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21. Jänner 2018
Kurz vor Abfahrt des Zuges, es erwarten mich wohl neun oder mehr Stunden durch's lawinengebeutelte Vorarlberg, will ich mich noch präventiv voll stopfen, das aber trotzdem möglichst fein. Da liegt das Sechuan in Favoriten mir am nächsten. Leider hat es wegen Ferien geschlossen.
Das Kent habe i... MehrKurz vor Abfahrt des Zuges, es erwarten mich wohl neun oder mehr Stunden durch's lawinengebeutelte Vorarlberg, will ich mich noch präventiv voll stopfen, das aber trotzdem möglichst fein. Da liegt das Sechuan in Favoriten mir am nächsten. Leider hat es wegen Ferien geschlossen.
Das Kent habe ich seit etwa vier Jahren auf meiner Liste, es hat aber an Interesse verloren, zu oft habe ich kritische Stimmen darüber gehört. Die wichtigsten meinten, es sei einfach nicht mehr so gut wie früher.
Das Lokal scheint am Sonntagmorgen vor allem von Familien frequentiert zu werden. Ich setze mich an einen kleinen Tisch, gleich neben der Tür, unter der Stereoanlage, die relativ altmodische Diskofolklore abspielt, durchaus mein Stil. Familien kommen und gehen, viele mit identisch angezogenen Kindern, so wie es auch bei uns zu Hause der Brauch war, kurz nach dem Krieg. Wow, hätte nie gedacht, dass ich das mal schreibe. Aber irgendwie passt es hier, in Österreich.
Der Kellner ist ziemlich rasch zur Stelle, nicht übermässig interessiert an mir, ich habe dafür Verständnis. Ich wende meinen Standardtrick an und bestelle, nebst Linsensuppe, Bohnengulasch mit Lammfleisch und einem Hirtensalat einen grossen Chai. Das gehört zu meiner üblichen Strategie, inoffensiv in den Wald hinein zu rufen. Ich weiss um die Gräben.
Die Linsensuppe ist recht gut, sie kommt mit dem typischen Zitronenschnitz, auf dem Tisch stehen die Chilikerne. Sie könnte aber durchaus aus dem Packerl kommen. Fein, aber einfach.
Dazu ein ganzes Fladenbrot, in Stücke geschnitten. Es ist frisch, aber nicht erwärmt. Passt zur Suppe und gewiss dann auch zum Bohnengulasch, welches ich ausdrücklich mit viel Saft bestellt habe. Der Salat lässt auf sich warten, ich habe aber keine Zeit für lange Korrekturen und warte einfach mal ab. Und wirklich, er stellt mir das Bohnengulasch auf den Tisch, ohne ein Wort über den Salat zu verlieren. Er wird auch nicht mehr nachgeliefert werden, er wurde schlicht vergessen.
Da das Bohnengulasch wirklich unterdurchschnittlich ist, verzichte ich auf eine Bemerkung zum Salat. Im Detail: Ich finde drei Stückchen Fleisch im Teller, der mit nicht ganz weich gekochten Bohnen und viel Saft gefüllt ist. Der erste Blick gilt dem Fettrand: Er fehlt!
Mein Verdacht: Es handelt sich um ein Fertigprodukt, sicher hausgemacht, da, wie ich heute schon geschrieben habe, fast alles wird in einem Haus gemacht. Aber wohl kaum im Kent. Ich tippe auf zugekauft. In der Küche werden einfach noch ein paar Stückchen Fleisch beigemengt (äh, drei...). Bei uns zu Hause kaufe ich ein besseres, aber ähnliches Bohnengericht, nur ohne Fleisch, es wird in Dosen zu 800 Gramm zu etwa 2.50 € verkauft. Das gehört zu meinem ständigen Notvorrat, aufgewärmt und aufgebrezelt schmeckt mir das sehr gut. Genau genommen ist mein Dosengericht besser als das Gericht im Kent. Dose: 3 Punkte. In meiner Küche aufgebrezelt: 4 Punkte (frischer Knoblauch und Chilikerne drauf, heisses Öl drüber). Kent: 2 Punkte.
Der Chai ist gut. Ich sehe noch ein paar Streusel von Teeblättern drin schwimmen, ein Zeichen für Qualität, finde ich in diesem Zusammenhang. Vom Brot bleibt die Hälfte übrig, die nehme ich jetzt mit nach Hause, das gibt's dann zum späten Abendbrot, zusammen mit den mitgeführten Käsekrainern vom Raddatz. Ich wäre übrigens besser die paar Schritte weiter spaziert, auf dem Markt steht ja grad so ein Raddatz-Imbiss.
Übrigens: Nichts war richtig heiss. Angenehm, wenn man sich nicht gerne die Zunge verbrennt. Ich habe es bedauert.

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Merci, magic. Im Februar habe ich zum Glück nochmals zwei Wochen, bevor dann Wien wieder zu teuer wird.
Dann bleibt nur noch dir eine gute Heimreise zu wünschen. Möge dir die Zeit im Zug wie im Flug vergehen! Es ist immer wieder ein Vergnügen deine Berichte zu lesen. Servus!