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Experte
am 8. September 2013
SpeisenAmbienteService
Es gibt Lokale, die bewertet man, weil sie noch niemand bewertet hat. Es gibt Lokale, die bewertet man, weil manches, vieles, oder alles schief gelaufen ist. Und es gibt Lokale, die bewertet man, weil man voller Zufriedenheit nach einem gelungenen Nachmittag inklusive kulinarischem Höhepunkt nach Hause kommt und sich sagt: „Genauso soll’s sein, perfekt war’s.“ Und genau das ist heute der Grund für meine Bewertung.

Nachdem die Wetterfrösche angekündigt hatten, dies wäre das letzte schöne und sommerliche Wochenende für längere Zeit, gelüstete es die Liebste und mich nach einem Ausflug. Nun spukten mir Herrn Weinrat’s Bewertungen über das Restaurant Nigl schon länger im Kopf herum, sowohl die Liebste als auch ich sind seit Jahren Fans von Nigls Veltliner und Muskateller, und schon einmal hatte es uns nach Senftenberg verschlagen, leider allerdings außerhalb der Öffnungszeiten des Restaurants. Aufgelegt also, diesen Samstag einem ausgedehnten Restaurantbesuch beim Nigl zu widmen. Die Reservierung für einen Tisch im Garten wurde prompt per Email bestätigt und los ging’s.

Senftenberg liegt etwas nördlich von Krems, ein kleines, verschlafenes Ortschafterl abseits der touristischen Trampelpfade der von uns trotzdem sehr geliebten Wachau. Das Restaurant Nigl liegt sehr malerisch unterhalb der Ruine Senftenberg in einem sehr, wirklich sehr schönen Winzerhof mit einem unglaublich gemütlichen und schönen Garten. Die Erwartungshaltung war ob der vorangegangenen Reviews sehr groß, ebenso auch unser Hunger.

Wir wurden freundlich zu unserem Tisch begleitet, konnten auch zwischen einigen Tischen wählen, obwohl der Garten beinahe voll war. Die Speisekarten wurden umgehend gereicht und auch die Erstbestellung der Getränke (Gelber Muskateller, € 3,20 für die Liebste, Grüner Veltliner Gärtling, € 2,90 für mich) wurde prompt aufgenommen.

Die Karte ist nicht überbordend groß, dennoch ist die Auswahl nicht leicht. Von Schnitzel bis Beuschel über allerlei Vorspeisen finden sich viele bekannte Verdächtige der bodenständigen österreichischen Küche, aber auch Stubenküken, knuspriger Saubauch oder Rindsfilet, sowie einige Fischgerichte werden geboten. Sehr angenehm fällt auf, dass auf der ersten Seite der Karte die Lieferanten der Produkte aufgeführt sind, alles regional, bio und von bester Qualität, so verlässt man sich beim Rind auf niemand Geringeren als den „Dry-aged“ - Papst Höllerschmid, auf dessen Website schon das Motto zu lesen ist: „Weil nicht wurscht ist, wo’s herkommt“. Stimmt, dem ist nichts hinzuzufügen.

Wir entschieden uns für:

Rindsuppe mit Wiener Einlagen für Beide (à € 3,90), einmal das Rindsfilet mit Gnocchi und Kräuterseitlingen (€ 27,50) für die Liebste, auf Wunsch medium – rare (und ohne Gnocchi), mich lachte der knusprige Saubauch mit Kren und Pastinaken (€ 17,50) an, klang so herrlich nach Sünde, das muss einfach probiert werden.

Vorab wurde das Gedeck (€ 3,- p.P.) serviert, ein rustikales Schneidbrett mit Baumrinde, auf dem sich dünn geschnittener, geräucherter Speck, etwas Butter, sowie ein Gläschen mit Schweinsleberpastete befanden. Klein, fein, und unwahrscheinlich gut. Dazu wurde selbst gebackenes Brot gereicht. Der Speck reiht sich ung’schaut in die Riege der besten Specke ein, die ich jemals kosten durfte. Die Pastete: ein Traum, herrlicher, echter Geschmack, eine leicht körnige Konsistenz, einfach perfekt. Dazu frisches, knuspriges Brot, hell, dunkel und mit Walnüssen. Needless to say, wir aßen das Gedeck und auch das Brot auf, und langsam keimte in uns der Verdacht auf, dass dieser Nachmittag in einer kalorischen Apokalypse ausarten würde, von Wegen Suppe und Hauptspeise kommen ja auch noch, und vor allem im Wissen, dass wir an den auf der Karte erwähnten Zwetschkenknödeln eher nicht vorbeikommen würden.

Kurz darauf wurden die Suppen serviert, zwei Teller mit den Einlagen (Grießnockerl, ein kleiner Leberknödel und etwas Frittaten), die Suppe selbst wurde aus einer rustikalen, blauen emaillierten Kanne eingeschenkt, eine witzige Idee. Die Suppe selbst war gut im Geschmack, wenn auch der Koch in Punkto Salzgehalt sehr auf unsere Gesundheit bedacht war. Der Leberknödel flaumig und geschmacklich einwandfrei, die Frittaten sehr gut, einzig das Grießnockerl hatte für mich etwas zu wenig Biss.

Auftritt der Hauptspeisen: Der Liebsten Rinderfilet war auf den Punkt zubereitet, medium – rare, zwei Filetscheiben, auf etwas Jus und einer ordentlichen Portion Kräuterseitlinge, die mit Zwiebel geröstet worden waren, gebettet. Wer Höllerschmid kennt, weiß, dass es fleischtechnisch nicht mehr viel Luft nach oben gibt. Ein perfektes Filet, tadellos im Geschmack und ebenso tadellos zubereitet. So macht essen wirklich Spaß. Gute Produkte, handwerklich perfekt und mit Liebe zubereitet. Die Pilze harmonierten wunderbar mit den gerösteten Zwiebeln, eine glatte 5 von der Liebsten.

Der Saubauch: zwei Stücke Schweinsbauch, zart geschmort mit knuspriger Schwarte und, für einen Schweinsbauch unglaublich wenig Fett. Sehr zart, gut im Geschmack, begleitet von zwei Pastinaken, etwas Jus, Kren und – ich denke – Bierrettich (den ich schon olfaktorisch nicht mag und daher ausließ.) Die Pastinaken noch mit richtig Biss, eigentlich alles sehr, sehr gut. Ich mag’s allerdings etwas würziger, der Saubauch, obwohl von bester Qualität, war mir dann doch etwas zu mild. Ist aber mein persönlicher Geschmack, ein klassisches „Bratl“ wäre wahrscheinlich mehr Meins gewesen.

Obwohl schon mehr als satt konnten und wollten wir der Versuchung nicht widerstehen, eine Portion Zwetschkenknödel zu probieren. Die freundliche Kellnerin machte uns korrekterweise darauf aufmerksam, dass die Knödel zwanzig Minuten dauern würden, kein Problem. Die Zeit vertrieb ich mir mit meinen zwei obligaten Ristretti (Hausbrandt, vom Feinsten, kräftig und wirklich kurz), dazu einen hausgebrannten Marillenschnaps vom Nigl Senior, um mich zumindest der Illusion hinzugeben, ich könnte irgend etwas gegen das nunmehr sehr präsente Völlegefühl tun. Beim Schnaps zeigt Herr Nigl, dass er nicht nur viel von Weinen versteht. Selten habe ich einen so guten Marrillenschnaps in Österreich getrunken.

Der letzte Akt – das Dessert: Zwei flaumige Grießknödel, mit je einer Zwetschke bestückt, einige Zwetschkenhälften drum herum, daneben zwei Arten von Joghurt. Einmal cremig und geeist, einmal weißer, luftiger Joghurtschaum. Unwahrscheinlich. Ich hatte zwar das Gefühl, gleich zu platzen, das Dessert wurde trotzdem mit etwas Hilfe der Liebsten verputzt.

Der tadellose Nachmittag schlug sich mit € 89,50 zu Buche, mehr als nur angemessen für exzellente Speisen, guten Wein, tadellosen Service und ein Ambiente, in dem man wirklich lange sitzenbleiben möchte.

Nun, wenn wir schon hier sind, bietet es sich ja an, ein paar Flaschen Wein mit nach Hause zu nehmen: Nigl Senior, Junior und Frau Junior luden uns in die Verkostungsstube ein und bei einem sehr sympathischen Plauscherl durften wir uns durch so ziemlich die gesamte Nigl-Weinwelt in Rot und Weiß kosten. Sehr sympathisch, freundlich, die Nigls, wir hätten noch Stunden dort verbringen und mit ihnen über Wein und die Welt philosophieren können. Wir brachten eine weit größere Menge guter Tropfen, als ursprünglich geplant, nach Hause, jetzt, wo ich diesen Bericht schreibe, blicke ich auf die 15 Kartons Nigl in meinem Arbeitszimmer, die ein oder andere Flasche wird’s in Senftenberg aber sicherlich noch geben. ;-)

Ein wahrlich perfekter Tag, trois fois chapeau an die sympathische Familie Nigl und ihr gesamtes Team, und ein Dankeschön an Herrn Weinrat, dessen Bewertungen uns zu diesem Ausflug inspiriert haben.
Geschmorte Rindsroulade mit Tagliatelle, tadellos - Restaurant Weingut Nigl - SENFTENBERGTafelspitzsülzchen mit Eierschwammerln, unglaublich gut, geht nicht besser. - Restaurant Weingut Nigl - SENFTENBERGAvocados in Tempurateig, sehr gut - Restaurant Weingut Nigl - SENFTENBERG
Hilfreich19Gefällt mir15Kommentieren
3 Kommentare

Es sprechen so viele Dinge für einen Ausflug dorthin: der Garten, echt gute Küche, preislich für das Gebotene mehr als in Ordnung, die wirklich sympathische Familie Nigl und erst die Weine ...

8. Sep 2013, 20:18·Gefällt mir

@lehla: vielen Dank für den wirklich sehr netten Kommentar! @woody: richtig, verdient hat er's, und wie! Und ich wollte mit meinem Bericht natürlich keinesfalls Deine wirklich sehr gute Review schmälern, weinrats multiple Berichte waren halt in meinem Kopf! @weinrat: danke für das Kompliment! Der Saubauch war wirklich fein, mir persönlich ein touch zu mild. Ein würziges Schweinsbratl ist mehr mein Ding. Nächstes Mal probier' ich das Beuscherl, sicher auch ein Hammer.

8. Sep 2013, 19:48·Gefällt mir1

Schön, dass der Fanclub weiter wächst. Der Nigl hat's verdient. Da passt einfach alles. Tolles Review - wer noch nicht dort war sollte die letzten schönen Tage nutzen!

8. Sep 2013, 19:01·Gefällt mir1
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