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Di, 19. März 2024
adn1966
Experte
am 15. November 2013
SpeisenAmbienteService
Großartig, einfach großartig.

So einfach lässt sich ein Lokalbesuch zusammenfassen, wenn alles gepasst hat. Aber eins nach dem anderen:

Jetzt ist er also da, der Winter. Ich weiß schon, nicht im meteorologischen Sinn, aber die Indikatoren, die für mich den Beginn des Winters einläuten, sind erfüllt. Die Winterreifen sind gekauft und aufgezogen, die Weihnachtsmärkte stehen kurz vor ihrer Eröffnung, die Enteisungssaison am Flughafen hat begonnen und die graue, dichte Hochnebeldecke über Wien bestimmt das Licht an den meisten Tagen.

Um mich darüber und über die Tatsache, dass die Liebste geschäftlich im Ausland weilt, hinwegzutrösten, und weil ich grad heute den Bericht des geschätzten Testers derweinrat gelesen habe, beschloss ich, Meixner’s Gastwirtschaft zu Mittag einen Besuch abzustatten. Die Reservierung wurde sehr freundlich und kompetent aufgenommen, das Navi wies den Weg in die Buchengasse im zehnten „Hieb“, unweit vom Reumannplatz.

Ich werde beim Betreten des Lokals freundlich begrüßt, die Reservierung wird sofort gefunden und ich werde an den für mich eingedeckten Tisch im Raucherbereich gegenüber der prominenten Schank geführt. Das Lokal ist von der Einrichtung ein „Gasthaus +“, d.h. es gibt die für Wien typischen Gasthaustische/Sitzecken, allerdings edel weiß eingedeckt, die Wände in angenehmem Terrakotta gestrichen, die Decke teilweise mit dunklem Holz verkleidet. Im Schankraum thront eine schöne, große Schank, auf der eine Vielfalt guter Wein- und Schnapsflaschen geschlichtet steht. Hätte ich’s nicht schon in derweinrats Bericht gelesen, spätestens beim Begutachten einiger Flaschen wird einem klar: hier befindet man sich nicht in einem Standardwirtshaus, hier trifft man auch auf Weinkompetenz.

Zwei weitere Dinge springen ins Auge. Alles ist sehr penibel geordnet. Die Speisekarten auf der Ablage, die Flaschen sind exakt in die Mitte der Schank zentriert, alles wirkt sehr, sehr sauber und ordentlich. Das Zweite ist die offenbar sehr effektive Schalldämmung. Die Gegend um den Reumannplatz ist ja nicht wirklich die Leiseste, im Lokal herrscht absolute Ruhe und Stille. Fast schon zu viel Stille, ein wenig dezente Hintergrundmusik wäre dem ohnehin sehr geschmackvollen Ambiente durchaus nicht abträglich.

Herr Meixner himself steht hinter der Schank, seine Frau mit einigen Köchen in der Küche, und drei Damen/Herren vollbringen eine veritable Meisterleistung im Service. Kaum habe ich eine Zigarette ausgedämpft, wird der Aschenbecher gewechselt. Kaum ist ein Glas leer oder der Teller leergegessen, wird auch schon abserviert, immer wieder gefragt, ob es noch etwas sein dürfe, die Beratung über Speisen und Getränke freundlich und kompetent. Eine Spitzenleistung.

Auf Seite 1 der Speisekarte liest man: „... dies ist ein Gasthaus und kein Gourmettempel, ...“.

Er stapelt tief, der Herr Meixner. Ich war bereits in vielen, vielen Restaurants, die weit, weit weg von einer dermaßen perfekten Serviceleistung waren, wie sie im „Gasthaus“ Meixner geboten wird. Großes Kompliment.

Ich eröffne mit einem Achterl Grüner Veltliner vom Fritsch (€ 4,60) und widme mich dem Studium der Karte.

Selbige ist überschaubar, es gibt die üblichen Verdächtigen der Wiener Küche (Schnitzel, wahlweise vom Schwein (Fledermaus) oder vom Kalb (Schale), gebackene Leber, Zwiebelrostbraten, aber auch Filetsteak vom Jungrind wird angeboten. Dann noch echt interessante Dinge wie „Kalbskarbonad’l mit Gemüsetagliatelle“ ein „Pinzgauer Bauernkotelett, mit Bierkäse, Speck und Zwiebel gefüllt“ und veritable Ausreißer aus der traditionellen Wirtshausküche, das „Lardo vom Mangalitza“, mit Kräutern und Meersalz gereift, oder ein „Rote Rüben Carpaccio mit Krenmousse“. Très interessant.

Ich entscheide mich für eine Frittatensuppe (€3,80) und das Kalbskarbonad’l (€ 22,60).

Die Suppe ist geschmacklich einwandfrei, reichlich Frittaten, einen touch zu brav für meinen Geschmack, das „ich-will-vor-dieser-Suppe-niederknien“ Gefühl will sich nicht ganz einstellen. Etwas später, nach einer angenehmen Zigarettenpause, wird das Karbonad’l serviert. Mir selbst war nicht geläufig, worum es sich bei einem Karbonad’l eigentlich genau handelt, Herr Meixner erklärte mir von hinter der Schank, es handle sich um ein Kotelett, am Knochen gebraten, im Natursaft’l, aber, im Gegensatz zur schweinernen, oft trockenen Variante, um ein äußerst saftiges und zartes Teil. No, dann, her damit.

Und wahrlich, vor mir steht ein Teller mit einem sehr stattlichen Karbonad’l, das auf einem Bett von Gemüse-Tagliatelle liegt, mit einer genau richtigen Menge g’schmackigem Saftl. Die Tagliatelle herrlich al dente, das Gemüse mit reichlich Biss, bei Meixners’ wird Gott sei Dank nix zu Tode gekocht. Zum Karbonad’l wurde mir, sehr aufmerksam, ein Steakmesser gereicht, was nicht notwendig gewesen wäre, das Fleisch ließe sich auch durch einen strengen Blick vom Knochen lösen, so zart war es. Geschmacklich ein Hochgenuss, und spätestens jetzt war klar, dass die Grenze zwischen „einfachem Gasthaus“ und „gutbürgerlichem Restaurant“ schon weit in Richtung Restaurant überschritten wurde, und zwar in a very, very good way, bei allem gebührenden Respekt gegenüber der Bescheidenheit der Besitzer.

Zum Karbonad’l gab’s ein Achterl „Alte Reben“ 2009 vom Gsellmann, den Abschluss bildeten meine zwei obligaten Ristretti in Begleitung eines Grappa Marzadro. Auch beim Kaffee beweist das Ehepaar Meixner, nicht in der Gasthaus – Liga verblieben zu sein: Ein guter, würziger, sämiger und tatsächlich kurzer Ristretto wird hier kredenzt. Auf Nachfrage erfahre ich, dass es sich um Kaffee vom Gegenbauer handelt (richtig, DER Gegenbauer, der Papst der Dreifaltigkeit „eingelegtes Gemüse – Essig – gepresstes Gemüse" röstet nun seit einigen Jahren offenbar auch Kaffee. War mir, welch Schande als Kaffee-Afficionado, neu.

Mein Besuch, dessen Wiederholung unmittelbar nach Rückkehr der Liebsten statt finden wird (schließlich muss jemand den Gegenbauer-Saft aus weißen Tomaten verkosten), schlug sich, angesichts des feinen Essens, der guten Weine, des tadellosen Kaffees und der vorbildlichen Serviceleistung, mit wohlfeilen 50 € zu Buche.

Noch ein Wort zum Ambiente: ich habe mich extrem wohl gefühlt. Selten habe ich diese Kombination von harmonischem Service, das einerseits extrem schnell und effizient war, andererseits eine veritable Ruhe und Harmonie im Team ausstrahlte, erleben dürfen, auch in Restaurants, deren Lokalmotto beileibe nicht so bescheiden und „down to earth“ ist. Der Chef hinter der Schank, quasi an der Front am Gast, freundlich und mit Zeit für das ein oder andere Plauscherl mit seinen Gästen, die Chefin federführend in der Küche, das gefällt, das nenne ich aktive Qualitätssicherung durch einen Lokalbesitzer, so funktioniert das.

Eine Anmerkung zum Abschluss: saisonbedingt gibt’s auch Gans’l, auch das wäre wohl ein hervorragender Grund, noch einmal bei Meixners vorbeizuschauen.
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3 Kommentare

adn wird zu gg-adn (größter Gourmet-Aviator der Nation). Nächster Wien-Besuch: U1 Reumannplatz ;-)

19. Nov 2013, 10:49·Gefällt mir1

Danke, woody. Ja, sowohl das Stern als auch der Meiner waren zwei gute Erlebnisse. Ich mag ja die echten Wirtshäuser, die es verstanden haben, dass ein Wirts- oder Gasthaus kein Widerspruch zu guter, kreativer Küche, guten Produkten, guter Organisation, guten Weinen und gutem Service sein muss. Ich brauch keinen Dialog am Teller, keinen Schaum von Irgendwas, ehrliche, echte Küche, gutes Handwerk und Service zum Wohlfühlen, das hat was.

18. Nov 2013, 00:16·Gefällt mir2

Eine wunderschöne Bewertung die dem Lokal entspricht. Ist wohl dein Glücksjahr. Stern, Meixner,...

16. Nov 2013, 07:14·Gefällt mir1
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