir eröffnen klassisch bulgarisch mit einem kleinen Schnaps (Burgas 63) für die Liebste und einem großen für mich (bin ja auch größer als die Liebste). Dazu ein Shopska-Salat für die Liebste, ich nehme, wie fast immer, den „Schneewitchen“ – Snejanka – Salat. Als Hauptgang wählen wir eine Bohnensuppe, eine Portion scharfer eingelegter Pfefferoni, eine Portion Erdäpfel-Kjufteta, eine Portion Misch-Masch und ein „Kebabche“, Bulgariens Antwort auf Cevapcici.

Salat und Schnaps kommen schnell und überzeugen. Burgas 63 ist einfach ein sehr, sehr guter bulgarischer Weintraubenschnaps, mein Favorit. Der Shopska Salat ist laut Liebster ausgezeichnet, wie in Bulgarien üblich, recht grob geschnitten, aber feiner als im „Seasons“ und im „Sofia“. Mein Schneewitchensalat, ein an Tsatsiki gemahnender Salat, ist frisch, luftig und tadellos. Die Pfefferoni sind ausgezeichnet, deutlich besser als in den anderen beiden bulgarischen Lokalen. Scharfe eingelegte Pfefferoni sind in Bulgarien sehr beliebt und haben nichts mit den letscheren langen Dingern, die man bei uns an Würstelständen und leider auf so mach Pizza vorfindet, gemein. Die Marinade ist ein kunstvolles Rezept, in dem auch Zucker und vor allem Dille eine Rolle spielen. Und die Dinger sind scharf. Nicht zu scharf, aber doch mit „Kick“.

Kurz darauf kommen auch die Hauptspeisen.

Die Bohnensuppe, ein bulgarischer Klassiker, ist gut, sehr gut sogar, aber einen Tick zu brav. Man erschmeckt, dass hier einmal viel Kraft in der Suppe war, möglicherweise wurde ein wenig mit Wasser aufgegossen. Hier geht der Punkt an das Seasons.

Beim Rest gewinnt das Goldene Zeitalter. Der „Misch Masch“, ebenfalls ein Klassiker der bulgarischen Küche aus Eiern, Paprika, Zwiebel und Schafkäse, eine Art durchgerührtes Omelette, ist luftiger und saftiger als bei der Konkurrenz. Die „kartofeni kjufteta“ sind schlichtweg zum Niederknien. „Kjufte“ bedeutet auf bulgarisch „Fleischlaberl“, die Kartoffelvariante ist deren vegetarische Schwester. Kartoffel werden mit Ei und Schafkäse zu Laibchen geformt und entweder paniert oder natur in der Pfanne herausgebacken. Diese Laibchen waren paniert, würzig, luftig, einfach himmlisch.

Das „Kebabche“ war gut, hier geht der Punkt allerdings an die Konkurrenz. Angel, der Chef und Koch des Vorgängerlokals des Sofia, des Pleven, vermochte die besten Kebabcheta diesseits von Bulgarien zu machen, die Latte lag und liegt hoch.

Zum Abschluss möchte ich noch wissen, wie man’s im Goldenen Zeitalter mit den Desserts hält, also bestelle ich noch eine „Creme Caramel“, den Dessertklassiker Bulgariens schlechthin.

Die Creme ist gut, eine recht große Portion, aber hier ist der Wettbewerb nicht ganz fair. Ich bin mittlerweile davon überzeugt, dass es auf unserem schönen Planeten niemanden gibt, der eine Creme Caramel besser herzaubert als die Liebste. Unerreichbar.

Dieser Punkt geht an die Liebste, - wie noch eine Million anderer Punkte, es sei mir erlaubt, das an dieser Stelle zu schreiben, sie hat immerhin in 15 Minuten Geburtstag und ist, nomen est omen, meine Liebste.

Die Rechnung fällt mit etwa 50 € durchaus moderat aus, wenn man bedenkt, dass wir uns quer durch die bulgarische Küche gekostet haben. Mittlerweile hat auch die bulgarische Livemusik eingesetzt und das Lokal beginnt sich zu füllen.

Gegend und Ambiente sind jetzt nicht der Brüller, aber um gute bulgarische Küche genießen zu können, zahlt sich ein Besuch allemal aus. Der Service ist freundlich und bemüht, insgesamt ein Besuch, der meine Erwartungen positiv übertroffen hat.
Ambiente mit Zar Simeon - Goldenes Zeitalter - WienWochenkarte - Goldenes Zeitalter - WienScharfe, eingelegte Pfefferone, fantastisch - Goldenes Zeitalter - Wien
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