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Mi, 24. April 2024

Seehof - Bewertung

Pressesprecher
am 7. Juni 2013
SpeisenAmbienteService
Gelistet in: Lochau - Lakeside
Wenn ich den Seehof mit einem Zitat beschreiben soll, wähle ich eines von Paul Stanley: „If you want to hate us, God bless you! If you love us, that's great too. If you're in the middle... get out!” Tatsächlich entzieht sich der Gasthof am Norden Bregenz (korrekte Postanschrift ist „6900 Lochau-Tannenbach“) zwischen See und Pfänder weitestgehend konventionellen Bewertungskriterien.

Das es sich um etwas Außergewöhnliches handelt, wird bereits vor dem Besuch durch die Rezeption der Website klar, die sequentiell in Postkartenform aus Gästeperspektive gestaltet ist. Auch zahlreiche Blicke in den abgewetterten Wintergarten und die darin sichtbare Dekoration beim Vorbeispazieren unterstreichen den etwas anderen Eindruck.

Im Detail: Bei der Stiege am Eingang begegne ich Chef Philipp Egger. Der gut gekleidete Herr ist gerade dabei, das Entree für die BesucherInnen herzurichten und nimmt mich mit in die gute Stube. Bereits am Eingang wird darauf hingewiesen, dass das Paffen von Zigarren nicht gerne gesehen wird. Dafür gibt es sonst überall Aschenbecher und gegen ein Zigarettchen in Ehren hat man nichts einzuwenden. Rechts vom Eingang hat Gattin Andrea eine kleine Boutique, vis-à-vis ist die Rezeption, genau vor mir ein Extra-Stüberl. Linker Hand geht es durch den überschaubaren Speiseraum mit dem Tresen in den Wintergarten.

Die am Tisch aufliegende Axonometrie des von Heinz Tesar, einem Rainer-Schüler, entworfenen und 1985 realisierten Wintergartens zeigt das ursprüngliche Konzept: Das Dach ist als umgedrehter Schiffsrumpf gestaltet und der Zugang war zentral geplant.

Der Chef hat wenig Berührungsängste, wir sind gleich per Du und ob der zahlreichen optischen Reize bin ich froh, dass ich die große Kamera mitgenommen habe. Fotomotive gibt es hier zahlreiche. Am augenscheinlichsten die von der Hausherrin gestaltete Dekoration, die auf dem mit mamorähnlichem Stein eingehausten „Eingang“: ein halbes Dutzend Plastik-Froschkönig-Gießkannen in Pink und Grasgrün, daneben Schafe und Hennen vom gleichen Material in ebenso knalligen Farben (Türkis, Orange, Gelb), dazwischen Maiglöckchen, Seerosen, Blech-Vespa und -Zeppelin, darüber bläuliche Fische, bunte Seepferdchen, kleine Luster und „Discokugeln“ in Scheibenform!

Jenseits der Optik weis auch die Sensorik und Akustik zu beeindrucken: ob der Außentemperaturen wird es mit zunehmender Dauer etwas heiß und der Schallpegel des auf der unmittelbar vorgelagerten L190 vorbeiziehenden Verkehrs ist auch nicht ohne. Ich ordere ein Cola und bekomme es auf einem Tablett in der Dose (erinnert mich irgendwie an Venedig). Dazu werden mir in einem Schälchen geröstete Maiskörner kredenzt.

Die Speisekarte wird mir auf einem Klemmbrett auf den Tisch gestellt. Dazu gibt es noch ein Blatt mit Klassikern, Salaten, Vor-/Nachspeisen und Seelen. Letztere sind als „schwäbische Baguette“ trefflich beschrieben. Ich wähle den Back-Hendl-Salat mit Kürbiskernöl um 11,50 Euro. Zur Überbrückung der Wartezeit bringt mir Herr Egger, der mittlerweile eine Schürze umgebunden hat, die aktuelle Ausgabe des Spiegels.

Nur 17 Minuten nach meinem Eintreffen wird aufgetischt. Das knusprig panierte, nicht ganz magere, Backhendl thront auf Vogerlsalat, Radi, Cocktail-Tomaten und Gurken. Angemacht mit Kernöl schmeckt das ganze recht ordentlich. No more, no less.

Als Dessert ordere ich, auf Empfehlung des Chefs, den von seiner Frau zubereiteten Kuchen auf Limoncello-Basis und einen Kaffee. Geliefert wird der vorzüglich Kaffee mit einem massiven Milchkännchen und aufgeschäumter Milch. Der fluffige Zitronenkuchen kommt mit einer Halbkugel Vanilleeis und schmeckt gut. Den Limoncello hätte ich allerdings nicht erraten.

Kommen wir zur Bewertung. Wie Eingangs beschrieben, gibt es eigentlich nur zwei Möglichkeiten: love it or hate it! Demnach fallen die Noten durchschnittlich aus. Die Substanz ist abgelebt, aber liebevoll ausgestaltet. Moderne Bilder und schlichte Holz-Sessel oder ein imperiales Milchkännchen und ein verdrecktes Wintergartendach begrenzen das Spektrum. Das Essen ist gut. Das Ganze erinnert aber eigentlich etwas an eine Einladung bei Freunden als an ein Restaurant. Tatsächlich kommt nach mir noch ein Pärchen, das die Besitzer offensichtlich besser kennt und man unterhält sich ausgiebig. Dadurch schwächelte auch der Chef beim Bezahlen. Das dauert etwas. Dafür kommt die Rechnung aber handgeschrieben! Ansonsten ist das Service sehr persönlich und funktional. Mein Vorschlag: Macht Euch selbst ein Bild! Ach ja: nicht zu lange Zeit lassen. Im Netz gibt es (nicht mehr ganz neue) Pläne von der „Residenz Seehof“ (Link). Sieht fesch aus, kann aber das aktuelle Flair nicht gewährleisten. Ich mach's mir einfach und gebe 3 x 3 ;-)
Der Mitte der 1980er Jahre von Heinz Tesar entworfene Wintergarten als ... - Seehof - BregenzDer Eingang befindet sich jedoch - entgegen der ursprünglichen Konzeption - ... - Seehof - BregenzParkplätze sind vorhanden. In der Gegen nicht unwichtig. - Seehof - Bregenz
Hilfreich15Gefällt mir9Kommentieren
3 Kommentare

de rien, monsieur attaché de presse.

7. Jun 2013, 23:57·Gefällt mir1

Tu es très charmant, Captain ... merci bien! :-)

7. Jun 2013, 22:22·Gefällt mir

Bei Deinen Bewertungen, pressesprecher, sehe ich allerding nur eine Möglichkeit: you gotta love them.

7. Jun 2013, 22:15·Gefällt mir1
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