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Fr, 29. März 2024

Émile - Bewertung

dieBrotvernichter
Experte
am 7. September 2014
SpeisenAmbienteService
Schmaler als die Tische in der Hilton-Brasserie waren nur noch die Speckstreifen im Burger. Auch die Länge wird durch die halbrunde Tischplatte verkürzt. Ein äußerst bemühter Koch mit viel Ahnung von guten Zutaten und Zubereitungsarten werkt dort in der Küche. Das was dabei raus kommt, findet man in kleinen Staub-Cocottes auf Schiefersteinbrettern serviert. Nur finden die Service-Leut keinen Platz dafür am Tisch. Suche vergebens - den gibt es einfach nicht.

Der Empfang von den jungen Service-Leuten ist nüchtern aber nett. Passt genau zur Raumgestaltung. Jugendstil mit braunem Leder in Krokodil-Prägung und damit auch der Hang zur Moderne. Einiges an schwarzer Farbe. Das macht die Tische leider nicht nur optisch schlanker. Tischbeine aus Metall im matten Goldton. Nimmt sogar den Beinen den Platz weg und jetzt wissen auch wir nicht wohin mit unseren Gliedmaßen. Die gepolsterten Lederrückenlehnen der Sitzbänke verbessern den Sitzkomfort gar nicht. Ganz im Gegenteil. Zumindest passt die schwarze hintergrundlackierte Glastischplatte ins Interieurkonzept und das ist auch dem "Chef" ganz wichtig: es ist eine moderne Brasserie im Jugendstil. Und in einer Brasserie stehen nunmal kleine Tische. Angeblich. Der "Chef" hätt's da aber auch mit der passenden Musikauswahl ein bisserl genauer nehmen können. Die Clubloungebeats im Hintergrund passen dort überhaupt nicht hin. Wir glauben nämlich, dass sowas in einer Brasserie eigentlich auch nicht gespielt wird.

Ein teurer - nein, Spaß war's leider keiner - Mittwoch-Abend. Sich die Szenerie dort schön trinken, hat auch nicht geklappt. Nicht nur, dass dort ein Achterl von einem Weißwein € 6,00 kostet, wobei die ganze Flasche im Handel nur die Hälfte davon wert ist. Sondern auch das Leitungswasser (0,75 Liter) mit € 4,50 berechnet wird steigert unser Wohlbefinden als Gast überhaupt nicht. Hätt' der Oude Kaap
Chenin Blanc wenigstens geschmeckt, wär's ja egal. Aber leider nein: Beim Geschmack aller 4 verkosteten und nur halb getrunkenen Weine, hätten wir besser beim Wasser vom Hahn bleiben sollen.

Beim freitäglichen "Schaufensterblättern" sind wir neugierig auf die beschwärmte Bouillabaise geworden und wir wollen wissen, ob's denn stimmt, was Die Presse da versprochen hat, dass das momentan die beste der Stadt ist. Also das steht schon fest: die wird unsere Vorspeise. Im Emile wird die Bouillabaise klassisch mit Sauce Rouille und Baguette als Hauptspeise um € 12,00 angeboten. In der Lokalität und um den Preis sicher keine große Portion. Aber wir wollen natürlich noch Burger-Essen. Da muss schon noch Platz bleiben. Der hungrige Haken hat da so eine Vorahnung und würde ja mit dem großen Starken mehr als geschwisterlich teilen. Aber nein, der mit mehr Lebenserfahrung besteht auf zwei mal Bouillabaise vorweg. Die mit mehr Bouillabaise-Erfahrung gibt halt nach und besteht auf eventuelle Resteverwertung des Hungrigen mit ganz großen Augen. Der willigt ein und wir geben die Bestellung auf. Zur Fischsuppe einmal dieser Chenin Blanc und ein Henri Bourgeois Sancerre Blanc „Les Jeunes Vignes“ (€ 9,00).

Als Sattmacher dann den Burger vom schottischen Premium-Rind (€ 18,00). Da sind nur Pommes Frittes dabei und nur Gurke, Paradeiser und Salat innen drinnen. Nein, das ist uns nicht genug. Bitte noch bei beiden Speck und Käse rein (€ 3,00). Gut kein Problem. Medium? Ja, bitte. Dazu soll's dann kräftiger werden. Barone Montalto Nero D‘avola Cabernet Sauvignon (€ 6,00) und ein F. Jeantet Côtes du Rhône (€ 6,00).

Natürlich wurde die Flasche gebracht und schwulstig präsentiert - ein Kostschluck eingeschenkt. Bei einem Billigwein wirkt das fast lächerlich. Aber gut, wir spielen mit und er schmeckt einfach nicht. Die Erwartungen waren groß an die Weine. Auch wenn die günstig im Einkauf sind, hätten die von der Geschmackscharakteristik der Rebsorten großes Potenzial. Gutes muss nicht immer teuer sein und wenn's teurer verkauft wird, muss es nicht gut sein. Und besser kann's schon gar nimma werden. Da dort die Weinauswahl grundlegend fragwürdig ist, bleiben wir dabei und schieben das vorab auf das fehlende Knabberzeug. Unser Gaumen hatte noch kein Warm-Up.

Eine Flasche mit Bügelverschluss kommt mit Leitungswasser auf den Tisch. Es wird schon eng. Es ist zwar auch für Gedeck ein kleiner Teller da und auch ein schickes Buttermesser. Das bleibt aber alles noch recht lang unbenutzt und kommt erst zum Einsatz beim Synchronstart: Denn die resch knusprig innen weichen wirklich frisch gebackenen Knusperspitze (5 Stk.), mit einem ehrlichen Kornspitzaroma und einer Rundumbestreuung von geschältem Sesam dazu passend eine luftig aufgeschlagene Thymianbutter kommt plötzlich gleichzeitig mit leicht gebutterten und knusprig angerösteteten Baguettescheiben, die sich die Riesenbretter mit der bouillabaisegefüllten Cocotte und einem Kupferstieltopf in Miniaturausgabe, der mit Sauce Rouille befüllt war teilen. Alle sind wir plötzlich überfordert. Wir versuchen mit den beiden Serviceburschen alles zu schlichten, damit wir's bei uns unterbringen. Dann haben wir's doch geschafft aber dann wussten wir nicht, mit was von den guten Dingen wir beginnen sollen. Das war uns zu viel vom guten Essen und viel zu wenig Platz. Echt schade, beim Weinservieren haben wir dieses perfekte Couvert (€ 2,00 p.Person) wirklich vermisst und jetzt wo die warme Suppe schon da ist, müssen wir Prioritäten setzen.

Kein Platz mehr für unsere (Unter-)Arme am Tisch zum Ablegen. Knigge würde sagen: recht so, das tut man auch nicht. Wir sagen dazu: was "man" tut, interessiert uns nicht. Wir wollen's locker, wir mögen's leger - einfach gemütlich. Das funktioniert dort aber nicht.

Die Bretter sind ein guter Showeffekt. Vergrößern nur optisch, die Portion der Bouillabaise wär' für eine Hauptspeise tatsächlich zu klein. Aber tatsächlich ist diese die beste Fischsuppe von Wien bis Berlin, die wir je gegessen haben. Der Fond ist voller Geschmack, da wurden auch Hummerkarkassen verdampft. Feines Julienne-Wurzelgemüse als Bonuseinlage. Satte Farbe. Orangemetallic - die winzigst kleinen Fettaugen lassen den Sud leicht glitzern. Feine nur ganz leicht aber trotzdem eine dezent sämige Konsistenz. Bei der Geschmacksperfektion wär' keine Rouille nötig gewesen, aber die gibt noch ordentlich Safran-Verstärkung in pastellgelb. Ahja, da waren noch 3 Meerestiere mit dabei: eine kleine Jakobsmuschel, ein kleines Stück Wolfsbarschfilet und eine Garnele. Garpunkt perfekt. Das ist Kochkunst. Geschmeckt hat's ausgezeichnet und wir sind verblüfft aber ja, wir sind eigentlich schon fast satt. Diese Suppe ist eine konzentrierte Protein- und Nährstoffbombe. Als Burger-Vorspeise sogar für uns ungeeignet.

Die Geschmacksrichtung der Weißweine haben perfekt zu Bouillabaise gepasst. Aber das Geschmackspotenzial wurde nicht ausgeschöpft und gut wurden die auch mit dem Essen nicht. Die Gläser waren auch nach der Vorspeise noch nicht leer.

Wir werden von den Brettern und vom leider kaum verspeisten Gedeck befreit. Darauf vergehen keine 10 Minuten. Und da sind sie. Nein, nicht die Rotweine auf die wir gehofft hatten. Sondern die nächste Bretterlieferung im Konvoi. Die Küche hat's eilig. Wir eigentlich eh auch, weil wir kriegen Platzangst. Lang' halten wir das da eh nicht mehr aus. Also ist es uns ganz recht. Aber zum roten Fleisch fehlt uns einfach noch der bestellte Rote zum Trinken. Wir warten noch kurz. Der Käse war einmal angeschmolzen und ist schon beim Servieren wieder in Gummikonsistenz regressiert. Der schmale Speck macht's ihm nach. Das Burgerbrot ist vorbildlich: ein glänzendes Brioche mit Sesambestreuung. Die Schnittflächen nur und zu wenig angeröstet. Soweit einmal vorgetastet und erforscht. Gegessen noch nicht. Wir wollen doch noch den Rotwein dazu.

Wir urgieren. Und er wird wieder präsentiert, eingeschluckt und naja leider schlecht. Aber egal - passt schon. Da gibt's nix Besseres im Programm. Wir konzentrieren uns wieder auf den Burger. Messer und Gabel sind zum Bewältigen und zum Glück nötig. Beim Anschneiden merken wir das Fleisch wirklich schon fast püriert und nicht faschiert. So feine Struktur. Eher ungewöhnlich. Das Fleischlaibchen hat eine perfekt abgerundete Form und wirkt sehr "sauber". Grau außen, keine Röstung abbekommen und somit auch kein rauchiges Aroma. Innen rot, roh. Komisch. Keinesfalls gleichmäßig, da hätt' das Laberl noch mehr Zeit gebraucht. Das Burgerbrioche zu süß abgeschmeckt. Da wünscht man sich lieber Marmelade drauf statt Essigurkenscheiben, Fleisch und Salat. Die Barbecue-Dip-Sauce zu den Pommes Frites (mit angeblich Fleur de Sel) wird zwar von der Küchenmannschaft zubereitet. Ist aber eine rauchige homogene Sauce aus Paradeisern. Übersetzt: Ketchup und Raucharoma. Naja. Passt gut, ist auch im Burger vertreten. Also leider nicht viel Abwechslung am Brett. Die Pommes-Frites sind aber sehr gelungen. Den Rotwein wollten wir gar nicht mehr austrinken.

Tja, da haben wir's wieder - wie beim Wein so auch in der Küche: die Idee stimmt aber in der Ausführung wird das Potenzial nicht ausgeschöpft. Das Servier-Timing ist holprig und selbst in das Brasserie-Konzept könnte man mehr Flair, Gemütlichkeit und größere Tischplatten unterbringen. Jetzt wollen wir da nicht mehr hin, obwohl die Karte so viele gute Gerichte (abseits des Burgers) in Aussicht stellt.
Hilfreich10Gefällt mir9Kommentieren
3 Kommentare

Eigenartig, weil die Bouillabaisse so vorzüglich war.

7. Sep 2014, 18:48·Gefällt mir

Eigenartiger Betrieb?

7. Sep 2014, 18:35·Gefällt mir

Eigenartiger Betrieb, gut beschrieben!

7. Sep 2014, 18:31·Gefällt mir2
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