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Di, 16. April 2024

Mama & Der Bulle - Bewertung

Gastronaut
Experte
am 11. Dezember 2018
SpeisenAmbienteService
Das Flat Iron Steak ist schnitttechnisch praktisch ident mit dem, was man in Österreich als Schulterscherzel“ bezeichnet und was bei uns gerne als günstigerer Tafelspitz-Ersatz für gekochtes Rindfleisch verwendet wird. Es ist ein wunderbares Stück Fleisch, das bei uns aber wegen seiner Faser-Struktur niemals als Steak gesehen wurde. Logisch, das Schulterscherzel ist ja ein langfaseriges Fleisch und bräuchte daher längeres Kochen oder Schmoren um weich zu werden. Die Idee daraus doch Steaks zu machen kam den Huths auf einer Reise nach London. Dort wo die Tafelspitz-Kultur eher wenig angesiedelt ist, wird das Flat Iron schon lange als Steak zubereitet. Der Zugang ist ein anderer als bei Rump, Porterhouse, Ribeye oder Filet, das Ergebnis kann aber spektakulär sein. Inspiriert von den Berichten von Gabi und Robert Huth hat sich deren Küchenchef Thomas Bös dem Flat Iron angenommen, experimentiert und war maßgeblich an Entstehen des neuen Lokals mitverantwortlich. Folgendes wird gemacht um dieses Nicht-Steak zum Traum-Steak zu machen. Die Flat Iron Steaks werden im Sous Vide Garer auf knapp 20 Grad gebracht um Faser-Schocks beim Grillen zu verhindern, wobei natürlich die knapp 1000 Grad des Infrarot-Oberhitze-Grills dann natürlich schon etwas schockierend sind. Das Rasten ist beim Flat Iron wahrscheinlich wichtiger als bei allen anderen Steaks, aber das Entscheidende ist dann der Aufschnitt. Alle Steaks werden hier dünn aufgeschnitten serviert zwar immer quer zur Faserung. Das macht dann jede Scheibe automatisch kurzfaserig soll einen schönen Biss ergeben. Würde man das idente Stück Flat Iron falsch aufschneiden, wäre das Bissverhalten ein ganz anderen und nicht unbedingt der gleiche Genuss. Soviel zur Theorie, nun zur Praxis.

Wir starteten mit einem Bacon Cheeseburger, der natürlich ebenfalls einen hohen Anteil Flat Iron enthält. Das Patty ist sehr fein faschiert und handgestempelt. Das führt dazu, dass das Fleisch sich ein wenig zusammen und dann nach oben zieht. Soll heißen, das Patty wird kleiner und dicker. Thomas Bös empfiehlt hier die für Burger fast schon ungewöhnliche Garstufe medium-medium well. Auch wenn ich meine Burger sonst höchstens medium esse, hat die Garstufe bei diesem Burger absolut Sinn gemacht, zum einem wegen der Dicke und zum anderen wegen der Beschaffenheit des Schulterscherzels. Hui, heute bin ich technisch. Der Bacon Cheeseburger kam in einem getoastetem Brioche-Bun daher, der Bacon befand sich interessanterweise obendrauf. Insgesamt war das ein fantastischer Burger, mit einem sehr viel mürberen Mundgefühl als bei anderen Varianten. Gleichzeitig hat der Burger wegen seiner feinen Faschierung auch sehr viel weniger Saft verloren, was aber nicht heißen soll, dass es trocken war. Robert Huth schwört übrigens auf den simpelsten Burger der Karte, der schlich und einfach nur Flat Iron Burger heißt und die pursten Fleischaromen verspricht…

Nun aber zum Steak. Unser Flat Iron Steak wurde medium rare-medium bestellt und kam auch exakt so an den Tisch. Im absichtlich sehr niedrig angesetzten Preis von 13,80 Euro sind außer einem halben Maiskolben keine weiteren Beilagen inkludiert. Die meisten Leute bestellen Pommes Frites dazu, was Küchenchef Thomas Bös schade findet, ist er doch eher von seinem gekochten Spinat, seinem getrüffelten Püree und seinem überbackenen Karfiol überzeugt. Wir probierten von Allem. Den überbackenen Karfiol gibt es in mehreren Varianten und auch als vegetarische Hauptspeise. In unserer Beilagen-Version kam er mit Parmesan und Olivenöl daher, hatte einen schönen Biss und ist tatsächlich eine schöne Alternative zu Pommes Frites. Damit wir von denen aber auch hatten, probierten wir eine Portion mit geschmolzenem Käse und Jalapenos. Zwar waren letztere überraschend extrem scharf, die frittierten Kartoffel aber keine Offenbarung. Das gilt auch für den „Cremigen Blattspinat“, der zu cremig für Blattspinat und zu zäh für Cremespinat war. Gleichzeitig war er auch vom Geschmack sehr verhalten. Etwas Knoblauch hätte hier schon Berge versetzt. Umso großartiger war dann das getrüffelte Erdäpfel-Püree. Das eigentliche Püree war bereits traumhaft – danke Butter! – und das Trüffelaroma wurde hier perfekt dezent eingesetzt. Für mich ist das Püree eindeutig die beste Beilage zum Steak.

Das Flat Iron Steak selber hat für mich ohne Übertreibung zu den besten Fleischstücken gezählt, die ich seit langem gegessen habe. Die dünnen Scheiben sind wunderbar mürbe und zerfallen dennoch auf der Zunge. Wir haben zum Steak die selbstgemachten Saucen dazu bestellt, nachdem es in den Huth-Lokalen bekanntlich die wahrscheinlich beste Aioli der Stadt gibt. Und die Saucen waren auch toll. Gebraucht hätte ich sie aber nicht, denn das Steak war für sich schon eine unerwartete Aromabombe.

In „Mama & der Bulle“ wird zwar in Sachen Steak in erster Linie auf das Flat Iron gesetzt, das auch 90% der dort verkauften Steaks ausmacht. Der Rest besteht aus laufend wechselnden anderen Spezial-Schnitten. Wir probierten noch ein Tri Tip Steak. Diesen Schnitt kennt man bei uns sonst als längst vergessenes „Bürgermeisterstück“ oder manchmal auch als „Hüferlschwanzerl“. Sowohl intramuskulär als auch außen besitzt das Tri Tip sehr viel mehr Fett als das Flat Iron. Richtig zubereitet bedeutet das dann einen tieferen, fleischlicheren Geschmack – eh klar – und mehr Röstaromen, aber verlangt gleichzeitig auch etwas mehr Arbeitsleistung beim Kauen. Ich gehe jetzt mal soweit und sage, dass man das Flat Iron mit einem tollen Rumpsteak bis hin sogar hin zum Filet vergleichen kann und das Tri Tip mit einem saftigen Ribeye. Soll aber auch heißen, dass das Tri Tip auch für sich schon ein wirklich schönes Steak ist.

Insgesamt ist das „Mama & der Bulle“ eine sinnvolle Erweiterung des Huth-Imperiums. Im unteren Stock wird auf Hochtischen gegessen, im oberen Stock auf gewohnter Dining-Höhe. Die Gin-Karte ist mit der der besten Steakhäuser vergleichbar und die Steaks natürlich auch. Dabei ist der Preis für die Steaks tatsächlich ein schlagendes Argument, denn die 13,80 Euro für das Flat Iron oder 14,80 Euro für das Tri Tip sind nahe dran an geschenkt. Ja, natürlich kosten Schulterscherzel und Hüferlschwanz auch im Einkauf weniger als Filet, Beirid, Rostbraten und Ribeye, aber diesen Preisvorteil geben die Huths ja auch weiter. Und vor allem wird hier bewiesen, dass man auch mit günstigeren Fleischstücken zaubern kann, wenn man sein Handwerk versteht. Und das steht bei Gabi & Robert Huth und ihrem Küchenchef Thomas Bös vollkommen außer Zweifel.
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Hilfreich15Gefällt mir10Kommentieren
4 Kommentare

"...hat sich deren Küchenchef Thomas Bös dem Flat Iron angenommen..." "Des Flat Irons". Schwierige Konstruktion.

13. Dez 2018, 06:29·Gefällt mir
11. Dez 2018, 16:20·Gefällt mir

Du schreibst viele Bewertungen, Gastronaut, und Du schreibst Sie gut. Diese ist eine Deiner Besten. Chapeau.

11. Dez 2018, 15:51·Gefällt mir

Ein wirklich toller Name wieder. Soll das die Vorgeschichte zum Minotauros repräsentieren?

11. Dez 2018, 09:21·Gefällt mir
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