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Sa, 20. April 2024
adn1966
Experte
am 1. Februar 2013
SpeisenAmbienteService
Als mir die Liebste nach einem Geschäftsessen von diesem Lokal vorschwärmte, war ich erst einmal skeptisch. Haute Cuisine in einer Passage? Schließlich überwog dann doch die Neugier und wir machten uns auf den Weg zur Oper. Der Eingang zur Albertina Passage ist neben der Frontseite der Oper, auf der Seite der Operngasse. „Dinner Club“ steht prominent auf einem großen Schild neben dem Abgang, der aus schwarzen Stufen mit violetter Beleuchtung besteht, ein Farbthema, das sich durch das ganze Lokal zieht.

Man steigt also in die ehemalige Unterführung hinab und gelangt zu einer Garderobe, wo freundliches Personal die Mäntel abnimmt und nach unserer Reservierung sieht. Ebenso freundlich werden wir zu unserem Tisch geführt, und schon beginnt das Erlebnis Albertina Passage. Das Lokal ist sehr groß, sehr gestylt und eher dunkel. Schwarz und violett sind auch hier das Thema, der Innenarchitekt durfte sich austoben. Aber das Stilexperiment ist äußerst gelungen, ein derartiges Restaurant habe ich in Wien bis dato noch nicht betreten.

Elegant ist es, sehr modern und stylish, und man hat das Gefühl, in New York, London oder sogar Las Vegas zu sein. Nicht das shiny und flashy Las Vegas, wohl gemerkt, sondern eher eine moderne und elegante Bar, wie man sie in den neueren Hotels findet. Würde Celine Dion, Paul Anka oder sogar das Rat Pack auf die Bühne kommen, man wäre nicht wirklich überrascht. Im Zentrum des Lokals ist eine große Bar und die Bühne, kontrastierend zum Rest des Lokals in weiß gehalten und hell erleuchtet. Später am Abend spielt dort ein Pianist, noch später sogar eine ganze Band. Light Jazz, typische Barklänge und Lounge Musik sind die Themen, mit denen man berieselt wird, absolut gelungen und zum Ambiente des Lokals passend.

Im Lokal selbst wird nicht geraucht, was an und Pfirsich für die Liebste und mich ein ziemlicher Wermutstropfen wäre, jedoch hat man hier eine aus meiner Sicht perfekte Lösung geschaffen: am anderen Ende des Lokals, auf dem Weg zu den (ebenso stylishen und sauberen Waschräumen gelangt man über einen Gang in eine kleinere Bar, in der geraucht werden kann. Kein verqualmtes Raucherkammerl, nein, nein, eine vollwertige Bar, in der Getränke und Kaffee bestellt werden können. Die Musik des Hauptraums wird in die Bar eingespielt, und so kann man zwischen den Gängen bzw. nach dem Essen kurz auf ein Zigaretterl entschwinden. Einfach perfekt. Der Kellner nimmt darauf Rücksicht, frägt vor dem Servieren jedes Gangs nach, ob er das Essen bringen darf, aber zum Service noch ein wenig später.

In der Küche werkt Alexander Kumptner als Küchenchef, ein ehemaliger von Werner Matt und später die rechte Hand von Reinhard Gerer. Wie man aus der Homepage erfährt, haben Kumptner/Gerer das kulinarische Konzept entwickelt. Man rühmt sich dort, einen „ ... in Wien einzigartigen amerikanischen Holzkohlegrill ...“ zu haben, auf dem Steaks auf amerikanische Art gegrillt werden. Interessant. Ferner soll „ ... eine internationale Auswahl an Speisen geboten werden, um den kosmopolitischen Flair des Lokals zu untermauern. ...“. Stimmt.

Die Karte ist übersichtlich und nicht überladen. Es finden sich vier Vorspeisen (alle so ca. € 18,-), nebst Carpaccio und Gänseleber Parfait wird ein „Steirischer Thunfisch“, 
roher Yellowfin Thunfisch mit steirischer Kürbiskernöl-Vinaigrette auf cremigen Käferbohnen mit Schafskäse und Nussbrotcracker angeboten. Interessante Kreation.
Dann gibt es Zwischengerichte, dort finden sich Suppen, Risotto, Schneckencocktail und, ins Auge springend „Kumptner ́s Trüffelei“ - „Das Ein-Stunden-Ei“ auf cremigem Babyspinat mit Périgord Trüffel.

Bei den Hauptspeisen setzt man auf Lamm, Schweinsbraten (Braten vom Ibericoschwein auf karamellisierten, gepfefferten Krautfleckerl mit Kümmelkartoffelespuma), Branzino und Steinbutt. Und natürlich auf Steak. Angeboten wird ein Dry Aged Côte de Bœuf mit Chorizo Bohnen, Blattsalaten und Sauce Hollandaise um € 32,-.

Als Gedeck (€5,- incl. Musikbeitrag) wird knuspriges Weißbrot gereicht, mit feinem Olivenöl, das der Kellner auf Wunsch mit Salz und frisch gemahlenem Pfeffer verfeinert. Das Brot bleibt auch während des Essens am Tisch wird bei Bedarf immer wieder aufgefüllt.

Nun denn, let the games begin: die Liebste wählte das Carpaccio, ich die Rinderconsommé mit Fleischstrudel, als Haupstpeise wählten wir beide das Dry Aged Steak, rare für Madame, medium rare für Monsieur.

Ein kleiner Aperitif vorab, die Weine wählten wir glasweise, weil wir uns nicht auf eine Farbe einigen konnten. Es gibt eine durchaus beachtliche Weinkarte, reichlich gute Winzer aus Österreich, aber auch Frankreich und Spanien sind vertreten. Preislich liegt man bei den Flaschen mehrheitlich zwischen 30 und 100 €, aber auch ein Chateau Lafite Rothschild um € 1.350 findet sich auf der Karte. Man gönnt sich ja sonst nichts.

Nach kurzer Wartezeit kamen unsere Vorspeisen. Das Carpaccio der Liebsten spielt in einer eigenen Liga. Hervorragend zart kommt das hauchdünne und leicht geklopfte Scheibchen vom Almochsen daher, mit ein wenig Olivenöl verfeinert, italienischen Oliven und, geschmacklich ein echtes Highlight, Schafkäsekrümel. Meine Suppe ist kräftig und gut, als Einlage finden sich zwei relativ große Stücke Fleischstrudel. Gut und reichlich, als Zwischengericht mit Aussicht auf 300 Gramm Dry Aged Steak fast schon zu viel des Guten.

Nach einer Zigarettenpause in der Raucherbar (herrlich!) kommt der Hauptgang. Zwei mal Dry Aged Steak, perfekt auf den jeweils gewünschten Garpunkt gegrillt. Hervorragend im Geschmack, begleitet von einer kleinen Schüssel pikanter Chorizobohnen. Ein Gedicht. Nicht die üblichen „baked beans“, sondern ein würziger Cocktail aus Bohnen und Paprika. Das Fleisch ist zart und wirklich gut im Geschmack, auf unseren Wunsch wurde noch ein wenig Kartoffelpüree und, zwei Schüsselchen klein geschnittene Chilischoten gereicht.

Beim Dessert mussten wir leider passen, wir konnten einfach nichts mehr essen.

Noch kurz zum absoluten Highlight des Abends, dem Service: Ambiente und Speisen verdienen ohne Wenn und Aber eine ehrliche 5, für den Service würde ich liebend gerne eine 6 geben, was natürlich nicht geht. Unser Kellner, Herr Bernhard, war perfekter Service in Person. Stets freundlich und aufmerksam kamen so viele kleine Details, die leider so selten beachtet werden. Bei der Bestellung hat er von sich aus gefragt, ob wir mit den Beilagen, wie sie in der Karte stehen, einverstanden sind, oder ob wir etwas abändern möchten. Vor jedem Gang hat er nachgefragt, ob wir schon bereit wären, kein noch so kleines Detail wie eine zu Boden gefallene Serviette, die sofort ausgetauscht wurde, entging ihm. Als ich kurz von der Liebsten Carpaccio naschte, wurde mir sofort eine neue Gabel für meinen Hauptgang gereicht. Ganz, ganz großes Kompliment für Freundlichkeit und Kompetenz. Besser kann man diese Arbeit nicht machen.

Fazit: Das Essen und Trinken in diesem einzigartigen Ambiente schlug sich mit € 150,- zu Buche, Kaffee und Grappa an der Bar nicht miteingerechnet. Kein billiges Vergnügen, aber im Hinblick auf Service, Musik, Ambiente und Qualität der Speisen durchaus angemessen.
Albertina Passage - Dinner Club - WienAlbertina Passage - Dinner Club - WienAlbertina Passage - Dinner Club - Wien
Hilfreich32Gefällt mir11Kommentieren
2 Kommentare

Mich hat der Bericht mitgerissen, das Lokal hat er auf meine To- Do Liste geführt. Perfetto Capitano!

14. Mär 2013, 17:38·Gefällt mir1

Zahlt sich doch aus, wenn man auf die Frau hört ;-) Das muss ich mir merken!

1. Feb 2013, 17:42·Gefällt mir1
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