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Sa, 20. April 2024

ON MARKET - Bewertung

Gastronaut
Experte
am 22. Mai 2013
SpeisenAmbienteService
Wir trauen unseren Augen nicht. Ein etwas verwirrt aussehender Lieferant trägt eine Kiste mit der Aufschrift "Boneless Roasted Duck" quer durch das Lokal, bevor er dann doch die richtige Türe findet. Irgendwie peinlich, oder?
Natürlich werden solche Convenience-Produkte in so ziemlich allen asiatischen Lokalen verwendet, aber bei Simon Hong Xie's neuem Lokal am Wiener Naschmarkt, das noch dazu ON Market heißt, hätte ich mir schon erwartet, dass hier sonst nur mit frischen Zutaten gekocht wird. Und dann den Lieferanten mit der gerösteten Fertigente zur besten Sendezeit durchs ganze Lokal laufen zu lassen ist - wie sage ich das höflich? - ein bisschen dämlich....

Ich habe mich ja auf das Aufsperren des ON Market an der linken Wienzeile gefreut wie schon lange nicht mehr auf eine Lokaleröffnung. Denn "Silent Cook" Simon Hong Xie hat mit seinem beiden Restaurants, dem ON und der Chinabar, eindrucksvoll bewiesen, dass es ein wahrer Meister der Fusionküche ist. Er selber meint übrigens, dass er gar nicht fusioniert, sondern sich bestenfalls nur inspirieren lässt und lokale Produkte in seine Kreationen integriert. Egal wie man es nennt, es schmeckt. Zumindest in der Regel...

Als Gruß aus der Küche kommt etwas, dass mich dann gleich wieder in meiner Fusions-Theorie bestärkt, nämlich Saiblings-Maki. Dieses ist ein herrlicher Beweis dafür, wie viel man sich Sushi und Maki auch mit heimischem Fisch annähern kann: Tolle Textur, intensiver Geschmack und in keinster Form fett, ölig oder tranig. Als nächstes eine kleine Vorspeisen-Variation. Im ON Market kann man sich entscheiden, ob man diese Variation mit Fleisch, Fisch, Tofu oder Gemüse haben möchte. Wir bekamen eine gemischte Variation der Variation.

Bevor ich den ersten Bissen schlucken konnte, musste ich erst einmal schlucken: Denn gekochte Hühnerherzen im Ganzen sind alleine schon optisch etwas gewöhnungsbedürftig. Beim Gedanken ans Zerbeissen der kleinen Herzkammern ist mir dann fast ein bisschen anders geworden, aber da muss man im wahrsten Sinne des Wortes durch. Die Konsistenz war zwar so hart wie erwartet, hat man sich aber erst einmal daran gewöhnt, sind diese herzigen kleinen Dinger aber richtig gut. Ebenso gut bei der Vorspeisen-Variation war das geröstete Huhn und der eingelegte Tofu. Weniger spannend waren winzige Rippchen, die praktisch nur aus Haut und Knochen bestanden. Dafür waren die leider sehr winzigen Stücke gebratenes Rinderfilet wieder einmal ein Traum auf den die Küche zurecht stolz sein kann.

Das absolute Highlight ist eindeutig ein Teller mit Sushi: Tartare vom Oktopus, Maki mit Wolfsbarsch, Sushi mit Jakobsmuschel und ähnliche Köstlichkeiten die einem auf der Zunge zerfallen und sich ins Gehirn einbrennen, liefern die Erklärung dafür, warum Simon Hong Xie so ein erfolgreicher Gastronom ist.

Und eigentlich hätten wir genau jetzt aufstehen sollen und gehen sollen, dann wären wir von ON Market - abgesehen von dem Fertigenten-Transport - wirklich mehr als fast restlos begeistert gewesen. Doch wir bekamen noch unsere Hauptspeisen.

Zum einen hatten wir das "Scharfe Maishuhn", zum anderen das "Rotgeschmorte Iberico-Schwein". Beides wurde mit fast ident aussehendem und auch fast ident schmeckendem Gemüse und einer kleinen Schale mit Reis serviert. Das Maishuhn war insofern enttäuschend, in dem es "nur" in Ordnung war. Weder raffiniert, noch besonders, noch außergewöhnlich oder ähnliches. Diesem Gericht hätte man auch zutrauen können von einem guten "Chinesen ums Eck" zu stammen. Absolutes Lowlight war dann noch das geschmorte Iberico-Schwein. Simon Hong Xie erzählte uns nachher, dass das Fleisch von Schopf stammt. Erschmeckt hätten wir das nicht. Weder die viel zu weiche Konsistenz noch der auffallend nicht-typisch-nussige Geschmack deuteten irgendwo auf Iberico-Schwein hin. Es war einfach nur viel zu labbriges Schweinefleisch mit Gemüse. Auch der vom Kellner dazu empfohlene Wein, ein Rotgipfler, passte überhaupt nicht dazu, was bei stolzen Preisen von 5,2 Euro pro Achtel irgendwie schon schade ist!

Insgesamt verließen wir das Lokal mit einem eher ambivalenten Gefühl im Magen. Die Vorspeisen waren spannend und das Sushi ein delikates Erlebnis. Dafür waren die Hauptspeisen langweilig bis mäßig. Und das Wissen um die Verwendung von Convenience-Produkten im Reich des "Silent Cook" ist auch irgendwie schade. Aber vielleicht tue ich dem Lokal auch unrecht, und in der Kiste "Boneless Roasted Duck" war eigentlich nur frischer Saibling drin. In diesem Fall nehme ich natürlich alles zu dem Thema wieder zurück...
Hühnerherzen - ON MARKET - WienIberico-Schwein und Maishuhn in fast identer Sauce - ON MARKET - WienSushi mit Jacobsmuschel
Maki mit Wolfsbarsch 
Oktopus-Tartare - ON MARKET - Wien
Hilfreich32Gefällt mir12Kommentieren
5 Kommentare
Gast123

Keineswegs ist Schopf minderwertig! Ich verwende, so wie meine Mutter schon, Schopf für Schnitzel da das Fleisch saftiger ist. Der Schopf von einem Bio Schwein ist extrem delikat und sicher nicht billig und auch nicht minderwertig

17. Nov 2013, 11:48·Gefällt mir
Unregistered

@feuinschmeckerchen83 Sie finden das lächerlich? Es gab vor einigen Monaten eine ZDF Dokumentation wo gezeigt wurde dass chinesische Restaurants diese gefrorenen Enten aus China einfliegen weil diese nur wenige Cent kosten!

8. Nov 2013, 21:39·Gefällt mir
feinschmeckerchen83

Enten aus China?haha, eher Ungarn (laut verpackung), wo die echt herkommen dass ist ????... zu 90% der asiatischen lokale in Wien werden momentan nur TK Ente angeboten, nur die wenigen machen sich heutzutage noch die mühe es selber zu kochen, weils ja TK viel schneller und einfach aber auch viel günstiger ist.

8. Nov 2013, 20:43·Gefällt mir
Gast123

Das schockiert mich jetzt aber, ich hatte doch angenommen dass ich ein so einem Lokal frische Produkte bekomme, besonders wenn ich einn höheren Preis dafür zahle. Sind die fertigenten vielleicht auch noch aus China eingeflogen worden? Da gab es erst vor kurzem eine Reportage drüber!!

7. Okt 2013, 10:21·Gefällt mir

Bedenke dass er selber nicht in der Küche kocht, und dass im Karton was anderes drinnen ist, glaub ich eher weniger. Es gibt echt wenige Lokale in Wien die das halten was Sie versprechen, schon gar nicht Lokale die einen Ruf haben. Von wegen selbstgemachte Teigtaschen und co, alles TK und die bekomme ich auch so in den Asia Märkte und kostet der ganze pkg soviel wie bei "ON" eine Portion. Soviel dazu.

7. Okt 2013, 05:01·Gefällt mir
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