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Mi, 23. Oktober 2024

Livingstone, Wien - Bewertung

am 13. November 2016
SpeisenAmbienteService
Von der Fleischeslust gepackt hat es mich und meine bessere Hälfte ins Livingstone getrieben. Wir kennen das Restaurant von Früher, waren wir doch vor gut drei Jahren schon einmal dort. Es sollte ein genussvoller Abend werden und wir haben ordentlich Hunger mitgebracht.
Die Reservierung erfolgte prompt und ziemlich kurzfristig, dennoch bekamen wir einen Tisch zu unserer Wunschuhrzeit.

Man betritt das Restaurant durch eine große Holzflügel-Doppeltür und wird sofort vom gemütlich-gediegenen Ambiente eingefangen. Viel Holz und gedeckte Farben begrüßen einen schon im Flur, wo sich die Garderobe befindet. Höflich wird man von der Garderobière gebeten, seine Jacken/Mäntel abzugeben, bekommt ein kleines vergoldetes Münzchen mit einer Nummer drauf und kann sich nun entscheiden, ob man einen Aperitiv im Planters Club trinken möchte (die Auswahl an karibischem Rum ist dort legendär, ebenso wie die 42-seitige Barkarte und die wirklich guten Cocktails), oder gleich ins Restaurant gehen möchte. Da wir reserviert haben und ein wenig zu spät kommen, entscheiden wir uns für letzteres und einen Aperitiv am Tisch.

Der Restaurantleiter und die Kellner begrüßen uns sehr freundlich und elegant. Die unaufdringliche vornehme Art des Personals bedingt eine angenehme Wohlfühlatmosphäre, die nicht zuletzt auch aus der schönen Einrichtung resultiert (verschieden große Tische aus dem selben Holz, Sitznischen und Holztreppen, die zum oberen Essbereich führen, große Luster im Kolonialstil, leise Chillout-Musik, ein Boden, der einen schweben lässt – so leise). Besonders auffallend ist die Küche, die am Ende des Raumes einen besonderen Platz hat, denn man kann durch Glas den drei Köchen bei der Arbeit zuschauen und weiß dadurch, dass es sich um ehrliche, saubere Kochkunst handelt, die einem im Laufe des Abends präsentiert wird.

Wir werden zu unserem Tisch geführt und bekommen einen Überraschungsaperitiv – meines Geschmacks nach mit viel Gin und rötlich-rosa-Perlen am Boden des Martiniglases. Anschließend bestellen wir ein Ottakringer Wiener Original und ein Craft-Beer Brauwerk Blond ebenfalls aus dem Hause Ottakringer. Kalt, süffig, erfrischend.

Und nun zum wesentlichen Teil: Das Essen. Vorweg sei noch anzumerken, dass wir zwischen den Gängen immer gefragt wurden, ob es gleich weitergehen soll, oder wir eine Pause wünschen und die Wartezeiten waren perfekt. Auch der Restaurantleiter kam gelegentlich zum Tisch und erzählte uns ein wenig über das, was wir gerade gegessen haben – unaufdringlich, interessant und sehr aufmerksam.

1. Amuse Bouche: Eis vom Pastrami im Mini-Stanitzel
Sensationelle Erfahrung – Eis aus Fleisch. Für uns komplett neu, interessant, verwirrend und köstlich zugleich. Die Räuchernote des Rindersaftschinkens kommt gut durch, es schmeckt leicht nach gefrorenem, cremigem Rindsbouillon. Die Anrichteweise ist überdies ebenfalls ein Genuss fürs Auge, steckt das Stanitzerl doch in einer Drahthalterung und wippt leicht herum. Sehr witzig und genauso ausgefallen wie die Kleinspeise selbst.

2. Duett von der Bayrischen Garnele
Der längliche Teller ist zweigeteilt in ein Ceviche und Sous-vide-gegarte Garnelen. Das Tier ansich kommt aus einer Privatzucht in Bayern, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Garnelen in Sashimi-Qualität zu züchten. Deshalb das Ceviche, um die Qualität der Garnele zu betonen. Es war toll, denn ich habe noch nie rohe, marinierte Garnelen gegessen. Als zusätzlicher Kick zum Chiliöl gibt es – vom Koch höchstpersönlich – frisch geriebene Budda-Finger-Zitrone über das Ceviche, die das ganze im Mund explodieren lässt. Die süßlich-saure und leicht herbe Note der teuersten Zitrone der Welt passt perfekt zu dem milden, leicht salzigen Geschmack des Zuchttieres. Der zweite Part, die Sous-vide-Garnelen, stellt ein passendes Contraire zu dem Ceviche dar. Lauwarme Garnelen auf Avocadobett, beides sehr mild im Geschmack und gut zueinander passend, werden von gebratenem Chicoree und ein paar Tröpfchen von Chilimayonnaise begleitet. Es ist genauso köstlich wie es aussieht und riecht nach einer Wiederholungstat, denn wir wollen mehr davon.

3. Wolfsbarsch mit knuspriger Haut auf Kürbisgemüse mit Safrangnocchi und Pestospiegel
Der beste Fisch meines Lebens. Knusprig und weich, glasig und fest zugleich – Wolfsbarsch von seiner perfekten Seite präsentiert. Das Kürbisgemüse knackig, aber nicht hart, pikant, aber nicht überwürzt, dazu die Safrangnocchi, die eine dankbare Symbiose mit dem Kürbis und vor allem dem Pestospiegel eingehen. Wunderbar abgestimmte Aromen. Ein leichtes Gericht, zart, elegant und ebenso umwerfend.

4. Das Highlight: Hochrippe vom Schottischen Hochlandrind
Oh mein Gott! Ich würde sterben, könnte ich dieses Fleisch noch einmal in meinem Leben so zubereitet Essen. Eindrucksvoll, dieses Stück vom Rind am Knochen, wenn man bedenkt, dass es aus einer schottischen Zucht stammt, welche nur fünf Tiere pro Jahr schlachtet. Die reine Fleischeslust hat uns zu dieser Schandtat getrieben und ja, ich will wieder so sündigen! Der Koch ein Künstler, denn das Fleisch zwar von Topqualität, aber die Farbe hat nur er zu verantworten und für diese 800g grenzenloses Vergnügen hätte ich ihm am liebsten ein Loblied gesungen. Das Messer gleitet wie Butter durch die sous-vide angegarte und anschließend gegrillte Hochrippe, nur mit Fleur de Sel gewürzt entfaltet sich der Geschmack des puren Fleisches und verlangt kaum mehr nach den dennoch köstlichen Saucen (Pfeffersauce und Elijah-Craig-Sauce). Dazu werden uns als Beilagen Erdäpfelgratin, Püree mit Röstzwiebel, Steakfries, Speckbohnen, gebratenes Gemüse, Cafe de Paris-Butter, Sauce Bernaise und Sweet-Habanero-Dip gereicht. Viel zu viel, aber viel zu gut, um es nicht aufzuessen. Die Fries knackig und leicht pfeffrig, das Püree mild, natürlich und nicht zu buttrig, das Gratin gut gebacken und sahnig, das Gemüse nicht übergart und leicht asiatisch durch die Zusammenstellung der Gemüsevielfalt, und die Speckbohnen durch den knusprig gerösteten Speck ein kleines Feuerwerk neben dem Hauptdarsteller. Wir essen, was geht, genießen jeden Bissen und schauen immer wieder selig auf das Stück Rind, das unseren Tisch in zwei Hälften trennt. Ich bin immer noch ein wenig sprachlos, wenn ich an dieses Meisterwerk denke.

5. Ganache mit altem Rum, Birne und Knusper
Kaum geht mehr was rein, aber der Österreicher hat bekanntlich so einen besonderen Platz im Magen, der sich „Dessertlade“ nennt - also was Süßes geht dann doch immer noch. Cremig, diese Melange aus Rahm und Schokolade, leicht moussig, aber nicht mächtig, dank der Birnen eine leichte Säure, durch den Rum schon fast wild im Mund. Der perfekte Löffel war ein bisschen von allem – ausgewogene Aromen, schönes Zusammenspiel und ein wunderbarer Abschluss für unser Dinner.

Ich bin hin und weg, dankbar, zufrieden und schwebend zugleich, wenn ich an all die Köstlichkeiten denke, die uns im Livingstone serviert wurden. Es ist ein ganz besonderer Platz, der seinesgleichen sucht, und sicher ganz oben in meiner persönlichen Restaurant-Liga thront. Ich kann ruhigen Gewissens in jeder der drei Kategorien die Bestnote vergeben.
Livingstone - WienLivingstone - WienLivingstone - Wien
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