In der Umgebung
Do, 28. März 2024

Spaetrot - Bewertung

adn1966
Experte
am 9. September 2014
SpeisenAmbienteService
Ein Nachmittag beim Spaetrot. Die Liebste weilt kurz wieder in Wien, diese Tatsache, das wunderschöne Wetter und ein Termin in Piesting laden zu einer Fahrt durch den südlichen Wienerwald. Hunger stellt sich ein, in Piesting Markt sind die meisten Lokale am Montag geschlossen, ähnliches müssen wir auch in einigen anderen Orten der Umgebung feststellen. Montag ist halt ein non-Tag in der Gastronomie, verständlich.

Selbst unser Stockerwirt hat Montag und Dienstag zu, also versuchen wir unser Glück in Richtung Gumpoldskirchen/Guntramsdorf. Mittlerweile sind wir beide hungertechnisch der Ohnmacht nahe.

Ich war zum letzten Mal vor vielen Jahren in Gumpoldskirchen, als junger Student in der Funktion eines Limousine – Chauffeurs mit japanischen Gästen. Denen hat’s jedes Mal gefallen, für mich war’s ein bisschen zu touristisch. Tempora mutantur, wie ich unverblümt nach unserem gestrigen Besuch zugeben muss.

Das Zentrum ist sehr aufgeräumt, nett restaurierte Gebäude, das Flair ist nett und ruhig (möglicherweise liegt das allerdings am Montag Nachmittag ;-)). Angenehm fällt auf, dass sich auch in einem ehemals sehr touristischen Zentrum Betriebe mit Fokus auf „regional“, „slow food“ und gehobener Qualität ansiedeln und sich vom Einheitsbrei der Liptauerblunz’nschweinsbratlschnitzlweissrotgespritzt - Wald- und Wiesenheurigen abzuheben suchen.

Der Heurige „Spaetrot“ ist definitiv hier hinzuzurechnen, mit einer „Spätzerei“ im Ortszentrum prominent vertreten finden sich auch auf Tafeln vor und Karten im Heurigen verweise auf „regional, slow food, usw.“

Wir betreten den angenehmen Garten und sind gleich einmal verzückt. Kein 08/15 – Ambiente eines Heurigen, nein, urig und doch aufgeräumt stilvoll. Helles, beinahe weißes Holz, die Tische dezent mit Kerze und beigem Läufer dekoriert, die Wände des alten Winzerhauses weiß mit grünen Akzenten. Über dem Garten spannt sich die Mutter aller Rebstöcke, 150 Jahre alt, absolut faszinierend.

Schon beim Reingehen vermutet man, dass man hier einige genussreiche Stunden verbringen kann. Und dies sollte sich bewahrheiten.

Wir verkosteten während unseres Aufenthalts ein wenig vom Rosé, vom gemischten Satz, von einer weißen „Riserva“ (genaue Zusammensetzung ist mir entfallen) und einem roten „Riserva“ aus Pinot und St. Laurent. Alle Weine durch die Bank sehr, sehr gut, bei unserem nächsten Besuch ist definitiv ein Taxi, eine Nächtigungsmöglichkeit oder ein „dedicated driver“ angesagt, diese Weine harren einer näheren und umfangreicheren Betrachtung.

Die Speisekarte bietet einen angenehmen Querschnitt durch die regionalen Klassiker, durchaus kreativ verfeinert und natürlich hausgemacht. Slow food, not convenience, ist das Thema, und es wird ernsthaft umgesetzt. Wir hatten vorab einen gemischten Salat, der schon ob des darin vertretenen Erdäpfelsalats in einer eigenen Liga spielt. Sehr angenehmes Dressing, ansprechend in einer sich leicht zum Gast abgeschrägten Schüssel serviert, frisch, g’schmackig und wirklich ausgezeichnet. Die Kartoffeln mit noch einem Hauch Wärme und so was von einem buttrigen Kartoffelgeschmack. So soll’s sein. Ein simples Gericht, nur ein gemischter Salat, und doch kann man, wenn man sich die lieblosen Kreationen mancher Wirte ansieht, viel falsch machen.

Danach der Hauptgang: zweimal das Ofenbrat’l mit Grammel-Erdäpfelknödel, Kraut und Natursaft’l.

Es kommen pro Portion zwei ordentliche Stück Fleisch daher, einmal Schopf und einmal Kümmelbraten, beides gut bekrustet, zart, und sehr gut im Geschmack. Das Brat’l hat bei gemäßigter Temperatur seine Zeit im Ofen abgedient, soviel ist evident, so zart wie es sich präsentiert. Das Kraut ein bissfestes Gedicht, die Knödel erhärten den Verdacht, der schon beim Salat aufkam: Beim Spätrot weiß man, wo man gute Erdäpfel kauft und wie man sie zubereitet.

Es gäb noch so viel, das probiert werden will, während unseres einige Stunden dauernden Aufenthalts wurden am Nachbartisch herrlich duftende, offensichtlich hausgemachte Zwetschgenknödel serviert, einmal wurden nicht minder köstlich aussehende gebackene Champignons vorbeigetragen, auch die Frittatensuppe sah einladend aus. Von den gegrillten oder sautierten Steinpilzen, bzw. der Chiliblunz’n (mariniert und gebacken) mit Paprikamarmelade gar nicht zu sprechen.

Zum Service: selten so ein harmonisches Team gesehen. Alle freundlich, schnell, Aschenbecher wurden immer brav gewechselt, immer kam jemand mit einem freundlichen „passt alles, - darf’s noch was sein?“ vorbei.

Und auch meine zwei obligaten Caffè (ristretti) waren tadellos, bei einem Heurigen beileibe nicht selbstverständlich.

Eine Empfehlung ohne wenn und aber, so ein Betrieb lässt mein Herz höher schlagen. Gute Produkte, allesamt aus der Region, alles Bio, von den Erdäpfeln über die Tomaten bis zum Mangalitza – Schwein. Allein die Webseite macht Lust auf den nächsten Besuch, zahlreiche Gerichte sind schon geistig zum Probieren vorgemerkt.

Die Preise sind, speziell in Anbetracht der Perfektion Speisen-Getränke-Ambiente-Service sehr, sehr fair.

Die Pointe zum Schluss: schon vor Jahren hat uns Herr Hohensinn einen Besuch beim seiner Meinung nach besten Heurigen nahe gelegt und uns auf den Kopf zugesagt, dass es uns dort sehr gefallen würde. Natürlich hab ich Namen und Ort des Heurigen vergessen (ich und Namen, eine Tragödie), gestern wurde uns im Verlauf unseres Besuchs klar, dass es sich bei Hohensinns Empfehlung um das Spaetrot handelte, was vom Chef des Hauses auch bestätigt wurde.

Danke, Josef Hohensinn, für diese Empfehlung. Dieser Heurige hat sich tatsächlich auf die Nummer 1 meines Heurigen-Rankings katapultiert.
Der Welt bestes Brat'l mit Kartoffelknödeln und Grammeln im Natursaft'l - Spaetrot - GumpoldskirchenBärlauchtaschen mit Steinpilzen - Spaetrot - GumpoldskirchenRosé und gemischter Satz - Spaetrot - Gumpoldskirchen
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1 Kommentar

Danke für das Kompliment, ist ein wirklich nettes Lokal.

9. Sep 2014, 19:53·Gefällt mir
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