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Experte
am 26. März 2019
SpeisenAmbienteService
Das Gasthaus Möslinger also.

Die Spannung war groß, hatte doch Testerkollege Stammersdorfer eine Rezension geschrieben, die mein Interesse sehr geweckt hat. Ich darf morgen für zwei Tage einen Technikbetrieb in Rom auditieren, danach für eine Woche American Airlines in Dallas, TX (1000 Flieger, höchst spannend), insofern wollte ich diesen Abend echte Wiener bzw. in diesem Fall auch Waldviertler Traditionsküche genießen. Also flugs online reserviert, das Lokal verfügt über eine angenehme HP, die Reservierung wurde umgehend per Mail bestätigt. Im Laufe des Nachmittags kristallisierte es sich dann heraus, dass sich der reservierte Termin um 17:30 nicht ausgehen wird, also rief ich an, verschob den Termin um eine Stunde, auch dies kein Problem.

Beim Eintritt in das Lokal die erste Überraschung. Angenehm freundlich, hell, stimmig, ansprechend dekoriert, ohne den Gasthauscharakter aufzugeben, aber auch mit einem angenehmen entstaubten, sauberen Flair. Die Wände sind weiß, die Deko vorwiegend grün, Rapidfans könnten sich im Himmel wähnen. Das Lokal ist blitzsauber, gemütlich und wirklich nett dekoriert. In gebeizten „Steigen“ sind große, bauchige Schnapsflaschen aufgestellt, im vorderen Teil des Lokals, wo auch die Schank ist, gibt es einen Shop mit allerlei Waldviertler Schmankerl, sowie eine gute Auswahl an Weinen. Geraucht wird draußen, wo aber ein Stehtisch mit Aschenbecher das Rauchen auf der Gasse durchaus angenehm gestaltet.

Die Tische sind hübsch in weiß eingedeckt, auffällig ist, dass sich die Besitzer dazu entschlossen haben, den Boden mit Teppich auszulegen. Vorteil für die Akustik, Nachteil fürs Flair, hier wäre ein schöner Holzboden meine erste Wahl.

Wir werden freundlich von einem der zwei jungen Chefs begrüßt und kurz darauf reicht uns eine Service-Dame die Karten und frägt auch nach unseren Getränkewünschen. Wasser (still) für die Liebste, mit Kugerln für mich. Dazu ein Vierterl Big John, leider die einzige Cuvée, die glasweise ausgeschenkt wird. Hier wäre etwas mehr Kreativität ein Plus, eine Cuvée ist ok, Big John ist jetzt halt auch nicht ein Wein, der den Herzschlag beschleunigt.

Bei der Frage der Liebsten, welche der 4 angebotenen Zweigelt empfehlenswert wäre, gerät die Dame im Service etwas ins Schleudern, indem sie uns mitteilt, dass sie erst seit zwei Tagen hier ist, wohl aus der Gastro kommt, allerdings aus einem Lokal, in dem es nur Weiß, Rot und Pfirsich gab. Ah ja.

Eh lieb und durchaus sympathisch, der Hilfefaktor für unser Problem, den richtigen Zweigelt zu wählen geht allerdings gegen Null.

Die richtige Antwort wäre wohl gewesen: “ich hole jemanden, der Ihnen helfen kann“, das sollte man der wirklich sehr bemühten Dame möglicherweise noch ans Herz legen.

Wir wollen uns vorab eine Portion Beef Tatar vom XO Rind (Milchkühe, die mindestens 10 Jahre ein schönes Rinderleben auf der Weide genießen durften und deren Fleisch mindestens 7 Wochen unter kontrollierten Bedingungen reifen konnte) teilen, das will doch auf alle Fälle probiert werden.

Thematisch beim Thema XO Rind bleibend orderte die Liebste ein Entrecote (medium) mit Grillgemüse, ohne die Braterdäpfel als zweite Beilage. Und bitte ohne Kräuterbutter, wie es in der Karte steht.

Liebste und ich schütteln den Kopf ob dieser Unart, ein Steak mit einem Klecks dieser Tubenbutter (am schlimmsten ist es, wenn sie gefroren auf das Steak portioniert wird) zu vergewaltigen.

Nicht falsch verstehen, Butter kann wunderbare Dinge mit einem Steak machen, in Ruth’s Chris Steakhouse in Amerika werden die Steaks erst bei 400+ ° gegrillt und kommen dann, immer noch „sizzling“ heiß, in eine Gusseisenpfanne auf ein großes Stück Butter. Unglaublich.

Anyway, ich schweife ab. Für mich soll’s als Hauptgang eine kleine Portion Beuschel sein.

Auftritt der Vorspeise: eine nette Protion Tatar, in Begleitung eines (verpackten) Stücks Butter, einem Salatblatt, einer Kirschtomate als Deko, sowie mit 4 Toastecken. Auf unseren Wunsch bringt unsere Servicedame eine Schüssel mit 4 kleinen, getrockneten Chilischoten. Frisch geschnittene Chili wären hier wohl besser, aber die getrockneten Schoten liefern auch den nötigen Pep.

Das Beef ist geschmacklich einwandfrei, mehr noch, wirklich tadellos, wenn auch die Konsistenz am Anfang etwas gewöhnungsbedürftig ist, weil sehr dünn. Abgeschmeckt wurde das Tatar mit einer Senf-Paradeiser-Marinade, die Paradeiser deutlich zu erschmecken. Und doch, obwohl ich eher Fan von festerem, geschnittenen Beef bin, - meine amerikanischen Freunde würden sagen: „it grows on you“. Der Geschmack wurde von Bissen zu Bissen besser, einfach eine gute, etwas eigene Interpretation eines Klassikers, jedenfalls aber mit einer Top-Fleischqualität zubereitet.

Oben drauf waren einige Zwiebelringe drapiert, hier wäre zu überlegen, die Zwiebeln eher fein zu hacken, weil dies das Abmischen erleichtern würde. War aber auch so sehr, sehr gut.

Auftritt Entrecote: Ein stattliches Stück Fleisch, perfekt medium gegart kam auf einem ebenso stattlichen Bett von Grillgemüse daher, der Geschmack des Fleisches wirklich ausgezeichnet. Die Liebste war im Steakhimmel. Großes Kino, großes Kompliment an die Küche.

Mein Beuschel war ganz nahe am besten Beuschel, das ich je genießen durfte. Ein wenig mehr Säure hätte dem Beuschel gut getan, sonst war es schlichtweg perfekt. Speziell die Textur fiel auf, nicht zu fein geschnitten, noch mit Biss, aber trotzdem wirklich fein verarbeitet. Darauf eine Scheibe eines in Butter gerösteten Semmelknödels, tadellos.

Eigentlich waren wir schon mehr als satt (einen Teil des Entrecotes ließen wir uns sogar einpacken, schließlich soll auch Cookie, unser Hündchen, in den Genuss dieses guten Fleisches kommen), dann wurde am Nebentisch eine Portion Apfelspalten serviert. Gut, daran führt dann doch kein Weg vorbei, man bekommt dieses klassische Dessert trotz oder vielleicht wegen seiner Einfachheit ja leider nicht sehr oft angeboten.

Und dieses Dessert konnte die Hauptspeisen nicht nur ergänzen, sondern auch toppen. Bessere Apfelspalten haben wir noch nicht gegessen, meine Mutter selig verzeihe mir.

Abschließend noch ein paar Worte zum Service:

Die Dame im Service war auf Grund der kurzen Zeit, in der sie im Gasthaus Möslinger arbeitet, wohl noch etwas unerfahren, aber doch sehr freundlich und bemüht. Ein bisschen Schulung, ein wenig Feinschliff, dann wird das noch. Zu lange sind die Wartezeiten vor leeren Gläsern und die Bestellung eines weiteren Achterls passiert dann aktiv, nicht vom Service nachgefragt oder angeboten, das darf nicht sein, das ist messbarer Umsatzverlust.

Auch wird keine Dessertkarte gereicht, die Apfelspalten musste ich aktiv beim Chef an der Schank ordern, auch das sollte nicht sein. Aber wie gesagt, alles Feinschliff und Arbeitsprozesse, die man einer motivierten Mitarbeiterin durchaus beibringen kann.

Ein zweiter Herr im Service frägt zwar brav nach, ob alles in Ordnung war, nimmt sich aber nicht die Zeit, die Antwort abzuwarten. Dann besser nicht fragen, so hat es ein bisschen was von einem Coitus Interruptus.

Die Musik im Lokal wäre auch noch zu überdenken, heute wurden wir u.a. mit einem James Bond Song von Duran - Duran berieselt, was uns irgendwie sehr ratlos zurückließ. Es müssen nicht Zithermusik oder Pianoklänge sein, aber irgendwie sollte man als Gast das Gefühl haben, die Musik wurde bewusst gewählt, um das Ambiente zu unterstreichen, nicht einfach „irgendwas“.

Für insgesamt 6 Achterl, Mineral und Leitungswasser, Beef Tatar, Entrecote, Beuschel und Apfelspalten wurden insgesamt runde € 100,00 inkl. Trinkgeld fällig, für uns ein durchaus angemessener Preis für einen schönen Abend mit gutem Essen und Trinken in höchst angenehmen Ambiente.

Wir werden definitiv wiederkommen und können das Gasthaus Möslinger definitiv empfehlen. Mit ein paar kleinen Handgriffen könnte man die Serviceleistung der Küche und dem Ambiente angleichen, das täte dem Lokal gut.

Es werden alle gängigen Karten akzeptiert, auch das finde ich sehr sympathisch. The choice of plastic is and shall remain mine. ☺
Bärlauchsuppe, sehr fein, allerdings etwas dünn - Gasthaus MÖSLINGER - WienCordon Bleu, kleine Portion, tadellos - Gasthaus MÖSLINGER - WienGemischter Salat - Gasthaus MÖSLINGER - Wien
Hilfreich11Gefällt mir9Kommentieren
4 Kommentare

Die Innereienauswahl ist lobenswert. Die Schank wunderbar. Preislich ein Gasthaus/Restaurant. In der Liga Wiener Gasthaus gibt es einiges an Auswahl. Vergleichbar mit Heidenkummer, Meixner, Renner, Ringsmuth, Stern. Auch die Wahlmöglichkeit der "Kleinen Portion" ist gut. Für mich persönlich eine Spur zu teuer.

27. Mär 2019, 20:46·Gefällt mir1

Und es wäre durchaus interessant, was Meidlinger dazu sagen würde. Ein tolles Gasthaus und doch mit dem Rüstzeug, auch zeitgemäß zu bestehen.

26. Mär 2019, 21:33·Gefällt mir

Ja, durchaus. Viel Potential, gute Qualität, gutes Handwerk. Danke für die Empfehlung.

26. Mär 2019, 21:31·Gefällt mir

Freut mich das es euch gefallen/geschmeckt hat HGL und lg vom 331iger.....

26. Mär 2019, 21:14·Gefällt mir1
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