In der Umgebung
Fr, 29. März 2024
amarone1977
Experte
am 9. November 2012|Update 10. Nov 2013
SpeisenAmbienteService
Frühstück und Abendessen in der Meierei. Oder besser gesagt: Abendessen und Frühstück. Frühstück gab’s heute am Morgen, das Abendessen liegt schon ein paar Wochen zurück.

"Teil 1" - zum Abendessen:

Wienerschnitzel vom Kalb um 17,90 Euro. Ich möchte die Meierei im Stadtpark jetzt nicht ein „Steirereck für Arme“ nennen, aber die Preise der Meierei sind dann doch deutlich „volksnäher“ gestaltet. Im gleichen Gebäude wie das feudale Steirereck, nur mit der dominanten Glasfront in Richtung Wienfluss, praktisch gelegen in unmittelbarer Nähe zur U4-Station Stadtpark.
Die Räumlichkeiten kann man in einen oberen Schankbereich und in einen treppab erreichbaren unteren Bereich unterteilen. Letzterer offeriert den Blick auf den Wienfluss, der aber nur bei Schönwetter wirklich erbauend ist.

Meierei – übersetzt ein landwirtschaftliches Pachtgut – oder einfach eine Molkerei. Das erklärt die 120 Käsesorten, die im Schankbereich einerseits hinter einer speziellen Glasvitrine versteckt werden, andererseits aber auch in hübschen Käsewagerln ausgestellt sind.

Wie sagte mal Wilhelm Busch? „Man liebt den Käse wohl – indes‘ – man deckt ihn zu!“

Wenn man jetzt geruchstechnisch ähnlich empfindlich ist wie ich (Käse, Gurken, Paprika, …), dann wird der Nachteil (oder Vorteil?) der Architektur der Meierei offensichtlich:
Es „fäult“ [fäuut] – wie der Wiener sagt. Der Geruch sammelt sich aber erstaunlicherweise komplett im oberen Bereich. Die paar Stufen nach unten zu den Tischgruppen sind also offenbar wohlweislich eingebaut worden.
Beim Frühstücken stört das also nicht. Beim Abendessen schon, vor allem dann, wenn man zuerst mal keinen Tisch bekommt, dafür aber an der Theke Platz nimmt.

Service: ein eigenwillig selbstbewusster Herr, der drei junge Damen „dirigiert“. In seiner Gegenwart eher reserviert, blüht dann eine erst auf, als ich unten einen Tisch bekomme.

Gedeck: Brot, Süßrahmbutter, Walnussbutter, Ölivenöl.

Steinpilzcreme mit Gamsfilet. Eine äußerst gelungene Kombination. Denn ohne dass das Süppchen mit irgendwelchen Tricks aufgemotzt werden muss, zeigt die Crema was sie kann. Feines Steinpilzaroma, nicht „getuned“, dafür aber mit ein paar butterzarten Gamsfilets, die wahrlich auf der Zunge zergehen. Dazu noch ein Stück Brot mit Walnussbutter, Öl, rein in die Suppe… ooch…!

Kalbsrahmbeuschel: sehr gut, mein drittes überhaupt außerhalb der eigenen vier Wände. Schnörkellos, nicht überwürzt, nicht zu salzig.

Kaiserschmarren. Der aufblühenden Kellnerin gebe ich noch die Information mit, den Zucker wegzulassen.
Gott sei Dank, was wäre wohl passiert! Der Kaiserschmarren sieht zwar am Foto gar nicht so einladend aus, aber ohne den „obligaten“ Staubzucker macht er tatsächlich optisch weniger her.
Doch der Schmarren ist noch immer viel zu süß. Er schmeckt zwar, ist auch flaumig, wie niemals einer seiner Gattung zuvor, aber warum so süß?
Mehr Zucker heißt nicht mehr Geschmack! Schade drum. Das müsste Herr Reitbauer eigentlich wissen, oder ist das der Kniefall vor dem Mainstream-Gast?
Im Steirereck würde er sich dies wohl kaum erlauben dürfen.

Trotzdem: das Fachmagazin für "Ess- und Trinkkultur", "A la carte" führt die Meierei in ihrer Sonderausgabe über Wiener Klassiker unter den Paradelokalen für Kaiserschmarren: "... in einer Qualität, die man sich von der Meierei des besten Restaurants Österreichs erwarten darf."
Keine Ahnung, was den Schreiberling bei der ansonsten sehr gelungenen Lektüre da geritten hat. Ach ja, zur Anmerkung:
den Artikel las ich gut einen Monat nach meiner Meier'schen Schmarren-Erfahrung.

"Teil 2" - zum Frühstück:

Zuerst mal ein Wort zum Ambiente. Die schreiend grün-gelbe Farbe, die da in den Bodenbeton eingerührt wurde, kommt am sonnigen Morgen wirklich gut, am Abend finde ich den Farbmix zuweilen anstrengend und wenig entspannend.

Mehrere „Frühstücksmenüs“ anzubieten ist wirklich eine feine Idee (siehe Bilder). Brot und Getränke sind übrigens extra zu bezahlen.

Meine Wahl, dabei ist die Reihenfolge nicht gemäß der Speisekarte, sondern gemäß der Empfehlung des Kellners, der zwar sehr freundlich ist, aber trotz spärlichem Besuch schon viel zu tun hat.

- Kräutertopfen mit gebeiztem Wildlachs
- 3 Käsesorten aus Österreich: Weinkäse, Bachensteiner,
Nuart’s Weißschimmel (vom Schaf)
- Schafmilch-FruFru mit Erdbeeren und Kefir
- Müsli mit gedörrten und eingelegten sowie frischen Früchten
(statt dem Käse-Omelett)
- Warmer Milchrahmstrudel mit Holunderröster

Zuerst mal ein Weißer Tee. Schönes Säckchen, trotzdem reicht er an offene Tees seiner Art nicht heran.

Kaffee (etwas später): Cappuccino, „bitte richtig italienisch“. Eigentlich müsste ich das ja gar nicht dazu sagen. Aber was kommt? Ein fader, eindeutig bitterer Milchkaffee mit einer Schaumhaube obendrauf, die an den Schaum einer vollen Badewanne erinnert, das ist jedenfalls kein Cappuccino, das können sogar einige Innenstadtcafés weitaus besser. Die "Qualität, die man sich von der Meierei des besten Restaurants Österreichs erwarten darf" (Erinnerung an "A la Carte"-O-Ton) ist das ganz und gar nicht, im Gegenteil, das ist eine handfeste Enttäuschung.

Brot, ich wollte dunkles: zwei Sorten, schön anzusehen, schmeckt auch gut.

Der Wildlachs ist eindeutig kein 08/15-Supermarkt-Lachs, nicht zu „geil“, sehr elegant, sehr fein im Biss, nicht übersalzen, angenehm würzig, fällt aber nicht so „wuchtig“ mit der Tür ins Haus wie andere seiner Art.
Der Kräutertopfen ist eine wirklich edle Sache, da war ein sehr sensibles Händchen dahinter.

3 Käsesorten: der Weinkäse ist nicht umsonst ein echter Heuler, ich mag ihn einfach. Die beiden anderen sind ähnlich weich in der Konsistenz, sehr kultiviert im Geschmack, buttrig, stinken nicht zu sehr, nicht einmal der Schafkäse blökt unverschämt daher.

Schafmilch-FruFru: nette Idee, sehr cremig fein, schmeckt nicht aromatisiert.

Müsli: endlich wieder einmal ein angesetztes Müsli, nicht einfach der übliche „Büffet-Schotter“, den man erst anrühren muss und trotzdem durch die Speiseröhre kratzt wie Schottermitzis "feine Auslese".

Milchrahmstrudel: das Problem beim Strudel ist nicht seine Machart, sondern die berechtigte Empfehlung, ihn am Schluss des Menüs zu essen.
Nur: wenn alles aus Organisationsgründen auf einmal serviert wird (Order von Reitbauer höchstpersönlich), dann ist’s schade um die Müh‘, denn der Strudel ist anfangs schön warm, aber am Ende ist er kalt und kriegt eine Haut, durch’s von mir gewünschte Aufwärmen, dem problemlos nachgekommen wird, wird die Haut noch dicker.

Schmeckt halb so gut. Mein Vorschlag, wenigstens den Strudel erst dann zu servieren, wenn alle kalt servierten Speisen bereits verspeist sind, wird freundlich entgegengenommen, dürfte aber aufgrund Reitbauers Order zum Scheitern verurteilt sein. Da es eben organisatorisch nicht machbar wäre, kommt eben wohl weiterhin alles auf einmal zu Tisch.

Fazit: einige Highlights werden von einigen doch erstaunlichen Schwächen getrübt. Ein trotz Weglassen des Staubzuckers völlig übersüßter Kaiserschmarren, ein Cappuccino, der diesen Namen nicht tragen dürfte und die leidige Sache mit dem Strudel sind Flecken auf der Weste eines Hauses, das auch ganz anders kann: die Steinpilzcreme mit dem Filet war eine Klasse für sich, diese Qualität wiederum sucht ihresgleichen. Und dass das Frühstück trotz des Strudels ein Highlight darstellt, will ich gar nicht bestreiten. Wer macht sich schon die Mühe, ein Müsli anzurühren? Außer der Meierei macht das bis dato erst ein Haus im Burgenland mit 5 Sternchen auf der Eingangstür. Und der Lachs war ebenso über alle Zweifel erhaben.
Ich komme also wieder – in der Hoffnung auf eine Lösung des Strudelproblems - und vielleicht serviert man mir doch noch einen Cappuccino, der seinem Namen wirklich alle Ehre macht.
Ambiente tagsüber - Meierei im Stadtpark - WienTischdeko - Meierei im Stadtpark - WienWeißer Tee - Meierei im Stadtpark - Wien
Hilfreich30Gefällt mir11Kommentieren
19 Kommentare·Zeige alle Kommentare

Steirer-SB - zum FruFru oder zum Müüchlaberl? *wurgs* *LOL*

21. Nov 2013, 13:09·Gefällt mir

Ja was glaubst du, warum ich genau das so beschrieben hatte: "Wenn man jetzt geruchstechnisch ähnlich empfindlich ist wie ich (Käse, Gurken, Paprika, …), dann wird der Nachteil (oder Vorteil?) der Architektur der Meierei offensichtlich: Es „fäult“ [fäuut] – wie der Wiener sagt. Der Geruch sammelt sich aber erstaunlicherweise komplett im oberen Bereich. Die paar Stufen nach unten zu den Tischgruppen sind also offenbar wohlweislich eingebaut worden. " ;-)

21. Nov 2013, 11:53·Gefällt mir

Und was ist mit 7 Katzen?

17. Nov 2012, 18:50·Gefällt mir

Unreg: das liegt vielleicht an der Darstellung von Google, dass die Schrift über den Kanal drübersteht, klick auf "größere Karte" und zoom das mal ein wenig, dann wird's schon deutlicher. Und wenn du auf Satellitenbild klickst, dann siehst vielleicht sogar den Reitbauer auch noch ;-)

17. Nov 2012, 18:15·Gefällt mir
Unregistered

Ist hier im Plan falsch eingezeichnet; genauso wie die U-Bahn-Station nicht im Stadtpark drinnen ist.

17. Nov 2012, 16:45·Gefällt mir

Ein Gebäude: die Meierei hat die Fensterfront zum Wienfluss, das Steirereck hat den Eingang auf der gegenüberliegenden Seite.

17. Nov 2012, 16:31·Gefällt mir
Unregistered

Ist die Meierei wirklich im selben Gebäude wie das Steirereck? Ich dachte die Meierei ist am Wienfluss und das Steierereck im ehemaligen Kursalon, ich bin jetzt etwas verunsichert??

17. Nov 2012, 14:54·Gefällt mir

;-) Mahlzeit!

17. Nov 2012, 13:14·Gefällt mir

Super Bewertung, bin nun furchtbar hungrig geworden!!!!! Würde am liebsten mal 5x hilfreich klicken!!! Expliziten Dank für das tolle Review!

17. Nov 2012, 12:38·Gefällt mir1

Die Hoffnung stirbt zuletzt.

10. Nov 2012, 15:49·Gefällt mir
Konto erstellen
Schon Mitglied?
Indem Sie fortfahren, erklären Sie sich mit unseren Nutzungsbedingungen und Datenschutzerklärung einverstanden.
E-Mail
Benutzernameautomatisch
Passwortautomatisch
Indem Sie fortfahren, erklären Sie sich mit unseren Nutzungsbedingungen und Datenschutzerklärung einverstanden.