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am 27. März 2012|Update 10. Apr 2012
SpeisenAmbienteService
Die Gaststätte (eigene Definition) Pistauer gibt es nicht nur schon ewig in Simmering, es ist auch sozusagen eine echte Institution, ein gastronomischer Fixpunkt. Ich kenne den Pistauer hier mindestens 30 Jahre schon und gemeinsam mit meiner besten Ehefrau von allen bereits etwa seit 20 Jahren. Die Erinnerung an diese Gaststätte war besonders gut, wiewohl unser letzter Besuch gute 15 Jahre her war, aber ich hatte hier immer eine fast legendäre Portion Spareribs (mit Honigsauce mariniert) gegessen. Daher fühlten wir uns fast schon verpflichtet, wieder einmal hier einzukehren.

Es ist ein sehr großes Lokal mit einem großen Nichtraucher und einem großen Raucherbereich. Ein Gastgarten rechts vom Hauptgebäude und ein riesiger Biergarten (etwa 140 Personen finden hier Platz) links vom Gebäude ist hier anzutreffen. Zusätzlich gibt es durch variable Raumtrennung (Faltwände) die Möglichkeit, Stüberl zu bilden und einen großen Saal (bis zu 120 Personen) für Feierlichkeiten (Hochzeiten, Feste, etc.).

Der Pistauer hatte immer schon für eine Gaststätte eher gehobene Preise und diese wurde bis heute beibehalten. Beim Eintritt durch den Haupteingang trifft man in den Nichtraucherbereich und rechts davon ist die schwere, holzvertäfelte Schank mit dem Durchgang zum Raucherbereich, der deutlich größer ist – eben auch wegen des Saales. Alles ist mit dunklem Holz vertäfelt, rustikal, und an der Wand hängt das eine oder andere Bild / Foto aus dem guten alten Simmering. Große Schiefertafeln in jedem Raum informieren über die jeweiligen Weinangebote.

Wir hatten zum Glück reserviert, da wir aus der Erfahrung und Beobachtung beim Vorbeifahren wussten, dass das Lokal immer sehr gut besucht ist. Außerdem wird es noch voller, wenn die Vienna Vikings (Football, siehe Link), die gegenüber ihren neuen Trainings- und manchmal auch Veranstaltungsplatz haben, spielen. Dann wird es danach sogar noch viel voller. Am Wochenende empfehle ich die Reservierung sowieso immer – das Einzugsgebiet ist durch zahlreiche Gemeindebauten riesengroß, und „halb Simmering“ kommt hier immer wieder her.

Das Lokal bietet zu den Tagesangeboten, die permanent variieren, auch Wochenaktionen, die in der Speisekarte bis zu zwei Seiten einnehmen, an. Auch Schmankerl-Wochen (Martinigansl, Spargel, Wild, Heringsschmaus etc.) werden laufend angeboten. Die Bierkarte ist auch sehr in Ordnung und die Weinkarte (durchwegs aus Österreich, wenn auch oft der Hinweis auf den Winzerbetrieb fehlt – besonders auf den Tafeln) ist mehr als ausreichend.

Zu unseren Speisen, wenn auch hier mein Handy nicht so optimal im Inneren fotografierte:

Eine „Frittatensuppe“ (EUR 2,90, die wie oft falsch als „Fritattensuppe“ deklariert wird) – ausgezeichnete kräftige Rindersuppe mit tatsächlich hausgemachten Frittaten, heiß serviert und wirklich SEHR GUT.

Eine „Bouillon mit Ei“ (EUR 3,10) – ebenso wunderbar kräftige und g’schmackige klare Rindersuppe, mit einem Eidotter serviert, zu überhöhtem Preis im Vergleich zu den anderen Suppen, jedoch auch SEHR GUT und hausgemacht. Warum aber EUR 3,10 - Frittaten sind doch mit etwas mehr Arbeit und Kosten verbunden als ein in die Suppe geschlagener Eidotter??!!

Einmal das „Haussulz“ (EUR 5,80) als kalte Vorspeise, das mäßig brav war und eigentlich fast schon so zugekauft hätte sein können. Ich selbst mache öfters Sulz, und ich mag es nicht, wenn es so kompakt wie hier, sondern leicht und locker ist – es soll auf der Zunge schmelzen. Auch sehr wenig Gemüse (Suppengemüse) im Sulz, das Fleisch von eher „günstiger“ Qualität. Sulz muss generell immer überwürzt werden, da es geschmacklich noch nachlässt, davon war hier nichts zu merken. Ein Schuss guter Balsamico und etwas mehr Salz hätten im Aspik durchaus gepasst. Das Salzstangerl dazu, immerhin um EUR 0,90, hatte die beste Zeit hinter sich – ein typisches Manko vieler Gasthäuser, man hebt es im Körberl, leicht zugedeckt, den ganzen Tag auf und serviert es bis am Abend so den Gästen, das ist nicht notwendig. Das Kernöldressing war gut, Kernöl von guter Qualität, und der rote Zwiebel wurde frisch geschnitten. Ein sehr mäßiges GUT - ausreichend war die Portion in jedem Fall, sie bestand aus zwei Schnitten Sulz, die Pfeffermühle für frisch gemahlenen Pfeffer musste man sich aber selber organisieren.

Einmal den „Steirischen Backhendelsalat“ (EUR 7,10 - mit Erdäpfel-Vogerlsalat und Kernöldressing). Das Hendel, bereits ausgelöst, in einer knusprigen Kürbiskernpanier gebacken, war äußerst saftig und wunderbar. Der Salat, schön mit dem Kernöldressing abgestimmt, rundete den Genuss ab – ein glattes GUT bis SEHR GUT bei ausreichender Portionsgröße, jedoch auch nicht günstigem Preis – wir sind noch immer in einer „Gaststätte“.

Einmal den „Gebackenen Emmentaler“ (EUR 7,40), serviert mit Sauce Tartare, Preiselbeeren extra zu stolzen EUR 1,40 (nicht für das Glas, nur für ein kleines Schüsselchen!) wurden für mich gebracht. Der Emmentaler war von der absolut billigen und eher geschmacksneutralen Sorte, die Scheiben möglichst dünn geschnitten, die Panier zu blass und nicht wirklich knusprig – trotzdem „gelang“ es dem Koch, dass der Käse auslief. Besonders für diesen Preis ein MÄSSIG - das gibt’s fast überall g’schmackiger, besser ausgeführt und günstiger.

Einmal die „Knoblauch-Spareribs“ (EUR 12,80) – generell gibt es die Spareribs immer erst ab 15:00h, die Knoblauch-Spareribs kann man sich aber eher sparen. Weder wirklich mit frischem gutem Knoblauch mariniert oder während des Garvorganges mit einem frischen Knoblauchöl bestrichen, „bestachen“ diese vor allem durch die Verwendung von reichlich Knoblauchgranulat oder fertiger Knoblauchpaste. Zu wenig gebraten / gegrillt, an der Unterseite, wie so oft, die Knochenhaut nicht eingeritzt (damit nur ja keine Marinade ins Fleisch eindringen kann!), war natürlich das Knoblauchgranulat dann auch etwas bitter. Die Portion wäre sehr in Ordnung (einmal etwa 40cm und einmal etwa 20cm Rippchenlänge), aber wenn es so gemacht wird? Die Pommes (statt Erdäpfel bestellt von meiner besten Ehefrau von allen) O.K., die Saucen ebenfalls keine Offenbarung (Knoblauch- und Churrasco-Sauce) und schmeckten sehr nach convenience. Den Knoblauch musste man sowieso auf der Karte suchen, dann fand man ihn auch. Das war ein glattes MÄSSIG. Beachtenswert: die Spareribs waren ebenso schnell fertig, wie der gebackene Emmentaler oder der Backhendelsalat…jede/r möge sich seinen Teil dazu denken. Ein gutes Zeichen für Qualität und Frische ist das nicht!

Ein Krügel Dunkles Ottakringer (EUR 3,40), war sehr süffig und nicht von der süßen Sorte, ein Seidel Ottakringer Hell (EUR 2,50) und ein Viertel Apfelsaft mit Leitungswasser auf einen halben Liter gestreckt (EUR 2,30, wobei ein Achtel Apfelsaft nur EUR 1,10 kostet – anscheinend will man hier an allem verdienen, auch bei knapp EUR 60,00 Zeche) rundeten das Essen ab.

Als Abschluss hatten wir noch einen Himbeerbrand (EUR 3,10 für 2cl) sowie einen Birnenbrand (ebenfalls EUR 3,10 für 2cl), die ausgezeichnet und meiner Überzeugung nach (Bukett und Entfaltung des Geschmacks) endlich einmal nicht eisgekühlt waren.

Das Service ist hier eher durchwachsen, manchmal kommt jemand vorbei, dann wieder nicht, wirklich beobachtet werden die Gäste hier nicht, ob sie etwas brauchen. Das Essen wird schnell auf den Tisch gestellt und weg ist der Kellner – siehe oben Pfeffermühle. Niemand ist unfreundlich, aber zuvorkommend ist halt auch anders. Man wird hier mittlerweile den Eindruck nicht los, dass man von „Massenabfertigung“ redet. Alle Speisen möglichst schnell an den Gast bringen, Trinken, so viel wie möglich servieren, und dann schnell „Auf Wiedersehen!“ – wie in so manchem Lokal im Prater ohne Namen zu nennen. Gemütlich und „man kümmert sich um den Gast“ ist etwas Anderes. Man hat es wohl anscheinend nicht mehr nötig…

Die Kellner oder auch der Koch, die unmittelbar im Vorraum des Speisesaales rauchen, lungern dort herum, wenn nichts zu tun ist, und beobachten die Gäste – sehr „angenehm“ für den Gast. Gleichzeitig werden aber Gäste an Tische „geleitet“, eigentlich „beordert“, die noch nicht einmal abgeräumt wurden! Und das bei drei Kellnern im Dienst und fast leerem Lokal…zu unserer Zeit halt.

Man ist sich hier wohl sehr sicher, ob der eigenen Leistung…ich kann sie nicht mehr nachvollziehen und bin entsetzt, was aus einem erstklassigem Gasthaus mit gut bürgerlicher Küche geworden ist. Zu bemerken war, dass am Nebentisch der Tafelspitz samt Suppe und Gemüse im Topf serviert wird, dazu die Rösterdäpfel, Semmel- oder Apfelkren und die Schnittlauchsauce extra – erstklassig gelöst, und dem Gast hat’s sichtlich geschmeckt. Aber das alleine ist für diese Preise in einer „Gaststätte“ zu wenig!

Kreditkarten werden hier ebenso wenig wie die Bankomatkarte genommen – in welcher Zeit leben wir bitte? Im Sommer gibt es auch immer eine Lokation des Pistauer im Schloss Neugebäude.

Mein Fazit: ich empfehle keinen Ausflug rundherum, so man dann auch unbedingt hier einkehren will. Um diesen Preis isst man in sehr vielen Gasthäusern und Restaurants einfach besser und wahrhaft günstiger. Es kommt kein Bemühen um den Gast rüber, das Essen ist mittelmäßig, aber bedingt durch die hier noch immer gehobenen und qualitativ nicht gerechtfertigten Preise sind sie nicht mehr gut, sondern in Summe nur MÄSSIG. Ich empfehle das Lokal leider nicht mehr und ich wurde einer wirklich guten Erinnerung beraubt! Aber so geht’s nicht. Das Ambiente ist stimmig und man würde nichts Anderes hier erwarten, der Service sollte sich an der Nase nehmen und das kräftig, wenn auch früher die Kellner noch dazu unfreundlich und präpotent waren. Wieso es immer so voll hier ist? Ich kann es nicht beantworten…wie tief ist ein wirklich gutes Gasthaus gesunken und niemand will es bemerkt haben…
Gaststätte Pistauer Visitenkarte - Gaststätte Pistauer - WienGaststätte Pistauer Gastraum Raucher - Gaststätte Pistauer - WienGaststätte Pistauer Außenansicht - Gaststätte Pistauer - Wien
Hilfreich30Gefällt mir12Kommentieren
13 Kommentare·Zeige alle Kommentare

oops...falsches Datum...wie peinlich!

5. Apr 2013, 19:26·Gefällt mir

Lange war der Gerry krank. Jetzt schreibt er wieder, Gott sei dank!

5. Apr 2013, 19:25·Gefällt mir
Nobody

wirklich gute beschreibung, sodass man alles wirklich bildlich vorstellen kann - ich hoffe, die chefität dort liest das.

5. Apr 2013, 18:17·Gefällt mir

Hut ab, wieder eine Bewertung vom FEINSTEN! 😀

8. Nov 2012, 09:48·Gefällt mir

Das wäre sehr wünschenswert, liebe fruchtfliege! Danke für dein Lob! Gerry

7. Apr 2012, 16:22·Gefällt mir

Wurde auch schon Zeit das dieses Lokal von einem Experten einmal, mit einem lesenswerten Bericht, bewertet wurde. Ja der strenge, aber gerechte Gerry hat hier wieder einmal ein Lokal in seine Einzelteile zerlegt. Vielleicht liest es auch der Lokalbetreiber und setzt an den Schwachstellen an um diese auszumerzen, wäre schade um das Lokal.

7. Apr 2012, 01:35·Gefällt mir

Liebe Gourmeuse, aber dann geh' bitte nicht unbedingt hier her! Lieber adn1966, vielen Dank für dein Lob! Gerry

2. Apr 2012, 21:12·Gefällt mir

no herzlichen dank auch, jetzt hab ich hunger *heul* :-))

2. Apr 2012, 12:22·Gefällt mir

Hervorragender Bericht, - als wäre man selbst dort gewesen. Umfassender kann man das nicht schreiben.

2. Apr 2012, 10:07·Gefällt mir3

@walt & amarone1977: ich meinte, die "gehobenen" Preise besonders dafür, dass man nicht vergessen sollte, wo man sich lokal gesehen befindet (Umgebung) und in welcher Art des Lokals, nämlich ein Gasthaus oder ein Wirtshaus. Im Vergleich zu Grisu, Haideröslein, Gasthaus zum Friedhof der Namenlosen, Schutzhaus Gaswerk oder Simmeringer Landbier (alles von mir bewertet und im Umkreis) liegen die Preise in der Regel um EUR 1,50 bis EUR 2,00 darüber. Und genau das fordere ich dann vom Pistauer an Mehr-Qualität MINDESTENS ein, die aber hier deutlich nicht geboten wird, im Gegenteil. So war's gemeint. Und wie gesagt, der Preis für die Bouillon mit Ei ist mir bis heute noch immer schleierhaft. Danke für euer Lob! Gerry

28. Mär 2012, 19:39·Gefällt mir1
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