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Fr, 29. März 2024

Pürstner - Bewertung

kuechenmeister
Experte
am 22. Juni 2015|Update 23. Jun 2015
SpeisenAmbienteService
Wir treffen uns mit Freunden beim Pürstner in der Riemergasse zum Abendessen. Das Lokal existiert offenbar seit Generationen. Mir war es bislang unbekannt, ich bin gespannt, was uns da erwartet.

„Urig“ nennt das Lokal die Atmosphäre auf der Homepage und gleich beim Eintreten merke ich, dass man sich hier bemüht, diesem Attribut gerecht zu werden. Wir stehen im Schankraum. Dunkles Holz dominiert, die Tischtücher sind kariert, Grünzeug hängt von der Decke, die Gäste sitzen auf langen Holzbänken, die Kellner tragen Lederhosen. Weiter geht’s. Der Boden besteht aus gebrannten Ziegeln mit Doppeladlerstempel. Im zweiten Raum, mit dunklem Holz getäfelt, stehen einige kleine Tische, für Pärchen passend. Im nächsten Raum ein Kachelofen, große Tische sind da, die Decken werden von überdimensionierten doppeldeutschen Spielkarten geziert. Dahinter ein Raum mit lauter Holzfässern, in der Mitte durchgeschnitten, die aus den Tischen halbe Logen machen. An den Wänden ungelenk gemalte Bildchen von Leuten in seltsamen Trachten, unter denen die Namen der österreichischen Bundesländer stehen. Im letzten Raum schließlich simuliert man einen Heurigen, Trauben hängen da, Weinlaub. Überall ausgestopftes Federvieh, das wohl vor Jahrzehnten Jagdbeute war. Alles wirkt reichlich abgenutzt, abgewohnt und mutet mir seltsam unauthentisch an. So ähnlich würde wohl ein Wiener Beisl im Disneyland aussehen. Kein Wunder, dass außer uns kaum Einheimische hier sind.

Der Kellner ist sehr schnell da und nimmt die Getränkewünsche auf. Ein Krügerl will ich, es ist rasch zur Stelle. Ein Ottakringer, aber ein etwas eigenartiges. Dunkel, malzig. Muss wohl irgendein Spezialbier sein, kein Helles. Nicht schlecht, aber bestellt habe ich das nicht.

Die Speisekarte bietet Althergebrachtes. Meine Begleiter bestellen Käsespätzle und Schweinsfiletspitzen mit Kroketten, ich ein Backhenderl. Die Käsespätzle sind auf westösterreichischem Almhüttenniveau, ganz passabel, können mich aber nicht verlocken. Das Schweinefilet koste ich auch. Das Fleisch ist tadellos, schön saftig und würzig, die Sauce cremig und geschmackvoll, die Kroketten sehen nach Convenience aus. Ich widme mich dem Backhenderl. Ein Flügerl liegt am Teller, dazu zwei Stücke, die wie Schnitzel aussehen. Ausgelöst also. Ich nehme einen Bissen vom ersten Stück. Es ist von der Brust und vorbildlich saftig gelungen. Dann das zweite Stück. Geschmacklich eine echte Überraschung. Kein Huhn, stattdessen Leber. Kalbsleber, gebacken. Da muss beim Anrichten in der Küche jemand unkonzentriert gewesen sein. Ich überlege schon, das Gericht zurückzuschicken, aber ich will nicht nach allen anderen essen, meine Freunde auf mich warten lassen. Also schneide ich das Flügerl an. Innen ist es blutig. Jetzt schicke ich mein Essen doch zurück.

Der Kellner reagiert vorbildlich, entschuldigt sich und kündigt an, dass mir ein frisches Gericht gemacht wird. Das kommt auch recht schnell, ganz frisch und heiß aus dem Schmalz und diesmal perfekt gelungen.

Als Dessert genehmige ich mir Marmeladepalatschinken. Die Palatschinken waren ein bisschen zu kurz in der Pfanne, ein paar Sekunden mehr hätten ihnen gut getan. Dennoch, recht gut sind sie.

Fazit: Ein etwas abgenutztes Touristenlokal, dessen eigenwillige „Gemütlichkeit“ Einheimische wohl eher befremden dürfte. Professioneller Service. Klassische Gerichte aus der Wiener Küche, ordentlich zubereitet, für Innenstadtverhältnisse moderate Preise.
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