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Fr, 19. April 2024

Il Sestante - Bewertung

Diese Review zählt nicht für die Gesamtwertung des Lokals, da dieser Tester dieses Lokal bereits neuerlich bewertet hat.
adn1966
Experte
am 9. September 2012
SpeisenAmbienteService
Mon dieu, was für eine Niederlage.

Da dachte ich mir doch ganz unschuldig, diesen herrlichen Spätsommerabend im Garten des Sestante, mitten im Achten, zu verbringen. In Begleitung von Pizza und Wein, versteht sich. Später sollten sich noch meine Freunde Ristretto und Grappa dazugesellen. So weit, so geplant.

Der Garten war bei meiner Ankunft schon gut besucht, die wenigen freien Tische nahezu zur Gänze reserviert. Freundlicherweise wies mir der italienisch forsche Kellner trotzdem einen Platz zu, nicht ohne mich darauf aufmerksam zu machen, dass dieser Tisch nur für 1,5 Stunden frei sei. Fair enough.

Aus der nicht uninteressanten Karte, die zu mindestens einem Drittel mit Pizze (auch „bianchi“, also ohne Tomatensauce) gefüllt war, wählte ich die „Diavola“ (11,- €, Tomatensauce, Mozzarella, scharfe Salami, Chili, Champignons und Basilikum. Ich beschied meinem Kellner, dass ich gerne auch Knoblauch auf der Pizza hätte, selbige möglichst knusprig sein sollte und, wenn es denn möglich wäre, gerne ein Ei drauf hätte, er dafür aber getrost das Basilikum weglassen dürfte. „Kein Problem“, kam’s zurück. Als Begleitung zur Pizza entschied ich mich für ein Viertel Chianti.

Schon während der Wartezeit auf Wein und Pizza blieb mir nicht verborgen, dass das Verhältnis Gäste/Kellner schwer unterdimensioniert ist. Die Wege vom Lokal über die Piaristengasse zum Garten sind lang, das Lokal füllte sich mittlerweile mehr und mehr, der Garten selbst ist riesig (aber in einer wirklich erwähnenswert guten Location am Platz vor der Kirche Maria Treu), die Hektik des Service Personals wurde zusehends spürbar, and not in a good way.

Meine Pizza kam kurz nach meinem Chianti, und ich machte mich hungrig ans Werk. Die erste Enttäuschung kam sofort. Der Teig, wenn auch geschmacklich einwandfrei, hatte die Konsistenz einer Zustellpizza. Letschert, weich und blass. Mein „knusprig“ als Extrabestellung dürfte auf dem Weg zur Küche irgendwo verloren gegangen sein, dafür war das Ei, großzügig beurteilt, „wachsweich“, um das Wort knusprig nicht zweimal in einem Satz verwenden zu müssen.

Knoblauch gab’s keinen auf der Pizza, der dürfte in der Küche den Chilis Gesellschaft leisten, die zwar laut Karte vorhanden sein sollten, sich aber trotz Umdrehens jedes Rädchens Salami nicht finden ließen. Positiv sei hier erwähnt, dass die Champignons frisch geschnitten waren. Wären sie aus der Dose gewesen, vielleicht noch mit einem letscherten Ölpfefferoni drappiert, ich wäre schreiend aus dem Lokal gelaufen.

Nach einiger Wartezeit, als mein Kellner wieder einmal beinahe im Laufschritt vorbei schaute, monierte ich die fehlenden Chilis und den nicht vorhandenen Knoblauch, beides wurde auch prompt nachgereicht. Und als Draufgabe gab’s noch eine Flasche Olivenöl „Peperoncino“. Die scharfe Salami war würzig und durchaus schmackhaft. Ich persönlich bevorzuge guten Schinken oder Speck, die Schärfe hole ich mir von den Chilis, aber wir wollen hier nicht kleinlich sein. Stand ja auch so in der Karte.

Gegen Ende meines Kampfes mit dem Pizzateig hatte die Hektik im Lokal den Höhepunkt erreicht. Ein Mitleidender am Nebentisch, der nach erheblicher Wartezeit noch nicht bedient worden war, hielt einen zufällig vorbeikommenden Kellner mit den Worten „Haben Sie auf uns vergessen?“ auf, und prompt wurde ihm von selbigem Kellner tatsächlich ein kurzes „andere Baustelle“ beschieden.

Aaaah, ja. Ich empfehle dem Kollegen die aufmerksame Lektüre der Fibel „10 Dinge, die ein Gast niemals hören möchte“.

Andere Gäste um mich herum versuchten mittlerweile, durch wiederholtes Rufen, Winken, Nicken und sonstige Zeichen eines Kellners habhaft zu werden, irgendwie bekam das Ganze mehr und mehr schweizerhausesque Züge. Nach laaanger Zeit erbarmte sich ein Kellner meines leeren Tellers, umgehend nutzte ich die Gunst der Stunde und orderte den obligaten Ristretto plus Grappa. Und wartete.

Und wartete.
Und wartete.

Nach ca. 15 Minuten beschloss ich, dem Debakel ein Ende zu setzen. Ich verlangte nach der Rechnung, nicht ohne meinem Kellner zu sagen, dass „wenn er mir meinen Espresso/Grappa nicht bringen möchte, ich halt zahlen werde“. Dies triggerte ein lapidares „ich hab’s eh gleich boniert, ist zu spät?“. Ja, mein Herr, ist zu spät. Er hielt mir in lieu einer echten Rechnung sein elektronisches Dingsbums unter die Nase, konnte sich ein „sehen sie, Rechnung ist ohne Kaffee!“ aber nicht verkneifen. Auf mein „Natürlich ist die Rechnung ohne Kaffee, ich hab’ ja auch keinen getrunken, eine Entschuldigung wäre aber schon nett gewesen“ kam dann ein erzwungenes, erbetteltes und damit wertloses „Es tut mir leid“.

Es ist ein Drama, ein Lokal zu sehen, das offenbar von einer gewissen Erfolgsquote („Der Garten/das Lokal ist eh immer voll“) so verwöhnt ist, dass es entweder nicht daran interessiert ist, einen konstanten Qualitätsstandard sowohl im Service, als auch in der Küche zu halten, oder schlichtweg damit überfordert ist. In all dem hektischen Gewusel ist keine Zeit für rasches Abservieren, für die ein oder andere Frage à la „Hätten Sie noch gerne ein Glas Wein?“, diese Dinge wurden längst schon der reinen Mathematik – mit wie wenig Kellnern schaffe ich rechnerisch das Gästeaufkommen zu bewältigen – geopfert.
La Pizza Capricciosa 2015 - Il Sestante - WienLa Pizza Diavola 2012 - Il Sestante - Wien
Hilfreich31Gefällt mir16Kommentieren
7 Kommentare

Danke für den Tipp, werd' ich mir vormerken!

10. Jän 2013, 11:53·Gefällt mir
Anna

Mir blutet mein italienisches Herz, wenn ich von deiner Pizza mit Spiegelei lese! Aber, was tatsächlich dem Sestante abhanden gekommen ist, sind das italienische Herz und deren Besitzter. Dies erklärt auch das aktuelle "Service- und Kochniveau". Mach Dich doch einfach auf die Suche, denn diese finden sich wieder, ebenfalls im 8.Bezirk - im "Il Vigliero", nur ohne Pizza aber mit feiner itlienischer Küche!

10. Jän 2013, 10:29·Gefällt mir

can't wait, amarone, can't wait. Nach dem heutigen Desaster im Sestante brauch ich etwas, um meine heile Welt in gastronomischer Sicht wieder herzustellen.

9. Sep 2012, 22:01·Gefällt mir

adn: ich hab am Freitag auch eine italienische "Offenbarung" gehabt, werd ich morgen online stellen ;)

9. Sep 2012, 21:55·Gefällt mir

Danke Gerry! amarone: das noch Schlimmere für mich war, nach diesem Debakel Deinen Bericht über den Hofkeller zu lesen. Was hätt' ich nicht für einen offenbar derart kulinarisch einwandfreien Abend gegeben!! Mir ist bei der Lektüre das Wasser im Mund zusammengelaufen!!

9. Sep 2012, 21:50·Gefällt mir1

Schade, schade....bei uns war es wirklich gut, wenn auch absolut nicht tadellos! Aber DANKE für den super Bericht! Gerry

9. Sep 2012, 21:44·Gefällt mir1

Uh Santo... :-P

9. Sep 2012, 21:42·Gefällt mir
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