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Fr, 29. März 2024

Gasthof Aue - Bewertung

adn1966
Experte
am 19. August 2013
SpeisenAmbienteService
Von Mittwoch bis Samstag zog es die Liebste und mich nach Lienz/Osttirol, einerseits, um gute Freunde zu besuchen, andererseits um bei den Dölsacher Bauerntagen vorbeizuschauen. Die Dölsacher Bauerntage sind eine wahrlich interessante Tradition, der wir bereits zum zweiten Mal beiwohnen durften. Seit etwa 20 Jahren veranstalten einige Bauern aus dem Dorf Dölsach, etwas außerhalb von Lienz gelegen, eine Art Dorffest, das man sich ähnlich den Winzerfesten in bekannten Weinorten vorstellen kann, wo die meisten Winzer eine Art „open house“ veranstalten und man von Winzer zu Winzer zieht, um zu verkosten.

Bei den Bauerntagen geht es noch ein wenig weiter, jeder Bauernhof (private Betriebe, keine Gastronomie, wohlgemerkt, statten ihren Hof mit Tischen, Bierbänken, Zelten, etc. aus, es gibt Live Musik, Tanz und, vor allem, sensationelle Küche aus hausgemachten und regionalen Produkten. Beeindruckend, wie private Familien, unterstützt von Freunden in Küche und Service, quasi ohne jede Gastro-Erfahrung hunderte Leute bekochen und mit Getränken versorgen. Needless to say, auch Biere und Schnäpse fließen in Strömen und so ziehen hunderte Leute aus der Gegend, aber auch „Zuag’raste“, also Besucher wie wir, von Hof zu Hof. Wirklich sehenswert.

Im Zuge unseres Besuchs aßen wir eines Abends in einer größeren Runde im Gasthof Aue, auch ein wenig außerhalb von Lienz gelegen, genauer gesagt in Assling, direkt an der Bundesstraße Richtung Italien. Der Gasthof, der auch eine Pension ist, hat einen sehr schönen Garten, wir beschlossen jedoch ob der etwas frischeren Temperaturen am Abend drinnen zu speisen. Die Einrichtung ist rustikal und gemütlich, gleichzeitig ein weinig eleganter, als viele der typischen Landgasthäuser in der Region. Ein junges Geschwisterpaar führt das Haus, und nebst guter Küche wird auf sehr freundlichen und persönlichen Service großen Wert gelegt, was wir an diesem Abend mehrfach feststellen konnten. So wurde z.B. nicht nur ein „Reserviert“ Schild auf den für uns vorgesehenen 10-er Tisch gestellt, es gab ein bedrucktes Billet mit „Herzlich Willkommen, Fr. R. und Freunde“ und einigen Infos über das Lokal.

Das Lokal hat leider keine Homepage, nur eine Facebook-Seite, daher konnte ich die genauen Öffnungszeiten im Nachhinein nicht in Erfahrung bringen.

Die Speisekarte bietet gutbürgerliche österreichische Küche, besonders hochgelobt war im Vorfeld das Hirschgulasch, sowie die Dessert-Spezialität des Hauses, hausgemachte Crèmeschnitten, geworden.

Wir bestellten:

Vorab ein Vitello Tonnato für die Liebste, für mich eine Frittatensuppe. Als Haupstpeise wählte die Liebste einen gebratenen Saibling, en lieu von „auf Blattsalaten“ auf gegrilltem Gemüse, für mich sollte es das hochgelobte Hirschgulasch sein.

Zuerst ließ die Küche grüßen, die Grußbotschaft enthielt ein Steinpilz Risotto mit einem fein geschnittenen Streifen gegrillten Speck, sowie in Begleitung von selbst gebackenem Brot. Ein mächtiger Gruß, obviously gut gemeint, aber als Gruß viel zu reichlich. Lediglich der Teller, auf dem die Köstlichkeit serviert wurde (und köstlich war’s sehr, das Risotto) erinnerte größenmäßig an Küchengrüße. Stellt man sich die gleiche Portion in einem Hauptspeisenteller vor, sie ginge glatt als Hauptspeise durch. Der Speck knusprig und sehr schmackhaft (wir sind immerhin in Tirol), das Brot eine echte Sensation. Eine glatte 5 für das Risotto, die Portionsgröße ließ allerdings Schlimmes für den Rest des Abendessens ahnen.

Und so war’s dann auch. Das Thema „exzellent gekocht, aber VIEL ZU VIEL“ zog sich wie ein roter Faden durch die folgenden Gänge. Gut gemeint, aber man kommt an der Frage nicht vorbei, wer solche Mengen verdrücken kann. Auch optisch wäre hier weniger mehr, die Zeit der übervollen Teller ist doch schon irgendwie vorbei.

Die Suppe: eine kräftige Rindsuppe, herrlich im Geschmack mit guten hausgemachten Frittaten, es finden sich auch reichlich Gemüsestreifen in der Suppe. Das Vitello Tonnato: Auch hier eine glatte 5, perfekt abgeschmeckt und sehr zartes Rindfleisch. Obwohl wir zu diesem Zeitpunkt bereits wirklich, wirklich satt waren, kam der Hauptgang. Der Saibling perfekt gebraten und gut im Geschmack, auf einem (Doppel)bett von gegrilltem Gemüse serviert. Auch hier: simply too much. Das Hirschgulasch kam in ebenso stattlicher Menge in Begleitung von hausgemachten Spätzle und einem Berg Rotkraut daher. Hervorragend im Geschmack, die Spätzle genau so, wie man gute, hausgemachte Spätzle erwartet, das Rotkraut ebenfalls perfekt. Der Hirsch zart und g’schmackig, - ein wirklich tadelloses Gulasch, obwohl die Portion auch hier nicht zu schaffen war.

Hier hätten wir eigentlich dem wirklich prominenten Sättigungsgefühl nachgeben sollen und das Dessert auslassen müssen, allein – wie kommt man an den bereits im Vorfeld immer wieder als absolutes „Must“ hochgelobten Crèmeschnitten vorbei?

Ich ging („rollte“ wäre ob des Satt-seins vielleicht passender) mit der Liebsten also erst einmal in den Garten, um meine zwei obligaten Espressi ristretti und das ein oder andere Zigaretterl zu genießen (das Lokal ist mit Ausnahme eines Schankraums ein Nichtraucherlokal). Beim Espresso schwächelt das Aue ein wenig, mein Verdacht fällt auf Nespresso (es gilt die Unschuldsvermutung), jedenfalls ist der Ristretto trotz der lokalen Nähe zu Italien von einem italienischen Ristretto ziemlich weit entfernt.

Im Speisesaal zurückgekommen wurden wir von unseren Freunden schnell überzeugt, dass KEIN Weg an den Crèmeschnitten vorbei führen würde, wir einigten uns mit dem freundlichen Chef darauf, einige Portionen auf unseren Tisch aufzuteilen.

Obwohl ich bereits das Gefühl hatte, dass selbst dieses kleine Stück Crèmeschnitte, das nun vor mir stand, zum Monty Python’schen Minzblättchen für mich werden könnte, aß ich sie auf, ganz nach dem Motto „da muss ich jetzt einfach durch“. What can I say, ich hab’s nicht bereut. Zweifelsfrei die beste Crèmeschnitte, die ich bis dato hatte, nicht zu süß, mit einer zarten Note Zitrone in der Glasur, die Crème vielleicht einen touch zu butterig. Trotzdem, sicherlich ein highlight des Abends, der das Prädikat „kalorienmäßige Apokalypse, - but in a good way“ verdient.

Die Preisgestaltung beim Gasthof Aue ist äußerst moderat, speziell angesichts der servierten Mengen. Details kann ich leider keine mehr nennen, unsere Rechnung wurde still und heimlich von unseren Freunden beglichen. Ich würde sagen, alles ist preislich auf Wiener Gasthausniveau, bei sehr hoher Qualität von Produkten und Handwerk, und bei wirklich großen Portionen. Zum Abschluss gab’s noch Schnäpse/Liköre aufs Haus, eine sehr nette Geste der Besitzer.

Fazit: ein wirklich gutes Landgasthaus mit hervorragender, bodenständiger Küche auf hohem Niveau. Man wird mehr als satt, sitzt in einem gemütlichen und doch eleganten Ambiente, es gibt einen sehr netten Garten, auch die Nähe zur Bundesstraße ist nicht der Killer, zumal das Haus etwas versetzt auf einem kleinen Platz steht. Der Service ist herzlich und freundlich, sollte jemand in der Nähe sein, ist ein Besuch beim Gasthof Aue sicherlich zu empfehlen.
Hilfreich15Gefällt mir10Kommentieren
3 Kommentare

Mmmmm, Blejska kremšnita: Link Bitte nicht auf den Boden sabbern, gell!

4. Sep 2013, 14:23·Gefällt mir1

Wer braucht schon den Villacher Kirchtag... ;-) BTW, Captain my Captain: die Cremeschnitten solltest du mal im nahen Slowenien probieren, da sind sie so richtig zuhause, irgendwo zwischen Bled, Škofja Loka, Ljubljana und Ptuj, samt traumhafter Landschaft, toller Menschen und schönen, alten Städtchen. Schon die Burgenlandkroaten bewiesen, dass die slawische Cremeschnittentradition unschlagbar ist ;-)

4. Sep 2013, 12:26·Gefällt mir1

@adn1966: Du bist selbst Schuld, wenn demnächst die Dölsacher Bauerntage dem Villacher Kirchtag den Rang ablaufen ;-)

19. Aug 2013, 22:55·Gefällt mir1
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