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Meissl & Schadn, Wien - Bewertung

am 20. September 2017
SpeisenAmbienteService
Dass die Betreiber des „Meissl & Schadn“ ihr neues Lokal schon jetzt als die Wiedergeburt einer Legende bezeichnen, könnte so mancher als Blasphemie empfinden. Denn das ursprüngliche „Meissl & Schadn“ war seinerzeit ein legendäres Hotel mit angeschlossenem Restaurant am Neuen Markt in Wien. Man kam aber in der Regel nicht zum Nächtigen oder um umgebracht zu werden – wie es hier dem k.k. Ministerpräsidenten Karl Stürgkh 1916 passierte – sondern um Rindfleisch zu essen. Auch wenn in vielen Teilen des heutigen Wien zur vorletzten Jahrhundertwende noch viele Rinder gehalten wurden, war schon damals Rindfleisch etwas Besonderes, da man – wenn überhaupt Fleisch – eher Schwein gegessen hat. Und so labten sich die Reichen, Schönen, Kreativen und deren Mitesser an allerlei Köstlichkeiten, die für viele die ach so gute alte Zeit ausgemacht haben.

Das neue „Meissl & Schadn“ steht nun an einer anderen Stelle, aber immerhin auch als Teil eines Hotels und zwar als eines der Lokale des Grand Ferdinand am Ring. Dieses hatte mit dem „Grand Etage“ unterm Dach und dem „Gulasch & Champagne“ ja schon bisher zwei köstliche Essensausgaben, wobei ich immer noch nicht ins „Gulasch & Champagne“ gehen kann, ohne dass mir 27 Fragezeichen aufgehen … aber das ist eine andere Geschichte! Die Idee zum Wiederaufleben lassen des „Meissl & Schadn“ hatte Florian Weitzer, der Betreiber einiger guter Hotels in Graz und Wien, beim Studium eines alten Reiseführers, und er war sofort von der Vorstellung eines altehrwürdigen Rindfleischtempels angetan. Das Resultat ist nun also ein Lokal, das zwar weder urig noch gutbürgerlich ist, aber trotzdem den Anspruch an sich stellt, gerade in Sachen Wiener Schnitzel und Tafelspitz ganz vorne mitzumischen.

Dass hier tatsächlich im historischen Kochbuch nachgeblättert wurde, zeigt die Auswahl an „Einschiebspeisen“, der sogenannten „Assietten“. Das sind im Wesentlichen altösterreichische „Tapas-Gerichte“, bei denen oft auf Speisen zurückgegriffen wird, von denen man gerne probieren würde, sich aber nicht gleich eine ganze Portion bestellen würde. Stichwort Innereien und Ähnliches. Im „Meissl & Schadn“ sind es aber weniger die Innereien, von gespickten, butterweichen Rahmherzen einmal abgesehen. Die Assietten bewegen sich hier von relativ fadem Beinschinken mit Kren-Rahm, über einen braven Zander im Speckmantel und ordentlichen panierten Erdäpfelwürsten, bis hin zu einem verführerischen Kaisergulasch aus Rindsfilet mit grünen Erbsen. Highlight ist aber das Sasak, von dem ich auch zuerst glaubte, dass so nur ein balinesisches Volk heißt, aber dann von Küchenchef Jürgen Gschwendtner erklärt bekam, dass dies die altösterreichische Version eines Pulled Pork sei. Serviert wird es mit „Türkenpfeffer“ und Radieschen und kostet wie alle Assietten gerade einmal 3,5 Euro. Drei von diesen kleinen Tellerchen und ein ungeübter Esser wäre satt …


Den ersten echten Gang bestritt nun die Suppe. Nachdem hier sehr viel Wert auf die Rindfleischqualität gelegt wird, ist man auch stolz auf die Suppen. Und neben den Klassikern, wird auch eine „Kaisersuppe“ angeboten. Der Name sagt im Gegensatz zu den Klassikern nichts aus, denn man könnte jetzt rein technisch gesehen, sowohl eine Zwiebelsuppe mit Gruyere als auch eine Nudelsuppe mit Tofu als Kaisersuppe bezeichnen. Aber egal, im wiedergeborenen „Meissl & Schadn“ handelt es sich hierbei um eine Kalbseinmachsuppe, mit Bries, Gemüse und Zunge. Die Fleischstücke sind dabei aber schon so angenehm vorzerkleinert, dass man sich keine Gedanken mehr um das ursprüngliche Aussehen der Teile machen muss. Die Suppe selbst ist absolut in Ordnung und fehlerfrei abgeschmeckt. Trotzdem fühlt man sich hier im Rindfleischtempel bei dieser Suppe so wie auf einem Konzert, bei dem man gerne den Haupt-Act sehen möchte, aber zuvor noch die Vorgruppe anhören muss. Nun aber zum Haupt-Act:

Die Schnitzel auf der Karte sind allesamt waschechte Wiener Schnitzel, also vom Kalb. Hier gibt man sich streng traditionell und einem Schweinsschnitzel keine Chance. Dafür wird man vor die wunderbare Wahl gestellt, ob man sein Wiener Schnitzel lieber in Schweineschmalz, Butterschmalz oder Pflanzenöl herausgebacken haben möchte. Wir probierten von zwei Versionen. Sowohl aus dem Schweine- wie auch aus dem Butterschmalz waren die flachen Kälber butterzart und so aromatisch, wie Kalbfleisch eben sein kann. Die Panier war perfekt souffliert und herrlich resch. Nur kann ich mich gerade selbst nicht mit mir einigen, welche Version mir besser geschmeckt hat. Mit dem Schweineschmalz war das Schnitzel natürlich sehr viel intensiver und reichhaltiger, während die Butterschmalzvariante natürlich einen herrlich-buttrigen Touch hat. Die Beilagen waren durchwegs großartig: der Gurkensalat hatte eine dezente Knoblauch-Note, die Petersil-Kartoffeln buttrig-glasig und der Erdäpfelsalat himmlisch abgeschmeckt. Dass die Küchencrew rund um Jürgen Gschwendtner ihren Job beherrscht, ist eine Tatsache. Nach wie vor ist es ja auch das Schnitzel, das mir gemeinsam mit einem Gulasch schon in so vielen Lokalen als Gradmesser für das Können einer Mannschaften gedient hat. Die Portionsgröße kann zwar mit anderen Schnitzeltempeln wie Renner oder Figlmüller nicht mithalten, geschmacklich liegt man hier aber weit drüber.

Das zweite große Highlight soll der klassische Rindfleischwagen sein, bei dem man sich für sein Tafelspitzgericht das passende Rindfleisch aussuchen kann. Zur Wahl stehen natürlich Tafelspitz selbst, Schulterscherzel und Zunge. Dazu kommen noch der obligate Markknochen und ein ganzes Sortiment an Beilagen. Bei den Beilagen war der Kartoffelschmarren erstklassig, der Semmelkren großartig, der Apfelkren herrlich, der Cremespinat wunderbar uns so weiter. Also die Beilagen haben mich schon einmal ziemlich glücklich gemacht. Weniger happy war ich mit dem Fleisch selbst, denn während die Zunge und das Schulterscherzel köstlich, weich und saftig waren, war mein Tafelspitz leider etwas trocken, so dass er ohne den nachgereichte Semmelkren wohl nicht so leicht durch meine Speiseröhre geflutscht wäre. Das war Pech. Hätte ich etwas gesagt, man hätte mir das Stück sofort gegen ein saftigeres ausgetauscht, da bin ich mir sicher.

Bei den Mehlspeisen werden die Liebhaber der Ur-Klassiker im „Meissl & Schadn“ feuchte Augen bekommen, denn hier tut man sich noch viele jener Dinge wieder an, die in anderen Küchen mittlerweile längst ausgestorben sind: Vom frischgezogenen Apfelstrudelteig über luftige Salzburger Nockerln zu meiner geheimen Lieblingstorte, dem ungarischen Rigó Jancsi gehen hier für „Süße“ echte Träume in Erfüllung. Aufgrund meiner schon stark an ihre Grenzen stoßenden Magenkapazität war es dann „nur“ der Apfelstrudel, den ich noch geschafft habe. Der Teig und die Apfelfüllung waren wie aus dem Bilderbuch, nur hätte ich mir vielleicht einen Hauch mehr Biss im Inneren erwartet. Aber das liegt vielleicht auch nur an dem faulen Koch in mir selbst, nachdem ich meine eigenen Strudel immer mit geschnittenen Schnitten „aufpimpe“.

Insgesamt ist es sehr erfreulich, dass es das „Meissl & Schadn“ jetzt erneut gibt. Ob es auch nur im Geringsten mit jenem ursprünglichen Lokal mithalten könnte, nach dem es benannt ist, kann ich nicht sagen. Und logischerweise kann das auch sonst niemand sagen. Aber die liebevolle Rückbesinnung auf alte Traditionen, macht beim Essen tatsächlich großen Spaß, sei es nun beim sensationellen Sasak, dem Wiener Schnitzel aus dem Schweineschmalz oder den klassischen Mehlspeisen. Überraschenderweise hat die Karte auch viele vegetarische Posten, aber bei all den Fleischträumen, war ich leider viel zu beschäftigt, um an das Vegetarische zu denken. Naja, es gibt ja definitiv auch ein nächstes Mal!
Wiener Schnitzel vom Kalb (Butterschmalz) - Meissl & Schadn - WienKaisersuppe mit Zunge - Meissl & Schadn - WienWiener Schnitzel vom Kalb (Schweineschmalz) - Meissl & Schadn - Wien
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