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Fr, 19. April 2024

Sreeja - Bewertung

adn1966
Experte
am 26. Oktober 2014
SpeisenAmbienteService
Durch die Straße, in der ich wohne, die vom genialen Ernst Molden in seiner Kurier-Freizeit Kolumne „Wien Mitte“ liebevoll verkürzt in Landstraßer Haupt umbenannt wurde, zieht sich gastronomisch eine quasi unsichtbare Grenze etwa auf der Höhe der Apostelgasse. Für Kenner: das ist die Gasse, vor der eine riesige Uhr in die Straße ragt. Von Wien Mitte bis dorthin gibt es reichlich Lokale, viele Geschäfte, viele Fußgänger, es ist eine florierende Einkaufsstraße. Ab der Apostelgasse stadtauswärts wird’s dann deutlich dünner, was die Lokaldichte betrifft, und im letzten Stück zwischen Rabengasse und Schlachthausgasse ist’s ganz schwierig.

Viele Lokale habe ich in den zwanzig Jahren, in denen ich dort lebe, schon auf- und wieder zusperren gesehen, nur einige wenige Lokale halten sich hartnäckig in diesem Straßenabschnitt, der irgendwie nicht und nicht aus seinem Dornröschenschlaf erwachen will. Eine Pizzeria, ein Kebap – Lokal, das Landstein, und noch einige, wenige andere gibt’s, möglicherweise liegt der durchwachsene Erfolg und die daraus resultierende Lokalfluktuation daran, dass es in dem Abschnitt der Haupt eben nur mehr wenige Spaziergänger gibt, ergo wenige „walk-ins“, schwierig halt.

An der Ecke zur Rabengasse hatte sich einmal ein Chinalokal versucht, nur um nach wenigen Jahren wieder aufzugeben. Dann war’s länger still um diese Ecke, seit einem Jahr allerdings gibt es dort ein neues Restaurant, das indische „Sreeja“. Hell erleuchtet mit prominentem Logo, das sowohl die indischen, als auch die österreichischen Landesfarben ziert, fiel es mir gleich auf. „Good luck“ dachte ich mir schon damals, und jedes Mal, wenn ich am Nachhauseweg vorbeifuhr, fiel mir auf, dass, wenn überhaupt, immer nur recht wenige Tische besetzt waren. Und immer wieder dachte ich mir, es einmal zu besuchen. Heute war’s endlich soweit.

Nun ist diese Bewertung für mich nicht ganz einfach. Die indische Küche hat ihren Weg in mein Herz bis dato noch nicht so richtig gefunden, die Besuche indischer Restaurants lassen sich sowohl bei der Liebsten, als auch bei mir locker an einer Hand abzählen. Gezählte zwei Mal waren die Liebste und ich bisher indisch essen, einmal in Amsterdam und einmal in Wien, beides schon viele Jahre her. Ergo bin ich diametral davon entfernt, ein Experte der indischen Küche zu sein, es fehlt mir jedes Referenzwissen, ob die Speisen, die ich heute gegessen habe, so zubereitet gehören, besser oder schlechter sind, als in anderen indischen Restaurants. In dieser Review kann ich also nur berichten, wie’s mir geschmeckt hat (sogar die Liebste als Co-Tester weilt wieder einmal in Sofia und konnte mir nicht helfen).

Den endgültigen Ausschlag für meinen heutigen Besuch gab ein unbändiger Gusto auf Linsensuppe. Allzu weit wollte ich mich auch nicht aus meinem Grätzl entfernen, also hab ich mir einmal den Webauftritt des Sreeja angesehen. Eine recht sympathische Webseite mit einer Diashow des Lokals und vielen Bildern der erstaunlichen Fülle an Speisen. Das zweite Standbein des Sreeja scheint der Zustelldienst zu sein, die Webseite ist ganz darauf ausgelegt. Konsultiert man zusätzlich Dr. Google erfährt man, dass das Sreeja auch auf so ziemlich allen Zustellplattformen in Wien präsent ist.

Auf der Karte finden sich etwa 120 Positionen, Suppen, Vorspeisen, Vegetarisches, Huhn, Ente, Lamm, Rind, Pute, Fisch und Garnelen. Alles zweifellos typisch indisch, bloß mir sagten die meisten Gerichte nichts, Vindaloo und Tikka habe ich zumindest schon einmal gehört, keine Ahnung, was ich damals gegessen habe.

Nun schreckt mich ja eine Karte mit einer derartigen Fülle von Speisen normalerweise ab (Wie kann man 120 Positionen aus einer Küche frisch rauskochen?), aber jetzt wollte ich einfach wissen, was das Sreeja kann. Also nichts wie hin spaziert.

Das Lokal muss irgendwann einmal ein Wirtshaus gewesen sein, ein typisches Ecklokal mit dem für Wirtshäuser typischen Eingang. Man betritt ein großes, helles und elegantes Lokal, das offenbar aufwändig renoviert wurde. Helles Holz und rot sind die dominanten Farben, die Wände dezent in Pastelltönen. In die Decke eingelassene Halogenspots, weiß eingedeckte Tische mit reichlich Besteck und roten Servietten. Durchaus elegant.

Das nächste, was einem sofort auffällt, ist, wie unglaublich sauber das Lokal ist. Keine auch noch so kleinen Flecken sind zu sehen, nicht auf den Tischen, nicht an den Wänden, alles ist auffallend adrett und sauber.

Das Lokal ist ein 100% Nichtraucherlokal, aber jetzt war ich meiner Linsensuppe schon so nahe, also was soll’s. Insgesamt bietet das Sreeja Platz für etwa 70 Personen, aufgeteilt in drei große und offene Räume. Ich nahm gegenüber der Schank Platz und ein ebenfalls sehr eleganter und höflicher Inder, der Besitzer, wie ich später erfuhr, reichte mir die Karte.

Was bestellt man, wenn man so gut wie keine Ahnung von der indischen Küche hat? Der Besitzer brachte mir erst einmal ein Körbchen mit Papadam, offenbar einem Linsenfladenbrot und einer kleinen Schüssel mit – hmm – Mangochutney? Das Papadam war sehr knusprig und gut, also widmete ich mich wieder dem Studium der unglaublich reichhaltigen Karte. Irgendwo erinnerte ich mich, dass getränketechnisch „Lassi“ the weapon of choice beim Inder ist, gibt’s im Sreeja natürlich auch, also bestellte ich ein Glas der Non-Mango Variante, also quasi Lassi pur (€ 2,50), ich mag Mangos nämlich ähnlich gerne wie rohe Tomaten.

Das Lassi, ein Yoghurt-Getränk, dem türkischen/bulgarischen Ayran nicht unähnlich kam in einem großen Glas und schmeckte vorzüglich. Nicht zu dick, nicht zu dünn, mit einer interessanten Süße und gehobelten Mandelsplittern. Nice.

Ich wählte eine Linsensuppe (€ 3,-) und als Hauptgang das Chicken Masala (€ 9,00), ein gewürztes, gegrilltes Hühnerfleisch mit Sauce, als Beilage eine Portion Reis, sowie einmal das Garlic Naan (€ 3,00), ein Fladenbrot mit Knoblauch und Butter.

Auf der Homepage gibt es ein Foto einer Linsensuppe, dem eigentlichen Anstoß meines Besuchs, und dort sah die Linsensuppe aus wie ich sie auch aus Bulgarien kenne. Ganze Linsen und Gemüse. Das, was mir serviert wurde, war optisch ganz anders, eher wie ich Linsensuppe aus türkischen Lokalen kenne. Cremefarben und passiert. Geschmacklich durchaus gut, wenn halt nicht genau das, was ich erwartet hatte. Schmeckte auch richtig nach Linsen, mit ein bisschen Säure, und again, - mangels Referenz kann ich nicht beurteilen, in welcher indischen Liga diese Suppe spielt.

Der Hauptgang wurde auf zwei Tellern auf einem Rechaud serviert, wie man es aus China Restaurants kennt. Eine reichlich große Portion Chicken Masala war das jedenfalls, mit einem großen Teller Basmati-Safran Reis daneben.

Vor der Bestellung fragte der Besitzer noch, ob ich das Essen scharf möchte, was ich natürlich bejahte. Beim Inder scharf bestellen, - den Mutigen gehört die Welt. War aber letztlich nicht so schlimm, die Schärfe war durchaus präsent, aber jetzt nicht zu dominant, dass sie schmerzhaft jeden Geschmack überlagern würde. Sollte mir die Schärfe nicht reichen, gab’s für alle Fälle noch ein Schüsserl mit „green chili“ separat dazu, eine Messerspitze reichte allerdings, um mir zu zeigen, wo in Indien der Schärfehammer hängt.

Das Hühnerfleisch war sehr, sehr zart, saftig, und auch die sämige Sauce, die ein wenig an den Saft eines richtigen Wirtshausgulaschs erinnert, (für diesen Satz fasse ich wahrscheinlich ein Einreiseverbot in Indien aus), war sehr schmackhaft. Gegen Ende war die Schärfe dann sogar mir als veritablen Chili-Aficionado beinahe zu viel, gut, dass es dazu sehr milden, sogar etwas süßlichen Reis, das Knoblauch-Naan, das übrigens ziemlich groß und hervorragend war, und mein Lassi gab.

Mein kulinarischer Abstecher nach Indien schlug sich mit wohlfeilen € 18,40 zu Buche, ein überaus günstiges Abendessen.

Das Sreeja lässt mich etwas ratlos zurück. Das Lokal ist elegant, blitzsauber, die Speisen waren allesamt sehr gut. Der Besitzer des Lokals ist sehr freundlich, sehr zurückhaltend, beinahe zu schüchtern. Das Service ist jetzt nicht das Schnellste, das ich jemals erlebt habe, aber jedenfalls gut und aufmerksam genug.

Und doch, so richtig ist der Funke nicht übergesprungen. Vielleicht wirkt das große Lokal, in dem außer mir nur noch drei Tische besetzt waren, etwas zu steril, vielleicht sind es Dinge wie die künstlichen Blumen auf den Tischen oder die große Ben & Jerry’s Eisvitrine, die prominent gegenüber dem Eingang steht, die mit dem sonst sehr gediegenen Ambiente dann doch nicht so richtig harmonieren wollen.

Ein bisschen dürfte das Sreeja schon kämpfen in diesem gastronomisch sehr herausfordernden Abschnitt meiner geliebten Landstraßer Haupt, in den Vitrinen vor dem Eingang steht, dass alle Gerichte neue, niedrigere Preise bekommen haben. Ich hoffe für das Lokal nicht, dass dies der Beginn einer Abwärtsspirale ist.

Zufrieden und satt ging ich die paar Schritte nach Hause und bekräftige mein „Good Luck“ für das Sreeja.
noch ein Raum - Sreeja - WienGarlic Naan - Sreeja - WienChicken Masala & Basmati Safran Reis - Sreeja - Wien
Hilfreich21Gefällt mir16Kommentieren
2 Kommentare

Diese "Uhr" ... fürchterlich. Ein Unwahrzeichen für den 3..

4. Nov 2014, 22:34·Gefällt mir

Komisch, in Wien sind indische Restaurants *nie* voll. In England ist diese Küche viel populärer, und das, obwohl die englischen Inder im Schnitt schärfer kochen.

27. Okt 2014, 11:45·Gefällt mir
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