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Do, 25. April 2024
MichaelA2
Experte
am 22. März 2016
SpeisenAmbienteService
Letzten Samstag, 19. März, nach langer Vorfreude, betraten wir mit großen Erwartungen das Palais Coburg. Es war dies unser drittes Mal, die bisherigen zwei Male waren jedesmal für uns (Geschmäcker sind ja verschieden wie man weiß) unübertroffen und der perfekte Abend. Die Crux an der Sache: Die Erwartungen sind dann jedesmal schon extrem hoch. Für ungeduldige Leser: Auch diesmal wurden wir nicht enttäuscht, uns wurde ein perfektes Erlebnis an einem rundum gelungenen Abend geboten. Nun aber zu den Details:

Der Empfang war wie immer perfekt, wobei man natürlich sagen muss, dass meiner Meinung nach das Prozedere an sich hier unterstützt: Man meldet sich bei der Rezeption des Hotels und wird dann zu einem Lift gebracht, der einen direkt ins Restaurant bringt. Das führt dazu, dass man niemals unerwartet auftaucht, dass man bereits beim Empfang den Namen kennt und damit persönlich begrüßt werden kann, man fühlt sich einfach sehr willkommen. Sehr schön und leider auch nicht selbstverständlich, dass man beim Empfang auch weiß, dass man nicht zum ersten Mal hier ist, wir haben uns auch im Vorfeld schon „unseren“ Tisch gewünscht, was erwartungsgemäß problemlos geklappt hat. Fazit: Perfekter Empfang.

Nun gleich mal zum Ambiente: Ich könnte mir vorstellen, dass das Ambiente etwas polarisiert, es ist sehr modern und dunkel gehalten, habe dazu auch ein Fotos hinzugefügt, das ich beim Gehen gemacht habe (Ja, wir haben es wieder mal geschafft die Letzten zu sein ). Wir persönlich fühlen uns sehr wohl, gerade auf der linken Seite, diese Art Kojen finden wir perfekt, man hat fast das Gefühl alleine zu sein, da in allen Richtungen auch ausreichend Abstand zum Nachbarn ist.

Zum Empfang wurden uns gleich unsere zwei für uns zuständigen Servicemitarbeiter beim Namen vorgestellt, kurz darauf wurde der Champagner-Wagen zu uns herangerollt für einen ersten Aperitif. Meine Begleitung wählte ein Glas Krug Grand Cuvee (sehr klassischer feiner Champagner) während ich mich für ein Glas Doquet Blanc de Blancs entschied (etwa spritziger und nicht ganz so trocken). In Sachen Menü war auch rasch eine Entscheidung getroffen: Wenn wir schon mal hier sind, gehen wir natürlich die ganze Länge, das 9 Gang Überraschungsmenü inkl. Weinbegleitung sollte es werden. Nach zwei ersten Grüßen aus der Küche sowie hausgemachtes frischem Brot mit zweierlei Aufstrichen ging es dann endlich los:

Entenleber [Traube | Weizengras | Milch ]
Gut, schon beim Probieren des ersten Weines (ein grandioser Riesling Wehlener Sonnenuhr Kabinett 2009 von Prüm J.J.) war klar: der erste Gang wird wohl klassisch Foie Gras sein. Die Entenleber war dabei als Creme am Boden der Schale zubereitet, darauf dann Weizengras als Deko sowie geeiste Weizengras-Kügelchen und Ananas-Shave, garniert mit Milch-Chips. Gereicht wurde das Gericht mit einem frischen Brioche. Für mich ein perfekter Start: Die Entenleber, kombiniert mit der frischen Süße des Ananas-Shave, dazu die kühlen Weizengras-Kügelchen und die (eher dekorativen) Milch-Chips, einfach perfekt. Der Wein dazu war dann das Tüpfelchen am „i“. Großartiger Start!

Wildsaibling [Radieschen | Navetten | Estragon]
Ehrlicherweise für mich der schwächste Gang des Abends: Ein Stück Wildsaibling (perfekt gegart), garniert mit Radieschen und Mairüben. Ganz sicher perfekt zubereitet und abgeschmeckt, mir persönlich war einfach das Stück Fisch irgendwie etwas zu dick und vor Allem hat mir das besondere „Wumm“ oder „Aha“ Erlebnis hier gefehlt. War einfach geschmacklich eher unspektakulär, dafür war der Wein dazu spannend: Ein Synthese Gris Rosé 2013 von der Domaine Riberach, ein sehr kräftiger Rosé-Wein, der einfach deutlich mehr Kraft hatte, als man beim ersten Riechen erwarten durfte.

St. Pierre [Bohne | Kopfsalat | Alge]
Der zweite Fischgang: Hauchdünn der Petersfisch am Boden des Glases, hübsch dekoriert. Ehrlicherweise der zweite Gang der mich nicht so vom Hocker geschmissen hat, auch hier wieder nichts falsch gemacht, aber allein die Tatsache, dass ich mich 3 Tage später nicht mehr im Detail erinnern kann zeigt, dass es mich persönlich nicht umgerissen hat. Erste Zweifel machten sich breit, ob wir auch diesmal restlos glücklich den Tempel verlassen würden. Eines vorab: Ab nun wurde ein Gourmet-Feuerwerk gezündet, man steigerte sich von Gang zu Gang. Achja: Wein gab es zu diesem Gang einen Sauvignon Blanc „Grassnitzberg Reserve“ 2011 vom Tement (übrigens der einzige heimische Wein an dem Abend): ein Wein mit sovielen kräftigen Nuancen, dass einem der Gaumen fast schwindlig werden wollte, sehr spannend, sehr kräftig, aber für mich Nichts, von dem ich eine ganze Flasche verzwicken könnte…

Calamari [Auster | Gurke | Apfel]
Ein wunderbarer Gang: Am Boden des Tellers einige Kalmar-Tentakeln, sehr schön weich und gut gewürzt, darauf dann drapiert in breiten Nudeln geschnittener / gehobelter Kalamarkörper. Dazu gab es ein Stück eingelegte Gurke sowie einen Apfelsud. Das ganze Gericht war einfach unglaublich harmonisch: der weiche Kalamar, dazu die säure von der eingelegten Gurke und das Süße vom Apfelsud, eines der besten Tintenfischgerichte, das ich jemals gegessen habe, Wow!

OBA-Schwein [ La Ratte Kartoffel | Ochsenherz Karotte | Bier]
Die BOA Farm, so hat man uns aufgeklärt, ist eine Bio Tierfarm bei Wildendürnbach, wo hervorragendes Fleisch produziert und Silvio Nickol einer der wenigen Abnehmen im Gastrobereich ist. BOA steht übrigens für „Best of Austria“. Nun gut, wieder etwas gelernt, jetzt aber zum Gang. Das Gericht entpuppte sich als hauchdünnes Stück Schweinebauch zu einem kleine Röllchen zusammengerollt. Dazu gab es ein Stück Ochsenherzkarotte (sehr spannender Geschmack, so gar nicht Karotten-Like), ein Stück Purple Haze Karotte (spannende Farbe) sowie einen klassischen, einreduzierten Schweinsbratensaft. Das ganze Gericht fühlte sich obwohl natürlich eine kleine Portion sehr deftig an, die Sauce eine feine Note Kümmel, das Fleisch nicht so fett wie man sich Schweinebauch oft vorstellt, einfach hervorragend.

Wagyu Bavette [Zwiebel | Wilder Brokkoli]
Der heutige Hauptgang wenn man so will, ein perfekt gebratenes Stück vom Wagyu Bavette (Bavette ist ein Teilstück des Bauchlappen des Rindes), butterweich, wunderbar noch rosig, ein herrliches Stück Fleisch. Für mich zu etwas Besonderem machte das Gericht aber die Beilagen: Ein Stück wilder Brokkoli und vor allem die Variationen von der Zwiebel: Ein Zwiebelpüree (wunderbar intensiv), eingelegte Zwiebel (mein persönliches Highlight, großartige Säure) und gebratene Zwiebel. Unterm Strich ein fast einfaches Gericht, aber ein würdiger Höhepunkt des Abends, wobei ich zu dem Zeitpunkt noch nicht wissen konnte, dass meine persönlichen Favoriten erst kommen würden…

Vacherin [Petersilienwurzel | Futuro Melone | Walnuss]
Ein Stück (also eigentlich ein Löffel) sehr schön reifer Vacherin wurde am Tisch dann aus einer großen hölzernen Schachtel auf dem Teller drapiert. Auf diesem befand sich bereits etwas Melone, ein Kügelchen Birne sowie schwarze Walnüsse und Walnussschaum. Dieser Gang war für uns einer der absolut Besten (auch wenn es Silvio Nickol danach nicht glauben konnte): Das Birnenkügelchen war derartig frisch und fruchtig, dass es beim Hinenbeißen im Mund fast explodierte, die Melone gab weitere Frucht, der einfach nur als banaler weißer Schaum daherkommende Walnussschaum schmeckte derartige kräftig nach Walnuss, dass wir kaum unserem Gaumen trauen wollten. Ein Gang, bei dem wir jeden einzelnen Bissen genossen und aus dem Staunen nicht herauskommen. Das sind die Gerichte, an die man sich noch Jahre später erinnern kann.

Molke [ Zitrus | Zitronengras | Fenchelsamen]
War der vorige Gang das absolute Highlight meines Mädels, war dieser Gang mein Favorit. Hinter dem recht unspektakulär klingenden Namen versteckte sich letztendlich eine Art Zitrussorbet oder geeiste Zitrusmasse, in der Form eines Macarons, gefüllt mit einer Masse aus Fenchelsamen. Dazu gab es Sous Vide gegarte Buddhas Hand Zitrone und Molke. Ich muss zugeben ich liebe saure Desserts, in Kombination mit dem Fenchelsamen (ich hätte nie gedacht, dass dies so harmonieren könnte!) und die wunderbar zarte Buddhas Hand Zitrone, eine tatsächliche Offenbarung!

Weiße Schokolade [Erdnuss | Thai Mango | Koriander]
Zum Abschluss dann noch ein süsser Gang: Ein Stück (sehr süßer und reifer)Thaimango mit Koriandersorbet, dazu ein Balken weiße Schokolade gefüllt mit Ernusscreme und etwas Erdnusssauce. Auch das ein mutiger und spannender Gang. Dass Mango und Koriander gut harmonieren weiß man spätestens seit seinem ersten Besuch beim Thailänder, aber wie geschmacklich gut sich weiße Schokolade und Erdnuss (sowohl Fülle als auch Sauce sehr nahe an klassischer Erdnussbutter, schöne salzige Note auch dabei) dazu einfügt, war mir neu. Auch hier wieder etwas, das ich in der Form noch nicht gegessen habe. Auch interessant der Wein dazu: Ein Glas Ruländer Strohwein 2012 vom Weingut Znovin Znojmo aus Znaim. Um ehrlich zu sein wusste ich nicht mal, dass in dieser Region Wein produziert wird, offenbar auch der Sommelier nicht, bis sie ein paar Flasche zur Probe vom Weingut erhalten haben, die es offenbar gerne auf die Weinkarte vom Restaurant schaffen wollten und das scheint ihnen gelungen zu sein!

Abgeschlossen haben wir den Abend dann mit einem Kaffee sowie einem Glas Nonino Riserva und dann gegen 1 Uhr Früh war unsere kulinarische Reise zu Ende.

Nun ein Wort zum Service:
Man fühlte sich stets perfekt umsorgt, wie nirgendwo anders bekamen wir das Gefühl, dass sich allein 3-4 Personen nur um uns kümmern, das Personal ist gefühlsmäßig eher jung aber in allen Bereichen hochprofessionell. Als wir mit unserem Menü loslegten hatten wir zwar kurz das Gefühl, dass es im Service Unstimmigkeiten gab (war nur so ein Bauchgefühl), was gerade beim Sommelier zu bemerken war, der die Weine zwar perfekt präsentierte, aber nicht mehr. Diese „Mehr“ kehrte dann aber in den folgenden Gängen wie gewohnt zurück, wobei ich darunter verstehe, dass der Wein nicht nur präsentiert wird, sondern dass man auch etwas Plaudern kann, über den Wein. Das Genießen wir sehr!

Wie gewohnt verabschiedete sich am Ende dann Silvio Nickol wieder persönlich, eine wie ich finde absolute Wertschätzung des Gastes. Man plaudert 10 Minuten über die Speisen, welcher Gang einem am Besten geschmeckt hat und warum (hier eben das Erstaunte „Wirklich?“ auf die Antwort „der Käsegang“) und wird von ihm persönlich in den Lift nach unten gebracht. Vom ersten Mal an war das für uns eine besondere Geste: Die 10 Minuten Plaudern kosten ihm nichts, ihm fällt ganz sicher keine Zacke aus der Krone und dennoch sind das diese Kleinigkeiten, die einen Besuch bei Silvio Nickol für uns so Besonders machen, es sind diese Kleinigkeiten im Service, die meiner Meinung nach den Unterschied in der gehobenen Gastronomie machen (Kochen können sie ja schließlich alle…).

Mein Fazit:
Für uns sind es die besonderen, die unerwarteten und einzigartigen Speisen-Kompositionen, die einen kulinarischen Abend unvergesslich machen, es sind jene Speisen, an die man sich noch in Jahren erinnern kann (für uns gehört hier beispielsweise auch die legendären Eierdotter-Ravioli von Gerhard Fuchs dazu) und Silvio Nickol schafft es immer wieder derartige Gerichte zu kreieren. Auch wenn es so Manche anders sehen (Geschmäcker sind ja – Gott sei Dank! – verschieden): Die kreativen Speisen, der perfekte Service und auch die tolle Atmosphäre macht das Restaurant von Silvio Nickol für uns zu einem der Besten - wenn nicht das Beste – Restaurant, in dem wir je gegessen habe, und das sage ich nach dem dritten Mal mit der gleichen Überzeugung wie nach dem ersten Mal.
Silvio Nickol - Restaurant Coburg - WienSilvio Nickol - Restaurant Coburg - WienSilvio Nickol - Restaurant Coburg - Wien
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6 Kommentare

Nachsatz: Zeilenumbrüche werden auch gelöscht, hoffe es ist trotzdem lesbar. Und: Beeindruckt haben mich natürlich alle Weine, nachhaltig Eindruck hinterlassen halt nur jene, die in der bewertung standen...

23. Mär 2016, 13:49·Gefällt mir

Sorry, hatte nur die Weine erwähnt, die mich besonders beeindruckt haben. Habe auch versucht meine Bewertung zu ändern, ist mir leider nicht gelungen, daher jetzt hier die fehlenden Weine: Calamari: Chablis "1er Cru Montée de Tonnerre" 2013 / Billaud Samuel BOA-Schwein: Gevrey-Chambertin AC 2007 / Mortet Wagyu Bavette: Merlot "La Ricolma" 2007 / San Giusto a Rentennano Vacherin: "Clos du Zahnacker" 2010 / Cave de Ribeauville Molke: Château Cóutet 2001

23. Mär 2016, 13:47·Gefällt mir1

Schön geschildert! Aber ein paar Weine fehlen, denke ich?

23. Mär 2016, 07:27·Gefällt mir1

Danke, ich war mit meiner Schätzung in der Nähe 😀

22. Mär 2016, 21:34·Gefällt mir1

Vielen Dank für die Blumen! Ich habe mir abgewöhnt Preise dazuzuschreiben, weil ich ungern in eine Diskussion "Was ist Essen wert" schlittere, aber ist ja kein Geheimnis: Für das Komplettprogramm inkl. 9 Gänge, Weinbegleitung, Aperitif, Kaffee, Wasser und Digestif sollte man zu zweit mit ca. 700 rechnen.

22. Mär 2016, 20:15·Gefällt mir4

Eine tolle Bewertung! Brennend würde mich noch interessieren, mit welcher Summe die Kreditkarte belastet wurde ;-)

22. Mär 2016, 19:27·Gefällt mir1
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