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Fr, 29. März 2024
Apicius
am 6. November 2013
SpeisenAmbienteService
Das für eine Landeshauptstadt besch...eidene Lokalangebot von St.Pölten wurde in diesem Forum schon öfters thematisiert. Vollends problematisch wird es, wenn man außerhalb des Zentrums der weitläufigen Stadt zu tun hat und dort Hunger bekommt. Das Restaurant Alt-Wien, im gleichnamigen Hotel, etwa auf halbem Weg zwischen Altstadt und Autobahnausfahrt St.Pölten Süd, direkt an der Mariazeller Straße, der sechsspurigen Nord-Süd-Magistrale gelegen, hat sich in letzter Zeit, seitdem ein sympathisches portugiesisch-tschechisches Ehepaar die Geschäfte führt, als brauchbare Option erwiesen, in einer Gegend, in der man kaum anderes findet als Spelunken, in denen Sandler schon vormittags ihre Notstandsunterstützung verflüssigen.

Das an sich geschmackvolle Jugendstilinterieur könnte eine Renovierung vertragen, zumindest den Maler könnte man wieder mal kommen lassen. Etwas wohnlicher zeigt sich der als Raucherbereich fungierende Wintergarten, allerdings mit Ausblick auf die Verkehrshölle Mariazeller Straße. Ruhig dagegen der hofseitige Garten neben dem eigenen Parkplatz.

Die Küche bietet die üblichen Wirtshausstandards und Wochentagsmenüs um EUR6,40, die sich ab und an aus dem Mittelmaß der Systemgastronomie erheben: So unlängst eine schön rauchige Rollgerstlsuppe mit Selchfleisch und einen Stephanibraten, gefüllt mit Ei und Frankfurter Würstel. Auch ein Hirschgulasch ist mir noch erinnerlich, an sich tadellos bis auf die unsachgemäß aufgewärmten und somit mikrowellengehärteten Serviettenknödel. An Nachspeisen kann man sich an Palatschinken und Mohr im Hemd delektieren, vor dem zeitweilig mit Tischaufstellern beworbenen armenischen Honigkuchen Marlenka hüte man sich hingegen, das ist aromafreie, picksüße Industrieware, anscheinend ein kulinarisches Relikt aus der verblichenen Sowjetunion.

Der interessanteste Aspekt des Lokals ist allerdings eine Auswahl von Weinen aus - man glaubt es kaum - Tschechien! Die Biertrinkernation Nr.1 besitzt im Elbtal nördlich von Prag und in Südmähren zwei kleine, aber hochwertige Weinbaugebiete. Aus letzterem stammen auch die hier gereichten Kreszenzen: Ein aus der Rebsorte Dornfelder gekelterter vollmundiger, samtiger Roter mit herrlichem Abgang und ein Grüner Veltliner, der sich deutlich säureärmer und extraktreicher, mit schönen „Kirchenfenstern“, präsentiert als die meisten seiner Weinviertler Nachbarn.

Was das Service wirklich draufhat, erfährt man erst, wenn die Bude voll ist, und das habe ich dort noch nie erlebt, obwohl die Küche, wenn auch nicht haubenverdächtig, nicht schlechter ist als im „Roten Hahn“ oder im „Graf“, die beide ständig förmlich überrannt werden. Da es immer freundlich und zur Stelle war, scheinen mir vier Sterne dennoch angebracht.
Hilfreich11Gefällt mir8Kommentieren
7 Kommentare

Schlechte Nachrichten: Der gute tschechische Wein ist ausgesoffen (was zum erhebliche Teil mein Verdienst war) und wird erst im Jänner wieder geliefert :-(

28. Nov 2013, 09:47·Gefällt mir

Ich kann kein Chinesisch!

8. Nov 2013, 09:05·Gefällt mir

@Schllitzauge: Feichang ganxie!

8. Nov 2013, 01:04·Gefällt mir

Interessante Bewertung, gut geschrieben und angenehm zu lesen. Obwohl, bei der Rhetorik - da geht noch mehr! ;-)

7. Nov 2013, 21:01·Gefällt mir1

Selber Experte! ;)

7. Nov 2013, 13:12·Gefällt mir

Lob aus Expertenmund freut mich besonders!

7. Nov 2013, 13:10·Gefällt mir

Sehr informative Bewertung - vielen Dank :-)

6. Nov 2013, 16:07·Gefällt mir
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