Besondere Anlässe erfordern besondere kulinarische Höhenflüge.
Nun, ganz so weit ging der Wagemut nicht, wir wussten, was uns erwarten würde/könnte.
Das Schick ist in der obersten Etage des Parkring-Hotels angesiedelt, d.h. am Concierge vorbei und dann mit dem Lift nach oben entschweben. Und jedes Mal, wirklich jedes Mal steh ich wie die sprichwörtliche Kuh vor dem (neuen) Tor, weil ich mir nicht merke, welcher Teil der Rauchglastür sich öffnen wird. Diesmal war ich unschuldig, bei unserer Punktlandung war die Automatik noch nicht entsperrt.
Ohne Reservierung würde ich nicht anreisen und das gibt auch schon den ersten Abzug beim Ambiente ( denn das Service wird hier nur bedingt was dafür können), Reservierung über quandoo geht nur mit Abbuchung von der Kreditkarte, und man nimmt beileibe nicht alle Modelle. Für ein noshow lasse ich mir das einreden, aber nicht als schnöden Platzhalter.
Aber gleich geht’s mit der professionellen Begrüßung ‚unseres‘ Kellners los. Ein junger Mann, voller Elan und Esprit, wusste bei den Weinen wirklich sehr viel und hat uns gut beraten. Meine Abneigung beim Aperitif gegen über dem grünen Veltliner-Getränk hat er sich gemerkt und ist elegant zur Südsteiermark ausgewichen. Routinierte Abfrage nach Unverträglichkeiten, bzw. Abneigungen und schon startet die Küche.
Genauso solide und charmant führt seine Kollegin durch den Abend, sie serviert die Gänge und hat zu die Einzelbausteine parat und auch einen gewissen Schmäh in der Präsentation. Das sage ich ihr, und sie wächst tatsächlich und buchstäblich über sich hinaus.
Bei den glasweise angebotenen Weinen (international und Inland) wird mit Sicherheit jeder fündig (rd. 7-8 EUR), wir haben uns für eine Weinbegleitung zum Menü entschieden.
Davon gab es zwei empfohlene Ablauffolgen, getauft auf Ein- und Ausdrücke, crossover ist erlaubt, im Internet gibt es noch eine vegetarische Variante (4/5/6-Gang um 69/81/98 EUR mit Weinbegleitung 34/43/60 EUR, vegetarisch etwas günstiger, Gedeck 6 EUR).
Unser Ablauf sieht wie folgt aus:
Gruß aus der Küche
Kalbsbries paniert am Staberl mit Remouladenklecks
Gaspacho von der roten Rübe mit Rahmknöderl und Safranöl
gebratene Hühnerleber auf Ahorn-Blatt mit Nuss und Kaviarperle
Beef im Baby-Stanitzel
Gedeck
drei Sorten Brot hell und dunkel
aufgeschäumte Butter und Salz
Gebirgssaibling
Fisch zart gegart, kühl serviert
mit Gurke als Sorbet, Chip und aufgeschnitten, gelbe Rübe und Sauerrahm, Gewürzöl
Steirer Branzino
Fisch – Haut knusprig gebraten, Rindermark-Tuperln mit halben Haselnüssen obenauf
Markknöderl in Gewürzen gewälzt (da habe ich gleich eingeworfen, dass das Presskuchenmehl
von der Ölmühle Resch in Leutschach hier das Mittel der Wahl wäre, nicht zu toppen)
etwas Safterl am Tisch auf den Teller aufgebracht
Milch-Lamm
zart rosa im Kern gebratene Lamm-Schnitten und etwas geschmortes Fleisch
die Melanzani auch gut durchgebraten und richtig mollig und als Creme auf der anderen Seite;
die grünen Bohnen einfach nur gekocht und alles mit Joghurt-Sternenstaub getoppt
Labonca Sonnenschwein (google says: Labonca ist ein Biohof in der Steiermark)
Das Fleisch ordentlich gebraten, die Austernpilze und die kleinen Zwiebeln gut geschmort,
von der Sojabohne ein Püree und von den Grammeln einmal die Variante Brösel over all und
tatsächlich ein kleine Knöderl gefüllt damit
Affinierter Bergkäse
auf einer kleinen runden Kletzenbrotscheibe liegt einmal der Käse als Laibchen und darüber auch
noch fein gerieben ein kleines Gupferl davon, an der Seite ein Chutney und einen Sorbet-Nocke
von der Kirsche, karamellisierte Honignüsse und drübergeträufelt ein 15jähriger Balsamico
Schokoriegel
der Hinguck-Burner – die weiße Schokolade als Lego-Stein und als Mousse,
der Rotwein im Geleewürfel, die Brombeeren und Salzkaramellfragmente rundherum
Kürbiskernöl
das war dann eher der Weggucker – hat mich optisch nicht so angesprochen, Farbencrash
hier der Rotwein als Eis, begleitet von der Birne als Mousse-Tupferln, das glänzende Etwas
weiß ich bis heute nicht, wonach das schmecken sollte, ein paar Kürbiskerne und das Öl
‚Hinauswerfer‘
zum Kaffee wird eine sehr eigenwillig geformte Porzellanplatte serviert
Mini-Zitro-Gugelhupf, Karamellwürfel, gefüllte Mini-Pralinen, selfmade-Gummibärli
den Kracker im Leinsamen-Kramuri habe ich vergessen – hat keinen Eindruck hinterlassen,
kein Wunder nach vielen Stunden des Essens
Für das Ambiente kann das Lokal schon mal den Mega-Ausblick über Wien für sich verbuchen, d.h. unbedingt am Fenster reservieren, in der zweiten Reihe sitzt man schon an der rückseitigen Wand, Platz ist für rund 40 Personen.
Eindeckung, Geschirr und Tischwäsche sind natürlich vom feinsten, Quellwasser wird laufend in Karaffen nachgebracht und nicht verrechnet, zumindest bei unserer Rechnung. Unbedingt nach dem Essen noch einen Stock auf die Terrasse raufgehen und sich den Wind um die Nase wehen lassen.
Fazit:
Nichts für alle Tage, aber dann wäre es ja auch alltäglich, einfach einen Anlass suchen und sich verwöhnen lassen, großes Kino. Die einzelnen Komponenten lassen sich zu jedem Zeitpunkt rausschmecken, die Texturen sind manchmal überraschend, aber so soll es ja sein, gut gewürzt, für mich persönlich hätte es sogar bei manchen Gängen etwas stärker sein können; wir kommen sicher wieder.
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