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dieBrotvernichter
Experte
am 9. August 2013
SpeisenAmbienteService
Steak – in Wien am besten vom Jospergrill und der steht am Franziskanerplatz. Weil die Schlemmerei im vergangenen Herbst so gut war - wieder hin zum Artner. Und wie ist es jetzt?

Freilufttemparatur 37 Grad, zu Hause gefühlte 32 Grad, Outdoor-Kochen auf der Terasse wollen wir unseren Nachbarn nicht zumuten. In Erinnerungen an die Stuttgarter Meatery schwelgend, beschließen wir bei einem früh-abendlichen Kaffee im Schanigarten: unser Herd bleibt heute kalt und wir fröhnen unserer Fleischeslust – bei einem Bio-Steak natürlich. Wir freuen uns auf ein einfaches Abendessen, auf ein schlichtes Steak von hochwertiger Qualität.

Wir kündigen uns mobil 45 Minuten vorher beim Artner an und fragen nach einem Tisch im Gastgarten. Leider nein – ist schon voll. Aber drinnen gerne. Gut, unser Gusta (sic!, wir wissen) siegt, wir essen drinnen.
Angekommen werden wir, wie gewohnt sympathisch empfangen, man lässt uns freie Tischwahl – wie so oft sind wir dann kurz mit der Entscheidungsfreiheit überfordert und nicht immer ganz eins, aber die Ebenso-Kluge gibt nach und wir nehmen Platz auf der langen Bank, an der ein Tisch neben dem anderen gereiht steht. Gleich 20 Zentimeter neben einem alten Pärchen mit dem wir uns nun die lange Bank teilen. Der Artner hat einen modern bodenständig gestalteten Innenraum, der fast kühl und düster fad wirkt aber dennoch sichtbar von schon vielen Gästen besucht wurde. Ein paar Veränderungen zur Revitalisierung des Gastraumes wären mittlerweile angebracht. Aber uns geht’s ja um’s gute Essen. Und ein bisschen Wein, darf’s natürlich auch sein.

Der junge Bursch vom Service ist sehr freundlich, bemüht und als Anfänger schon ziemlich souverän unterwegs. Fragt nach Aperitiv und will uns Speisen empfehlen. Jedoch wir sind zielsicher und entschlossen zum Steak-Essen unterwegs, daher nicht viel Drumherum. Wir wollen das Entrecote für Zwei vom Josper dazu Beilagen für Drei: Paprika-Couscous, Erdäpfel-Ringe und Grillgemüse der Saison. Bitte um eine passende Weinempfehlung.

Der junge Mann vom Service empfiehlt uns unter anderem einen Artner-Wein von seinem „Papa“ – aha also der Junior. Nach der informativen Ansprache zu den Weinen, werden unsere wortkargen Sitznachbarn unrund und dann fallen ihnen doch noch einige Wörter zur Beschwerde über den jungen Herrn, der mit seiner Rückseite ständig ihren Tisch beim Servicieren von uns berührt, beim Restaurantleiter ein.

Uns gefällt seine Erklärung zum Rosenberg Cuvee vom Markowitsch und wir nehmen 2/8 davon. Dazu wird uns das in Wien kaum noch wegzudenkende und übergehypte Marketingwunder „Joseph-Brot“ serviert mit gesalzener Butter, die aus Frankreich kommt. Schade – in Österreich gibt es so gute Rohmilchbutter. Wär‘ uns zum Regional-Brot schon lieber gewesen. Der Rote passt. Ist uns nichts Negatives daran aufgefallen aber auch nichts Positives. Bestellen würden wir ihn uns nicht noch einmal. Vor allem nicht zum Preis von € 8,60 pro Achterl.

Die Wartezeit auf’s Steak wird durch die Anwesenheit und Nähe unserer Sitznachbarn gefühlt unendlich in die Länge gezogen, obwohl die reale Zeit von der Bestellung bis zum Servieren nicht viel länger als 15 Minuten gedauert hat. Soviel zur Relativitätstheorie. Wir haben leise über Tischwechsel diskutiert, der wäre dann aber sowieso nicht mehr möglich gewesen. Diese aufgereihte Sitzbankanordnung gefällt uns nicht unbedingt, schon gar nicht beim Essen und noch viel weniger, wenn’s mit dem (Sitz-)Nachbarn nicht harmonieren will. Für Letzteres kann halt der Artner nix.

Sobald aber unser Steak mit Olivenölpipette und Sauce Bernaise medium-well done serviert wurde und dazu die bestellten kleinst portionierten Beilagen – haben wir’s geschafft unseren Fokus weg vom Menschlichen hin zum Wesentlichen zu orientieren.

Zum Glück hatten wir vorher noch Brot, weil die Sättigungsbeilagen werden im Artner ihrem Namen nicht gerecht. Zumal sie doch schon sehr gut schmecken. Das Gemüse (Zuckerschoten, Karotten, Zucchini, Melanzani und je eine schmelzende Cocktailparadeiser) schön knackig gegrillt, die Erdäpfelringe wie Kroketten zubereitet und der Couscous mit Paprikafuzerl schmackhaft aber unauffällig. Der banalen Bitte nach Ketchup wurde mit einem herzlichen Lächeln entgegengekommen. Und es harmonierte wunderbar mit der Sauce Bernaise – so findet die Fleischtigerkatze. Das Steak, für uns das Beste bislang in Wien – vielleicht liegt’s am Josper? Dennoch: wir vermissen eine Meatery in Wien.

Es hat sich nichts verändert im Artner. Das Klo im Kellergewölbe mieft noch immer und es feuchtelt – aber da sind wir nicht zimperlich. Das Steak schmeckt noch immer toll - pur, nur mit wenig Salz und Pfeffer gewürzt. Es hat seinen angemessenen Preis und das ist ok. Die Beilagen sind gut aber zu wenig und dafür zu teuer. Der Wein war mittelmäßig und dazu verhältnismäßig verdammt hochpreisig. Das hat uns überrascht, da wir keinen Blick in die Weinkarte geworfen haben, sondern uns rein auf die Empfehlung verlassen hatten. Vertrauen ist gut, Kontrolle noch viel besser. Das wär‘ uns kein Achterl wert gewesen. Die Rechnung war dann ebenso hoch: gut € 100,00 für ein einfach gedachtes Abendessen. Hauptspeise und dazu ein Achterl Wein. Schade, wir kommen nun nicht so bald wieder.
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1 Kommentar

Joseph als Marketingwunder - Markowitsch allerdings auch. 8,60 für ein Achtel von seinen selten sortentypischen Weinen dürften auf den Promiwinzerbonus zurückzuführen zu sein. Nicht mit mir.

14. Aug 2013, 20:04·Gefällt mir3
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