In der Umgebung
Do, 18. April 2024
Apicius
am 2. November 2013
SpeisenAmbienteService
„Gewaltig endet so das Jahr, mit goldnem Wein und Frucht der Gärten. Rund schweigen Wälder wunderbar und sind des Einsamen Gefährten…“ Ein Herbstgedicht von Georg Trakl kam mir in den Sinn, als ich nach einer Wanderung auf den Tulbingerkogel zu Allerheiligen mittags unter den Strahlen der vielleicht letzten Novembersonne den Blick von der Anhöhe des Gastgartens über die sich allmählich im Horizontblau verlierenden Hügelketten des Wienerwaldes schweifen ließ.

Als Gruß aus der Küche kam, bald nachdem wir bestellt hatten, eine etwas wässrige, in der Mokkatasse servierte Steinpilzconsommé, Ganslschmalz, Butter und frisches Gebäck. Sodann wählte ich Erdäpfelmousseline mit großzügig daraufgehobelten Albatrüffeln, anschließend Lammrücken mit Polenta und Sojagemüse, meine Begleitung Ganslsuppe, sodann Perlhuhnbrust mit Gänseleber und Rahmtagliatelle. Alles ganz in Ordnung, lediglich das Lamm etwas zäh. Nach den nicht eben gargantuesken Ausmaßen der Portionen fassten wir noch ein Dessert ins Auge, verwarfen die Idee aber schließlich, da sich im Garten über eine halbe Stunde kein Personal blicken ließ, was auch bei den anderen Gästen allmählich Unmut erregte. Unseren ziemlich gestressten Kellner fand ich dann nach längerer Suche im Inneren des mittlerweise vollen Lokals und teilte ihm den Wunsch nach der Rechnung mit, dem er nach der Bemerkung „er habe Seminargäste“ und einer weiteren Viertelstunde schließlich nachkam.

Dem bemüht wirkenden Personal sind diese skandalösen Zustände gar nicht so vorzuwerfen wie der Geschäftsführung, die es verabsäumt, an einem erwartungsgemäß gut frequentierten Tag selbiges adäquat zu verstärken, zumal sich der Großteil des Publikums aus Seminargästen rekrutierte, die ja wohl nicht unangemeldet gerade reingeschneit waren.

Auf den Chef musste ich allerdings nicht lange warten, der, vom Kellner in erstaunlicher Eile (angesichts des eben Erlebten) von meiner diesbezüglichen Beschwerde unterrichtet, mit aufgezwirbeltem Schnauzer sogleich im Stechschritt angestiefelt kam wie ein k.u.k. Dragonermajor, sich vor mir aufpflanzte und – sich nicht etwa entschuldigte – sondern im Kasernenhofton vermeldete, es sei ohnedies ein Entgegenkommen, dass er den Garten im November noch aufsperre, wenn dies nicht geschätzt würde, würde er es in Hinkunft unterlassen. (?!?)

Trotz der untadeligen, wenn auch teuren und mehr mit luxuriösen Zutaten als originellen Ideen protzenden Küche und des idyllischen Ambientes ist der Besuch dieser Location nur jenen anzuraten, die viel Zeit haben und vielleicht ein Relikt altösterreichischer Wirtenpräpotenz (der Friedrich Torberg in seiner „Tante Jolesch“ ein eigenes, höchst amüsantes Kapitel gewidmet hat) erleben wollen. Ich kann dieser albernen Farce letztlich einen gewissen Unterhaltungswert abgewinnen, ein zweites Mal ist sie mir aber sicher keine 100 Euro für zwei Personen mehr wert.
Hilfreich19Gefällt mir8Kommentieren
2 Kommentare
Unregistered

Vielen Dank für diesen umfassenden Erfahrungsbericht. Schade, dass du so schlechte Erfahrungen dort machen musstest. Wir hatten erst überlegt dem Lokal einen Besuch abzustatten, werden nun aber noch auf die Eine oder Andere Bewertung warten bevor es soweit ist.

7. Nov 2013, 00:17·Gefällt mir

Irritierend ist der treffende Ausdruck; der gute Mann wird wohl auch schon bessere Tage gehabt haben.

6. Nov 2013, 22:51·Gefällt mir
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