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Fr, 19. April 2024

Steax am Heumarkt - Bewertung

WrKFan
Experte
am 23. März 2023
SpeisenAmbienteService
Treffpunkt Steax am Heumarkt

Es ist 18:00 Uhr, meine Freunde des Rinderwahns, so nennt sich unsere carnivorisch veranlagte Steakgruppe, versammelt sich im Schanigarten um in einem für uns neuen Lokal, das sich der kultivierten Rindervernichtung verschrieben hat, einen ersten Lokalaugenschein vorzunehmen. Die Temperaturen gehen endlich in die Höhe, sodass man sich den Aperitif im Freien einverleibt hatte.

Aufmerksam gemacht wurde ich durch unsere Testerin BiancaC, der ich herzlich danke, und ich aufgrund ihrer Rezension das Steax für unser nächstes Treffen vorgeschlagen hatte.

Danach begeben wir uns versammelt ins Innere. Ein modernes Ambiente zeigt sich uns, doch es geht eine Etage tiefer ins Untergeschoß, wo es einen weiteren recht hellen Gastraum gibt. Wir waren dann dort für den Rest des Abends völlig allein, aber wegen der Tischgröße für sieben kräftige Männer war es nur unten möglich.

Der Tisch war dafür fabelhaft, eine geschätzt 5 cm dicke Vollholzplatte in mächtiger Größe ermöglichte ein fürstliches Tafeln. Die anderen Tische sind aber schlichter. Elegante Ledersessel ergänzen das noble Ambiente.


Das Vorspiel

Der Service war sehr bemüht und betont freundlich. Zwei recht junge Herren verwöhnten uns an dem Abend. Der eine dürfte, ich vermutet das, der Lokalchef sein. Man konnte auch unseren typischen Witzeleien standhalten, denen wir sie ausgesetzt hatten. Es gab auch eine angeregte Diskussion, wie es um das Lokal steht. Derzeit ist gastronomische Flaute, aber man hofft, dass man überleben wird.

Insofern waren wir so was wie Edelgäste, d.h. wenn es schon nur den einen Tisch gibt, dann zog man alle Register. Wie sich das in einem gefüllten Lokal darstellt, wird sicher anders sein, aber man verlangt auch kein Dauer-Tüdel-di-Tü Gehabe, sondern eine professionell wie kompetente Bedienung. Das war auch der Fall.

Ich habe auf der HP festgestellt, dass es Mittagsmenüs gibt, das mit Steaks nichts gemein hat, sondern teils auch der guten Wiener Hausmannskost um 12,50€ gewidmet ist. Ich denke so möchte man erreichen, dass das Lokal ein breiteres Publikum anspricht. Ob die Rechnung aufgehen wird, wird sich zeigen. Das Lokal gibt es erst kurz.

Für uns wurde zuerst der Gruß aus der Küche der kulinarische Lockvogel. Ein Couscous-Salat, gut mariniert ging gut als Appetizer weg, dazu das Gedeck bestehend aus zwei Arten Weißbrot und ein milder wie auch angenehmer Knoblauchaufstrich. Das war mal kein Fehlstart, aber vom Hocker riss es auch nicht.

Getrunken wird bei den meisten meiner Spezl‘n entweder klassisch Bier, oder wie meine Wenigkeit es vorzieht, guter Rotwein, bei dem ich gestern einen Partner hatte, der solches ebenso schätzt. Wir probierten zwei, einen spanischen Rioja Izadi Crianza aus 2017 mit edlem Körper und Kraft , den es auch glasweise um 7€ gibt.

Der zweite war ein Italiener, ein Tua Rita, Rosso die Notri, Jahrgang 2020, die Flasche um 55€, der wesentlich milder war, ohne Barrique-Note. Meinem Wein-Partner hat er gut gemundet, ich war mit meiner Wahl wieder mehr zufrieden und stieg dabei auch noch günstiger aus.


Auftritt der Hauptdarsteller

Wir sind an sich zumeist sehr puristisch unterwegs, in der Regel genügt uns ein ansehlich großes Steak ohne das große Vorspeisenregister, außer was das Lokal wie zuvor beschrieben standardmäßig anbietet und das reicht bei mir auch in aller Regel.

De eine Hälfte entschied sich recht einhellig für das Rumpsteak (300g um 30€) und die andere für das Rib-Eye (Männergröße 350g zu 44€). Kleiner Wermutstropfen, die Karte listet auch Dry-aged Varianten, welche aber an dem Abend nicht verfügbar waren.

Auffallend die erhöhte Preissituation für Dry-aged, 54€ für das Filet oder 66€ für Rib-Eye. Was also die Rindviecher meiner Wahl anbelangt sind wir hier in der Hochpreisliga. man liegt dabei um gute 30% über dem für mich guten Repräsentanten El Gaucho.

Unsere quasi Normalvariation war aber qualitativ exzellent. Mein Garpunkt straight medium perfekt und auch von den anderen höre ich rundum nur Positives in lobenden Tönen. Das Fleisch war von ausnehmender Zartheit, das Fettauge nahezu nicht mehr vorhanden, ist also damit geschmacklich ins Fleisch aufgesaugt integriert. Klasse.

Das Steakmesser ist erwähnenswert, das war wie Kanonen auf Spatzen schießen, für mich schon vom Format Hirschfänger, recht wuchtig und schwer, welches dann wie von alleine seine Schnitte durch die zarten Fasern fand.


Die Nebendarsteller

Wurde da ein allgemeiner Schwachpunkt erkannt? Steak-Fries sind recht passabel. Gemüse Side-Dishes, Blattspinat oder zunächst vielversprechende Piementos waren nicht wirklich aufregend. Die Basis ok, nur es fehlt hier an Würzkunst oder raffinierten Ergänzungen. Die Saucen waren noch weniger eine Offenbarung. Doch genau darf lege ich Wert.

Die Pfeffersauce viel zu dünnflüssig, ein Kollege meinte, das sei US-Standard. Na gut, dann sollen sie das dort so handhaben, ich hätte gerne eine kräftiger einreduzierte Sauce. Von pfeffrig spürte man lediglich den Ansatz. Mit dem Steak verflüchtige sich das auch völlig.

Verfechter scharfer Ergänzungen haben wie ich üblicherweise nachgefragt, was diesbezüglich der heißeste Dip wäre. Chimichurri, ah ja kennt man, doch das Ergebnis war noch mehr enttäuschend. Ein paar Stückchen Chili verirrten sich in einem Ölbad und ersoffen darin regelrecht. Das hätte man auch auf einem Sitz essen können, d.h. weder Schärfe noch Geschmack. Leider konnte hier nicht gepunktet werden.


Die Nachwehen

Hier zeigte sich der Service von seiner starken Seite und brachte, ohne dass wir etwas gesagt hätten, eine kleine Haus-Kreation. Ein kleiner Süß-Happen, man vergebe mir, ich habe vergessen was es war. Ich denke, das wird auch immer was anderes sein. Nett dazu war, dass es mit einem Glas Trockeneis ergänzt wurde und die Rauchentwicklung für einen Showeffekt gesorgt hatte.

Kaffee Naber war als Ristretto ausnehmend gut und diverse Schnäpse von Schosser sehr edel, das sind so die typischen Nachspeisen, wie wir das in unserer Männerrunde handhaben, Männer eben. ;)

Ein letztes Tüdel-di-Tü gelang dem Service noch, ja man wollte uns sichtlich hofieren als die wohl einzigen Gäste im Untergeschoß und so erhielten wir noch eine Runde Schosser Edelbrände nach Wahl aufs Haus.

Die G‘schicht war in Summe nicht billig, keiner kam unter 70€ davon, ich kaufte mich mit ca. 100€ frei und unser Spitzenreiter mit 130€, aber der hatte auch den teureren Rotwein.

Ich habe das Lokal mit etwas gemischten Gefühlen verlassen. Die Steaks waren tadellos, aber hochpreisig. Der Service mehr als nur bemüht, aber das würde ich nicht als üblichen Standard ansehen.

Das Ambiente ist für mich Durchschnitt. Klarerweise kann das nur subjektiv sein, aber ich bin mehr der rustikale Typ wie das unser Tisch war. Doch muss man bedenken, diesen Supertisch (für 8 Sitzplätze) erhältst du sicher erst bei einer Personenanzahl ab 5 Personen aufwärts.

Da ich unter uns nicht so der Obercarnivore bin, ich liebe schon Steaks, aber es müssen für mich ebenso die Side-Dishes meiner Erwartungshaltung entsprechen, wenn die Preise schon gehobener Level sind, und das war leider nicht der Fall.

Für die Stimmung haben wir selbst gehörig gesorgt, aber wie ist das, wenn ich mal nur zu zweit oder bloß alleine hergehe? So alleine wie gestern möchte ich dann sicher nicht sitzen. Beim Verlassen des Lokals war genau ein Tisch im oberen Bereich belegt. Hier muss man für das Lokal hoffen, dass sie die Kurve kratzen werden.

Ich gebe dem Lokal mit Sicherheit gerne eine weitere Chance, aber der erste Lokaleindruck war summa summarum noch nicht ganz zufriedenstellend um in euphorischen Jubeltanz zu verfallen.
Steax - Gruß aus der Küche - Coucous-Salat - Steax am Heumarkt - WienSteax - 350g Rib-Eye - medium - Steax am Heumarkt - WienSteax - Gastraum ebenerdig - Steax am Heumarkt - Wien
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4 Kommentare

Stimmt, und das mit den nicht heimischen Produkten hier, danke für den ergänzenden nicht unwichtigen Hinweis.

23. Mär 2023, 14:20·Gefällt mir1

El Gaucho am Rochusmarkt - für mich aktuell und seit längerem schon die Nr.1 in Wien. Qualität (Fleisch aus Österr. im Sortiment) und Preis gehen dort zusammen und die Hütte ist immer voll was für tolle Stimmung sorgt...

23. Mär 2023, 14:07·Gefällt mir1

Die sogenannte "untere Mittelschicht" bricht halt nun als potentieller Gast immer mehr weg - zu groß sind die finanziellen Belastungen des Alltags - da bleibt halt nimmer viel für die Gastro oder dgl. übrig. Dort wo Preis/Leistung passen - da sind die Lokale in Wien noch immer sehr gut besucht und voll - meist geht da ohne einer Reservierung nichts.

23. Mär 2023, 14:03·Gefällt mir

Essen gehen, können sich immer weniger Menschen leisten und es wird zum echten Luxus. Es findet bereits ein Kahlschlag in der Gastro statt und es werden noch mehr zusperren. Wie ich auch schon gehört habe, zieht sich Kempinski aus Wien zurück.

23. Mär 2023, 10:46·Gefällt mir
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