In der Umgebung
Di, 16. April 2024

Flatschers - Bewertung

amarone1977
Experte
am 5. April 2012|Update 25. Feb 2013
SpeisenAmbienteService
Gelistet in: Wien - Jo heast'!!
Es sollten zwei Tage im Zeichen des 7. Bezirks werden. Nach längerer Wien-Abstinenz entschied ich mich kurzfristig, nach einer Reservierung beim Grünauer, auch das gürtelnahe Flatschers zu besuchen.

Eigentlich gern auf der Suche nach dem Kleinen und Feinen, so ist so manches „angesagtes Highlight“ zumindest so interessant, dass man sich mal davon überzeugen will, was daran so stimmt oder nicht. Ein paar Enttäuschte wird es immer geben – und dann gibt’s die, für die Essen, Ambiente und Service unübertroffen sind. Es kommt natürlich immer darauf was, welche Erwartungshaltung hier vorauseilt.

Wie schon einer meiner Vorredner richtig gesagt hat, liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte. Etwas anderes zu erwarten, um dann mit einer 0 abzustrafen, wird dem Lokal genauso wenig gerecht wie dreimal die 5 zu verteilen, bei aller Begeisterung.

Was man hier einfach mal feststellen muss: die sprichwörtliche eierlegende Wollmilchsau gibt es nicht, auch nicht im gastronomischen Sinne. Bestes Essen, In-Lokal, Cocktailbar, Musik, Stimmung? Alles in einem?

Alles zusammen bieten zu können, ist eine Vorgabe, die kein Lokal erfüllen kann, aber auch nicht muss. Eines aber kann es: einen guten Spagat zu schaffen. Chef Andreas Flatscher ist Gastronom durch und durch, das ist unschwer zu erkennen. Die Möglichkeiten sind vorhanden, die Zeit, die gastronomische Welt zu erforschen und Neues zu entdecken, auch. Man pickt sich einen spannenden Mix zusammen und beweist zweifelsohne Liebe zum Detail und ein gewisses Gespür, mit diesem Mix auch den Nerv von Stammpublikum und neuen Gästen zu treffen.

Steaks, Gulasch, Burger, Cocktails, breite Bierkarte. Nicht die 27tausendste Pizzeria, kein Würgerking, kein x-beliebiges Brauhaus. Hier gibt’s kein langweiliges Produkt, das man eh schon an jeder Ecke mal gesehen hatte. Das verdient Respekt.

Die Umsetzung: ein erfolgreiches Konzept, kurz und gut. Die Hütte ist brechend voll, sicher nicht nur am heutigen Abend. Das Personal wirkt nicht verzweifelt ob der Tatsache, dass hier sehr viele Gäste, sitzend wie stehend betreut werden wollen. Das schafft nur ein Team, das nicht gleich die Nerven verliert. Man kümmert sich darum, mir als einzelnen Gast einen Platz zu bieten. Es dauert auch nicht einmal die 10 Minuten, die man mich bittet, zu warten.

Während ich an der Theke warte, gibt’s mal vorweg ein kleines Augustiner, gut gezapft.

Störend: der Hauptteil des Lokals inklusive großer Bar ist Raucherbereich. Der zahnlose österreichische Nichtraucherschutz wird’s wohl weiterhin geflissentlich ignorieren, dass hier die Vorgaben nicht befolgt werden: der größte Teil um die Bar herum müsste Nichtraucherbereich sein. Österreichische Lösung nennt man das. Ein österreichisches Unding nenne ich das.

Der Chef persönlich kümmert sich um wartende Gäste. Ich bekomme meinen Zweiertisch höflich zugewiesen, allerdings ist der Tisch noch gar nicht abgeräumt. Auch wenn es sich nur um vier Gläser und eine Flasche Mineralwasser handelt, einen noch nicht abgeräumten Tisch für den Gast „freizugeben“, ist doch eher ungewöhnlich. Da ich aber nicht in einem gnadenlos vornehmen Haus bin, bin ich flexibel und mach es mir auf der breiten Lederpolsterung bequem.

Das, was aber weiterhin stört, ist der Rauchpegel. Die Lüftung arbeitet eher mäßig, das erkennt man an den Rauchschwaden gegen das Spotlicht. Wer bestes argentinisches Rindfleisch essen will, muss also den Rauch inklusive akzeptieren.

Das Essen: ein spezielles Kartoffelgulasch nach Art des Hauses, mit „ana Dürrn“ in Stücken geschnitten. Extrem „einreduziert“ und auffällig dunkel. Kurios aber:
Wo sind die Kartoffeln? Wurststücke sind vorhanden, aber keine Kartoffeln. Chef Andreas entschuldigt sich höflich, da dürften irgendwie beim Rausschöpfen die schwereren Kartoffeln im wahrsten Sinne des Wortes „untergegangen“ sein. Ist nicht wirklich gravierend, die Sache schmeckt interessant und schnürt den Magen nicht zu wie so manch anderes Gulasch, ist aber auch durch exzessiven Wein- und Paprikaeinsatz hart an der Grenze, für meinen persönlichen Geschmack geht die Sache schon zu sehr ins harte, gerbstoffige. Mehr Fruchtigkeit würde guttun.

Filetsteak, „ladylike“: medium-rare bestellt, kommt es eher medium als medium-rare daher, aber das ist dann schon Jammern auf sehr hohem Niveau. Das Steak ist trotzdem sehr zart, gibt kaum Anlass zur Kritik, auch wenn das Fleischerl nicht ganz an jenes in Wels herankommt. Da lass ich mich nicht ganz umstimmen ;-)

Die Pommes frites wurden hier mehrmals hoch gelobt. Außen schön cross und innen zart-weich. Nicht extrem gesalzen, die Serviette im Korb hat kaum Fettflecken. Kein verbrannter Fettgeruch.
Sehr gut. Ein nur scheinbar „unwichtiges“ Detail, die Massengastro kauft die Pommes lieber zu.

Der Wein: gut, ein größeres Glas würde aber einen zweifellos guten, roten DAC eher gerecht werden.
Weinkarte nicht schlecht bestückt für ein Lokal, das sich in der Einleitung doch eher dem Bier verschrieben hat. Wein wird mit einen Glas Wasser serviert. Hier ist also die Unart, Wasser nur gegen Bezahlung zu servieren, nicht zuhause.

„Ipanema“ – alkoholfrei aus der Cocktailkarte. Unter anderem mit Limetten und Ginger Ale. Nicht nur mit feiner Säure, auch ordentlich gezuckert. Für 6 Euro nicht übertrieben, allerdings auch ordentlich mit Eiswürfeln aufgefüllt.

Zusammenfassung nach einem ersten Besuch: ein wirklich gelungenes Lokal, wo nicht umsonst die Hölle los ist. Geschäftiges Treiben und Rauchpegel zeigen aber auch die Grenzen des Konzeptes auf, „beides“ bieten zu wollen: hippes Trendlokal und gutes Speisen. Ein gutes Steak würde in ruhigerer, rauchfreier Atmosphäre nochmal besser schmecken.

Dabei muss man aber fairerweise anerkennen: für ein geschäftiges, jugendlich-flottes Lokal bietet die Küche überdurchschnittliche Leistungen und eine gut durchdachte Karte mit interessantem Speisenmix. Selbst wenn man hier auf das Essen verzichten würde, so ist der Gesamtmix nicht alltäglich und rechtfertigt einen weiteren Besuch.
Wirklich löblich: trotz kleiner Schwächen ist das Service bemüht und nimmt den Gast sichtlich ernst. Trotz voller Hütte bewahrt man hier die Ruhe.
Ipanema - Flatschers - WienKartoffelgulasch - Flatschers - WienLady-Filetsteak mit hausgemachten Pommes frites - Flatschers - Wien
Hilfreich11Gefällt mir5Kommentieren
3 Kommentare

uc: Was hattest du erwartet? ;) Für ein "sehr gutes" Essen reichte das Steak nicht ganz an jenes in Wels heran (+/- selbe Ausgangsposition und Preislage), dazu die Sache mit der Suppe und dem Ipandema danach. Ambiente wäre ohne Rauch bzw. unter Einhaltung des Gesetzes auch eine Stufe besser. Einzig das Service verdient bei diesem Andrang trotz kleinem Anfangs-Ausrutscher eine glatte 4. Das Lokal kann aufgrund seines breiten Angebotes aber auch die Höchstnoten in allen Kategorien gar nicht erreichen, das wäre ja unmenschlich ;)

5. Apr 2012, 09:37·Gefällt mir

Nein, "dass" du hier mehr benotest... Gerry, nicht wieder so schnell tippen...

5. Apr 2012, 02:23·Gefällt mir

Wiewohl dein Review wie immer super gut ist, habe ich nicht erwartet, das du hier mehr benotest... Gerry

5. Apr 2012, 02:21·Gefällt mir
Konto erstellen
Schon Mitglied?
Indem Sie fortfahren, erklären Sie sich mit unseren Nutzungsbedingungen und Datenschutzerklärung einverstanden.
E-Mail
Benutzernameautomatisch
Passwortautomatisch
Indem Sie fortfahren, erklären Sie sich mit unseren Nutzungsbedingungen und Datenschutzerklärung einverstanden.