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Di, 16. April 2024

Rudi's Beisl - Bewertung

WrKFan
Experte
am 14. September 2022
SpeisenAmbienteService
Rudis Beisl – die Gansl-Legende

Wenn man das Rudis Beisl mit einem Wort beschreiben will, fiele mir das Wort Gansl-Wirt ein. Die Gansl-Zeit beginnt traditionell mit dem 11. November, dem Martinitag, wobei sie wegen ihrer Popularität zeitlich sowohl davor als auch danach ausgedehnt wurde.

Um sich im Rudis Beisl ein Platzerl für sich und seine Liebsten zur begehrten Gansl-Vernichtung zu ergattern, muss man schon bis an die 2 Monate im Voraus reservieren. So werde ich das mit einer größeren Partie heuer in Anspruch nehmen. Ich beschreibe hier meine bereits gemachten Erfahrungen.

Vom Experten Stammersdorfer erfolgte dankenswerterweise der Hinweis, es wäre heuer die letzte Saison für dieses Beisl, da der Inhaber, Herr Christian W. gedenkt sein Lebenswerk zu übergeben um sich anderen Aufgaben zu widmen. Bei der Terminabstimmung habe ich erfahren, dass er seit mehreren Jahren schon davon redet, d.h. wir werden es sehen.

Vielleicht darf man sagen, er redet heuer ernsthafter darüber und man könnte damit nun rechnen. Wenn es aus dem Grund damit für mich nur diese eine Bewertung geben wird, die nach 5 Jahren ins Hinterzimmer der Seite verschwindet, so sei dies hier mein guter Nachruf und Dank an die Existenz dieses wunderbaren Juwels gastronomischer Kostbarkeit.

Es wäre aber verfehlt Rudis Beisl bloß wegen seiner beliebten Gansl-Schnatterei auszuweisen, denn der gute Mann hat für das Kochen der traditionellen Wr. Küche generell ein begnadetes Handerl. Gulasch-Fans kommen hier aber nicht auf ihre Rechnung, ich wüsste nicht, ob er das je gemacht hat, ich jedenfalls habe hier noch keines gegessen.

Aber andere Repräsentanten unserer Wiener Küche werden meisterhaft fabriziert und darüber möchte ich ein paar Takte plaudern. Ich werde mich auf 4 meiner Favoriten festlegen, um die Beitragslänge nicht übermäßig zu strapazieren. Durchhalten Freunde. :-)


Favorit 1 - A Supperl, wie ich es mag – 4,10€

Den p.t. Lesern meiner Beiträge dürfte nicht entgangen sein, dass ich ein Suppennarr bin, und wer mir darin meine Vorstellung verwirklicht, der hat schon so gut wie gewonnen. Hier wäre das der Fall.

Die Rindsuppe glänzt mit der Power an Kraft urwüchsiger Rindviecher, hat ein super dunkles goldbraunes Faberl, ist nicht fettarm, und gibt mir immer wieder den ersten Kick in Sachen Himmelfahrt. Ja, da gibt’s in Regel nichts zu beanstanden, das bringt Herr Christian nach meiner Vorstellung.

Einlagen wären Leberknödel, Grießnockerl oder Frittaten, die Klassiker, aber sie spielen bei der Musik für mich nur die 2. oder 3. Geige, man könnte sie für mich glatt weglassen, weil die Boullion für sich mein Herz schon gewonnen hat.

Die Bepreisung einer Suppe solcher Güte mit 4.10 € (!) kann man für meine Begriffe nur mehr noch als Okkasion bewerten. Des kriagst so nirgends!


Favorit 2 – Der Zwiebelrostbraten – 21,90€

Wenn ich behaupten würde, der ZRB wäre hier der Allerbeste, den ich je gegessen hatte, dann stimmt das so nicht, aber hier wird für mein Dafürhalten ein Standard vorgelegt, an dem man sich ruhigen Gewissens orientieren kann. Der wird einfach richtig gemacht.

Es beginnt damit, dass die Fleischwahl passt, denn ZRB ist bei mir vom Rostbraten. Woher bitte hätte er sonst seinen Namen? Warum man ihn anderorts nicht ZBB nennt, also Zwiebel-Beiried-Braten, es spräche ja nichts dagegen, und kann ebenso was Gutes sein, aber das ist halt kein ZRB.

Das Fleisch wird in seinem eigenen dafür angesetzten Safterl mitgeschmort und entwickelt eine Harmonie, die in ihrer Kombination den Gaumen in die richtige Tonhöhe versetzt. Es kann sein, dass eine Jus auch schon vorher angesetzt wird, das sei des Rudis Küchengeheimnis, aber nichts künstlich zusammengeschustert, sondern ein naturbelassenes Safterl komponiert in A-Dur mit wohlklingenden Terzen und Sexten, einfach zum Mitsingen.

Dazu eine Rarität, denn es wird immer eine Portion Estragon-Senf beigefügt, für mich unverzichtbar, ich bestelle das woanders einfach dazu. Diese Musik liebe ich, am liebsten wäre ich der Komponist für diese Geschmackskomposition, bin aber auch als Genießer bestens zufrieden.

Dagegen verblasst das Fächergurkerl, das ich immer schon mehr als Add-On zwecks Präsentation befunden habe, aber nett ist es und fehlen darf es schon um der Tradition willen nicht.

Die Bratkartoffeln nehmen die Rolle der Blechbläser ein, man braucht sie zur Mächtigkeit und Fülle des Gesamtklanges im Orchester. Für mich ist es unerheblich, dass sie aus der Fritteuse kommen, was viele beanstanden, denn sie haben die Aufgabe als Sättigungsbeilage. Vermischen sie sich einmal mit dem Saft, kann mir keiner erklären, er könne das noch von Erdapferln aus dem Bratpfanderl unterscheiden. Oder vielleicht kann’s auch bloß nur ich nicht, mag sein. 😊

Wie dem auch immer sei, Geschmäcker und Vorlieben können unterschiedlicher nicht sein, aber wenn ich auch meinen Estragon-Senf dazugeben darf, dann wäre es das: Der ZRB im Rudis Beisl verdient von mir die Note ausgezeichnet als quasi Vorzeige-ZRB. Weitere Kommentare nonverbaler Art darf mein Foto dazu abgeben.


Favorit 3 – Das Rudi Gansl - 22,90€

Wenn man schon die Ansage macht, dass hier das Gansl sozusagen Wö’tklasse ist, dann muss es logischerweise auch thematisiert werden, oisdaunn geh‘ mas aun:

Die Qualität der Produkte erachte ich für selbstredend und wird von mir sozusagen vorausgesetzt und als gegeben betrachtet. Die Preiskalkulation ist daher völlig in Ordnung.

Was mich immer wieder in Begeisterung versetzt, ist die sogenannte Gänsehaut. Am Körper sprichwörtlich ist sie am Gansl wortwörtlich und Herr Christian bemüht sich um diese Nuance offensichtlich. Logischerweise wird das nicht mit jedem Stück einer Gans gelingen, aber das ist für mich eine Note und Markenzeichen geworden und jo, i steh drauf.

Dementsprechend weist diese Haut dann auch eine göttliche Knusprigkeit auf, die man anderswo nicht erhält, oder nur in Ausnahmefällen.

Wie so viele Gerichte fleischlicher Art lebt das Ganze von seinem Safterl, ohne dem der gesamte Genuss nicht einmal halb so aufregend wäre. Und dazu gehört diese Adresse zum meinen Top-Favoriten. Sicher machen andere ein Gansl auch sehr gut, aber da geht immer noch ein Kick mehr.

Die Beilagen wurden manchmal kritisiert, auch von meinen Begleitern das gebe ich zu, wobei Rotkraut und Knödel nicht wirklich nachhinken, lediglich das Weißkraut würde ich persönlich sogar weglassen. Das sei mein subjektives Geschmacksempfinden. Ich denke an Qualität mangelt es nicht, aber die Säure ist mir zu stark.

Aber Hand aufs Herz, die totale Perfektion gibt es nirgendwo auf dieser Welt und man kann gewisse Elemente schlicht weglassen, am Gesamtgenuss ändert das rein gar nicht, Rudis Gansl ist meine Nummer 1 in Wien. Fragt sich halt nur wie lange noch? ☹


Favorit 4 – Marillenpalatschinken - 6,40€

Um auch ein repräsentatives Schmankerl aus der Süßfraktion anzusprechen erwähne ich kurz noch die Marillenpalatschinken, die man auch per Stück bekommt, soweit ich mich erinnere.

Meine ersten gemeinsam mit Sohnemann werde ich hier nie vergessen. Man könnte sagen die Knie wurden weich und folgten bedingungslos dem Teig nach, der auch so was von wunderbar weich und gehaltvoll war, und dazu die Marmelade mir kräftiger Säurenote eine Vollendung an Perfektion.

Ich muss aber zugeben, dass sie bei späteren Besuchen nicht mehr diesen Flash verursacht haben, aber summa summarum waren sie weiterhin sehr gut. Soweit dazu.


Ambiente:

Das Lokal selbst ist klein, eng und wie halt solche Beisln dieser Art sind auch überladen mit Wandbildern zugepflastert. Der Blauton gehört aber zum Markenzeichen. Für mich ist es ein typisches: Naja, is halt so. Klein ist fein aber zu klein schlägt bei mir ins Gegenteil.

Was mich echt stört ist die Tischgröße. Auch wenn das Beisl klein ist, und es seitens des Wirts vielleicht nicht anders geht, aber auf einem 60-er Tisch zu zweit essen wird zu einer Herausforderung. Ich war im Frühjahr einmal zu viert hier, davon einer ein 170kg Brocken, der wusste halt nicht mehr wohin mit seinen Haxen und saß fast schon wie nebenan und der Tisch war dabei mit Tellern übersät.

Aber es gibt Gott sei Dank auch einen Schanigarten, der etwas geräumiger und besser ausgestattet ist. Den bevorzuge ich daher für meine Rudis-Besuche in der warmen Jahreszeit. Nur, in der Gansl-Zeit muss ich mich dann halt nach der Decke strecken. Gäb’s den Schanigarten nicht, wäre meine Note für das Ambiente keine 3, so aber passt’s wieder


Abschließende Kommentare:

Herr Christian W. plaudert sehr gerne mit seinen Stammgästen, drinnen klassisch an der Theke, und er kommt nicht selten bewaffnet mit einem Schnapserl auf Haus zum Tisch um ein paar Takte zu schwafeln. Das gefällt mir, denn in der Küche ist‘s eh wie in einem Gefängnis mit verschärften Haftbedingungen. Man gönne ihm also diesen Häfenurlaub.

In den Genuss bin ich auch schon gekommen, wiewohl ich kein Stammgast bin. Aber scheinbar hat ihm der Kellner mitgeteilt, da draußen sitze ein recht zufriedener Gast und so wurde er auf mich aufmerksam. Diese Art seine Gäste ebenso zu schätzen wie ich dessen Küche samit Wirt ist eine Serviceleistung, die ich für ein Beisl sogar als unverzichtbar halte.

Ein echtes Beisl lebt von dieser Art Kommunikation und beschränkt sich nicht nur auf das brave Aufnehmen, Servieren und Abservieren der Speisen und Getränke. Apropos Getränke, die sind hier zu kurz gekommen, erfüllen aber für meine Begriff die Beisl-Anforderungen.

Falls Rudis Beisl alsbald Geschichte ist, so geht halt wieder ein Alt-Wiener Beisl verloren, jedenfalls das unter der Führung eines begnadeten Kochs wie Herrn Christian W., aber schau ma moi, ob er nicht auch einen würdigen Nachfolger findet. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
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